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Neue Kanzlerin Brigitte Bierlein.

Foto: AP, Ronald Zak

Mit dem unfehlbaren Gespür für das Wichtige, das ihr schon lange den Ruhm beschert, eine ernst zu nehmende Tageszeitung zu sein, widmete sich "Österreich" diese Woche sachlich der neuen Regierungschefin. Stylische Kanzlerin, hieß es am Dienstag auf dem Cover und im Inneren: Kanzlerin in Königsblau und mit Designer-Bag. Nach Slim-Fit-Anzügen weht auch modisch ein frischer Wind im Kanzleramt. Der Bundespräsident hat offenbar ganz genau gewusst, wen er da bestellt. Zur Angelobung kam die 69-Jährige stilsicher im königsblauen Sommerkleid mit Volant. Darüber trug sie eine passende Jacke mit Blumen-Anstecker und ein künstlerisch gestaltetes Silber-Collier. Nie wieder möchte man da zurück zu den Etuis, in denen ihr Vorgänger im Amt die Hände selbstanbetend vor dem Bauch zu falten pflegt. Absoluter Blickfang gestern war ihre Louis-Vuitton-Tasche Alma Monogram aus blauem Lack-Leder. Laut Online-Shop der Designer-Marke kostet das Modell aktuell 1.750 Euro.

Das war professionell recherchiert. Keine Frage: Mit Bierlein zieht auch ein neuer Stil ins Kanzleramt ein. Schon ihr erster Auftritt sorgte für Furore. Im Chanel-Look, mit weißer Rüschenbluse und schwarzem Hosenanzug bewies die Top-Juristin ihren Sinn für Mode.

Wer sich für stylische Extravaganzen etwa des neuen Außenministers oder gar für die Stilsicherheit des Innenministers interessierte, wurde bei "Österreich" nicht bedient. Dafür hieß es am Mittwoch auf Seite 1: Die neue Style-Kanzlerin. Bierlein: It-Bag für 1.750 €. Und auf Seite 6 war die Wiederholung vom Vortag nicht mehr zu verhindern, denn: Ganzes Land spricht über Bierlein-Look. Neue Kanzlerin hat Stil – und den lässt sie sich auf den Leib – worauf sonst? – schneidern und etwas kosten. Aber es ist alles ehrlich verdient. Wer jetzt über den hohen Preis die Nase rümpft, dem sei gesagt: Bierlein hat sich ihren Job und ihr Spitzengehalt – als VfGH-Präsidentin verdiente sie rund 16.000 Euro im Monat – über Jahrzehnte hart erarbeitet. Herr Drozda hat mit seiner Armbanduhr bei "Österreich" weniger Gnade gefunden.

Die neue Kanzlerin genießt vielleicht nicht die Aufmerksamkeit der Fellner-Schleimerei, aber laut derselben die der Mode-Welt, schweigt aber zur Debatte um ihren Look. Lieber will die Power-Frau jetzt mit politischen Themen punkten. Wer hätte das gedacht? Aber nicht zu sehr, denn gewiss denkt sie schon darüber nach, was sie heute bei ihrem ersten Ministerrat tragen wird. Über das Ergebnis dieses Denkprozesses schwieg sich "Österreich" am nächsten Tag aus, meldete aber ein neues Accessoire der stylischen Kanzlerin. Es war Ex-Sektionschef Manfred Matzka. Roter Lack.

Der neue Stil, der mit Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ins Kanzleramt eingezogen ist, lässt die Freiheitlichen dem Regierungsstil ihres Ex-Vizekanzlers nachtrauern. Rache für Strache fordert "Zur Zeit" in ihrer aktuellen Nummer, aber eigentlich sehr verhalten, denn man weiß ja nie, ob man nicht doch eine zweite Chance erhält. Im illuminierten Zustand mit einer Escort-Dame über politische Vorhaben zu schwadronieren, zeichnet sicher nicht den seriösen Staatsmann aus. Jedoch die illegal aufgenommene halbseidene Situation zur Staatskrise zu erklären, offenbart mehr über die Beweggründe des gerade mit Miß trauens antrag chassierten BK Kurz, heißt es da. Gipfelpunkt der Kurzschen Heuchelei ist jedoch, von seinem ehemaligen Koalitionspartner zu erwarten, den Mißtrauensantrag abzulehnen.

Das war keine Heuchelei, und schon gar nicht deren Gipfelpunkt, sondern schlicht die Selbstüberschätzung eines aus freiheitlicher Sicht eher bedeutungslosen Pseudostaatsmannes. Jetzt weint die gesamte ÖVP Abschiedstränen nach und sieht noch immer nicht, wer für die Regierungserfolge verantwortlich war. Der auf schwarz zurückgefärbte Kurz hat nie den Sinn seiner Koalitionsregierung verstanden. Am Gängelband der ÖVP-Granden wird er diesen von den meisten Österreichern geschätzten Regierungskurs niemals fortsetzen können. Und warum? Weil zum Staatsmann gehört mehr, als mit Unschuldsmiene das FPÖ-Programm zu kopieren und sich dafür von den Medien feiern zu lassen. Einiges mehr.

Ob es tatsächlich eine Escort-Dame war, an der die Regierungserfolge letztlich verebbten? Escort-Damen pflegen politischen Schwadroneuren nicht mit dreckigen Zehennägeln zu lauschen. Aber wer weiß das schon? Schließlich ist Strache auch auf Kurz hereingefallen. (Günter Traxler, 8.6.2019)