Wien – "A Nochred hod ma ka guade", verrät der Vater von Walter G. (Name geändert, Anm.) dem Richter Stefan Romstorfer, wie ein Artikel der Kronen Zeitung über seinen Sohn in seiner kleinen Heimatgemeinde aufgenommen wurde. Der sei als "Illegaler" in Afrika verhaftet worden, stand im März in dem Medium groß zu lesen, illustriert war die Geschichte unter anderem mit einem Porträt von G., dessen Augen von einem Balken verdeckt wurden.

Der Verfasser schwelgte in Details: Der 27-Jährige sei in Handschellen von der Polizei abgeführt worden, in seiner Wohnung seien illegale Waffen und Drogen gefunden worden, nun werde geprüft, ob er für mehrere Einbrüche in Nairobi infrage komme. An sich gar keine schlechte Geschichte – wenn sie stimmen würde.

Richtig ist, dass G. als Selbstständiger in Arabien und Ostafrika tätig ist. Sein Anwalt Daniel Bauer legt dem Richter im Medienprozess gegen die Krone den Pass samt Visum vor, woraus ersichtlich ist, dass er zum fraglichen Zeitpunkt legal in Kenia gelebt hat.

Polizeimeldung auf Twitter

Wie kam es also zu dem Artikel? "Ein Journalist aus Italien hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ein Österreicher in Haft ist", erklärt der Krone-Redakteur als Zeuge. Auf Twitter habe er dann einen Eintrag der kenianischen Kriminalpolizei, dem Directorate of Criminal Investigations (DCI), gefunden, der ein Foto von G. enthielt.

Das Problem: In dem Eintrag ist nicht nur der Nachname falsch geschrieben, sondern auch "Australien" als Herkunft vermerkt. Zusätzlich wird in Reaktionen auf den Eintrag darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Porträt um kein offizielles Polizeifoto handeln dürfte und ein Gericht ohnehin der Polizei die Veröffentlichung der Bilder von Festgenommenen verboten hätte.

"Haben Sie mit dem DCI Kontakt aufgenommen?", will der Richter vom Redakteur wissen. "Nein", hört er als Antwort. "Mit Herrn G.?" lautet eine Frage, die ebenfalls verneint wird. Tatsächlich habe sich die Recherche auf den Tweet und Ergebnisse einer Google-Suche beschränkt. "Was heißt denn DCI?", fragt Anwalt Bauer. "Kann ich Ihnen jetzt nicht sagen", bedauert der Zeuge.

Freunde und Geschäftspartner meldeten sich

Kläger G. erinnert sich, dass er von Freunden auf Facebook kontaktiert und auf den Bericht aufmerksam gemacht worden sei. "Da waren dann auch Kommentare wie ,Pablo Escobar' dabei." Auch Geschäftspartner hätten ihn angesprochen, beim Heimatbesuch sei er geschnitten worden.

Zum Beweis seiner Unschuld legt er auch einen Einzelgesprächsnachweis seines Mobiltelefons vor, wonach er rund um den angeblichen Verhaftungstag telefoniert habe. "Das wäre im Gefängnis kaum möglich", gibt Rechtsvertreter Bauer zu bedenken. "Wenn ich das wirklich gemacht hätte, würde ich heute sicher nicht hier sitzen", argumentiert G. und verweist auf das kenianische Strafgesetzbuch, das zu Romstorfers Überraschung allein für den illegalen Besitz von Munition einen Strafrahmen von fünf bis zehn Jahren vorsieht.

G. vermutet auch zu wissen, wie die Twittermeldung der kenianischen Polizei zustande kam. Das verwendete Porträt habe ein Geschäftspartner von ihm aufgenommen. Als dieser von einer bevorstehenden größeren Investition in G.s Firma erfuhr, wollte er Teilhaber werden, was G. ablehnte.

Cousin bei der Kriminalpolizei

"Daraufhin hat er mich, meine Freundin und meine Mitarbeiter bedroht", erzählt der Kläger. "Er sagte, dass er einflussreiche Leute kenne und ich ein Muzungu, ein weißer Teufel, sei. Und sein Cousin arbeitet beim DCI, das weiß ich." Erst nach der Zahlung von umgerechnet 1000 Euro hätten die Belästigungen ein Ende gehabt.

"Haben Sie sich je an das DCI gewandt, um das richtigstellen oder entfernen zu lassen?", will Krone-Anwältin Eva Hammertinger von G. wissen. "Das hätte keinen Sinn gehabt. Kenia ist ein Entwicklungsland", er hätte nur Scherereien bekommen, ist G. überzeugt. Nachdem er von dem Artikel erfahren habe, habe er sich mit dem Redakteur in Verbindung gesetzt. "Der hat sich entschuldigt und gesagt, es sei nur ein Lückenfüller gewesen." G.s Vater, der bei einem Gespräch in der Redaktion dabei gewesen ist, erinnert sich auch an das Eingeständnis einer "Zeitungsente".

"Das braucht man aus meiner Sicht gar nicht diskutieren", begründet Romstorfer am Ende seine nicht rechtskräftige Entscheidung, die Krone zu je 3000 Euro Entschädigung für den Print- und den Onlineartikel zu verurteilen. G. sei identifizierbar gewesen, auch die Unschuldsvermutung sei verletzt worden. (Michael Möseneder, 11.6.2019)