Pfingsten naht – und damit jenes Fest, mit dem Katholiken am 50. Tag der Osterzeit die Entsendung des heiligen Geistes feiern. Angehörige des Katholizismus stellen in Österreich nach wie vor die größte Gruppe der Gläubigen. Dahinter folgen aber mittlerweile gut eine Million Menschen ohne Bekenntnis, also Atheisten und Agnostiker, die mit Festen wie Pfingsten – außer dem zusätzlich anfallenden Feiertag – nicht allzu viel anzufangen wissen.

Trotz der großen und weiter wachsenden Gruppe der Nichtgläubigen ist Österreich in Sachen Säkularisierung im internationalen Vergleich eher "konservativ". Zum Vergleich: In China gaben laut einer Studie aus dem Jahr 2015 nicht weniger als 61 Prozent der Bevölkerung an, Atheisten zu sein. Was genau darunter zu verstehen ist, bleibt freilich meist unklar. Weitgehend geklärt ist bloß der Unterschied zwischen Atheisten und Agnostikern, die bei der Leugnung der Existenz eines Gottes nicht ganz so radikal sind wie Atheisten.

Die prominenten britischen Atheisten Ariane Sherine und Richard Dawkins vor einem Londoner Doppeldeckerbus mit einer Botschaft, auf die sich auch Agnostiker einigen können.
Zoe Margolis via wikimedia CC BY 2.0

Befragungen in sechs Ländern

Eine britische Forschergruppe des Programms "Global Understanding Unbelief" wollte nun aber genauer wissen, woran Atheisten und Agnostiker glauben, und führte deshalb in sechs Ländern Befragungen durch: in Brasilien, China, Dänemark, Japan, Großbritannien und den USA. Was dabei herauskam, präsentierten die Forscher um die Soziologin Lois Lee (University of Kent) kürzlich ausgerechnet im Vatikan in Rom. Zudem liegen die wichtigsten Studienergebnisse in einer öffentlich zugänglichen Publikation vor – und diese Resultate sind zum Teil doch recht überraschend.

So zeigte sich, dass es insbesondere in christlichen Ländern möglich scheint, Atheismus und Religion zumindest in der Selbstwahrnehmung zu verbinden: In Dänemark etwa gaben 28 Prozent der Atheisten und Agnostiker an, Christen zu sein. In Brasilien waren es immerhin 18 Prozent. Nicht ganz überraschend ist, dass in den vier christlich geprägten Ländern jeweils mehr als die Hälfte der "Ungläubigen" als Christen erzogen worden waren.

Schlechtes Image der Atheisten

Erstaunlicher ist hingegen, dass nur sehr wenige Nichtgläubige sich selbst als Atheisten oder Agnostiker bezeichnen würden: In den USA sind das nur 38 Prozent der Atheisten, in Dänemark gar nur 19 Prozent. Diese Zurückhaltung mag womöglich daran liegen, dass Atheisten auch bei Atheisten ein schlechtes Image haben. So zeigte eine Untersuchung, die vor knapp zwei Jahren im Fachblatt "Nature Human Behaviour" erschien, dass nicht nur die Durchschnittsbevölkerung, sondern auch Atheisten einem anderen Atheisten eine schreckliche Bluttat sehr viel eher zutrauen würden als einer religiösen Person.

Die Ergebnisse der nun veröffentlichten Studie unterstreichen, dass ein solches Vorurteil jeglicher empirischen Grundlage entbehrt: Die allermeisten "Ungläubigen" teilen den Glauben an objektive moralische Werte, die Würde des Menschen und die damit verbundenen Rechte sowie den "tiefen Wert" der Natur. Sie unterscheiden sich darin kaum von der Durchschnittsbevölkerung in ihren jeweiligen Ländern. Zudem ist auch für Agnostiker und Atheisten die Suche nach Sinn in der Welt und dem Sinn ihres eigenen Lebens sehr wichtig.

Glauben an Übernatürliches

Im Rahmen der Untersuchung wurde aber auch nach dem Glauben an übernatürliche Phänomene wie ein Leben nach dem Tod, die Reinkarnation, die Astrologie, Objekte mit mystischen Kräften, den universellen Geist oder Karma gefragt. Dabei kamen einerseits wieder erhebliche kulturelle Differenzen zwischen den sechs Ländern zum Vorschein, aber auch zwischen Agnostikern und Atheisten. Zum anderen ist erstaunlich, wie hoch die Zustimmung zu einigen Manifestationen des Übernatürlichen ausfiel.

Besonders empfänglich für übernatürliche Phänomene jeglicher Art sind chinesische Agnostiker, von denen mehr als die Hälfte an Astrologie, an gute und böse Kräfte und einen universellen Geist der Lebenskraft glaubt:

Zustimmungsrate von Agnostikern zu bestimmten übernatürlichen Phänomenen in Prozent.
Illustration: University of Kent

Bei den Atheisten fallen die Werte insgesamt niedriger als bei den Agnostikern aus, aber auch hier gibt es – insbesondere in China und Brasilien – Zustimmungsraten von zehn bis über 30 Prozent. Den geringsten Sinn für Übernatürliches haben übrigens japanische Atheisten.

Falsche Vorstellungen über Atheismus

Für Lois Lee, deren frühere Arbeiten zum Thema Atheistmus bereits im STANDARD vorgestellt wurden, wird durch diese Ergebnisse jedenfalls offensichtlich, "dass die üblichen Vorstellungen der Öffentlichkeit über Atheisten bestenfalls eine Vereinfachung und schlimmstenfalls eine grobe Karikatur darstellen". Ihr Ko-Autor Jonathon Lanman ergänzt, dass Nichtgläubigen oft unterstellt werde, ihnen fehle ein Gefühl für objektive Moral oder für einen Sinn im Leben und sie besäßen ein ganz anderes Wertesystem als der Rest der Bevölkerung. "Unsere repräsentativen Daten aus sechs verschiedenen Ländern zeigen, dass nichts davon wahr ist." (Klaus Taschwer, 8.6.2019)