Frage: Warum ist Theresa May am Freitag als Parteichefin der Konservativen zurückgetreten?

Antwort: Es blieb ihr nichts anderes übrig. Kritiker meinen sogar, sie habe sich mit dieser Entscheidung viel zu viel Zeit gelassen, denn de facto stand ihr Job schon Ende 2018 zur Disposition, als sie ihren mit Brüssel ausgehandelten Deal für einen geregelten Austritt aus der Europäischen Union nicht durchs Unterhaus brachte. Seit damals hat sich ihre Situation stetig verschlimmert – gut abzulesen auch an ihren drei, allesamt gescheiterten Versuchen, die Abgeordneten von ihrem Deal zu überzeugen.

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Theresa May, Ex-Parteichefin, bald auch Ex-Premierministerin.
Foto: AP / Bertrand Guay

Frage: Wie erfolgte Mays Rücktritt?

Antwort: Völlig unspektakulär und auch ohne öffentlichen Auftritt: Die 62-jährige Theresa May übermittelte ihrer Partei ein persönliches Schreiben. Keine Inszenierung, keine Pressekonferenz.

Frage: Aber Premierministerin bleibt May schon noch, oder?

Antwort: In der Tat, aber nur für eine kurze Zeitspanne: Am 22. Juli soll die Nachfolgefrage geklärt sein, in derselben Woche wird sie auch als Regierungschefin Ihrer Majestät zurücktreten.

Frage: Das heißt, dass sie den Brexit Ende Oktober definitiv nicht selbst vollziehen wird?

Antwort: Ja. Genau aus diesem Grund will sich May nicht mehr allzu viel Zeit lassen. Ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin soll Zeit bekommen, um eine parlamentarische Mehrheit für den Brexit – geordnet oder ungeordnet – zu finden, woran May scheiterte. Letztlich muss er oder sie der Queen glaubhaft versichern können, das Vereinigte Königreich tatsächlich regieren zu können.

Frage: Wie geht es also in diesen Tagen bei den Konservativen weiter?

Antwort: Am Montag läuft die Bewerbungsfrist ab. Einer kürzlich erfolgten Regeländerung zufolge müssen sie nicht mehr nur zwei Unterstützer vorweisen, sondern acht. Dadurch dürfte sich der Kreis von bisher elf Kandidaten verkleinern, ehe am Donnerstag der erste geheime Wahlgang in der Fraktion ansteht. Die 313 Tory-Abgeordneten sollen bis spätestens 20. Juni in nervenaufreibenden Verhandlungen und mehreren geheimen Abstimmungen das Kandidatenfeld eingrenzen – nämlich auf zwei Personen. Über diese befinden dann in einer Art Stichwahl rund 160.000 Parteimitglieder.

Topfavorit mit starken Sprüchen: Boris Johnson.
Foto: imago images / ZUMA Press

Frage: Topfavorit ist und bleibt wohl Boris Johnson?

Antwort: Ja, aber "es dreht sich nicht alles nur um ihn", wie sich Sozialministerin Amber Rudd kürzlich über den Medienhype um den ehemaligen Außenminister und Londoner Bürgermeister beklagte. Johnson ist ohne Zweifel der präsenteste Kandidat für die May-Nachfolge. Er weiß ganz genau, wie man sich inszeniert – indem man zum Beispiel große Töne spuckt: Großbritannien werde Ende Oktober auf jeden Fall aus der EU austreten, "ob mit oder ohne Vertrag". Die Garantie einer parlamentarischen Mehrheit kann er bisher freilich nicht erbringen. Das kann aber auch niemand sonst. In der konservativen Parlamentsfraktion haben bisher 47 Politiker ihre Präferenz für Johnson erklärt. Das ist schon eine starke Ansage.

Jeremy Hunt: No-Deal-Brexit wäre "politischer Selbstmord".
Foto: AFP / DANIEL LEAL-OLIVAS

Frage: Wer kommt noch infrage?

Antwort: Außenminister Jeremy Hunt. Im Gegensatz zu Johnson will er einen No-Deal-Brexit unter allen Umständen vermeiden, weil er "politischer Selbstmord" wäre. Und dann noch Umweltminister Michael Gove. Diese beiden Prätendenten liegen mit 32 beziehungsweise 31 deklarierten Anhängern nahezu gleichauf. Innenminister Sajid Javid mit 17 und Gesundheitsminister Matt Hancock mit 13 Unterstützern sind da schon jetzt abgeschlagen – und damit wahrscheinlich chancenlos.

Frage: Hat gar keine Frau Chancen?

Antwort: Bisher haben sich nur sechs Abgeordnete für Esther McVey und gar nur vier für Andrea Leadsom ausgesprochen – dabei galt sie vor drei Jahren als besonders chancenreiche Kandidatin auf den Job, für den schließlich May den Zuschlag erhielt.

Andrea Leadsom: Topkandidatin 2016, aber nicht (mehr) 2019.
Foto: AFP/ISABEL INFANTES

Frage: Und der Sieger dieses Wettstreits wird dann auch Premier?

Antwort: Das wird ganz automatisch so sein. Nominell muss Königin Elisabeth II. den Nachfolger akzeptieren – de facto bleibt ihr aber gar keine andere Wahl. (Sebastian Borger, Gianluca Wallisch, 7.6.2019)