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Engpässe bei der Versorgung der 1300 Apotheken und 890 ärztlichen Hausapotheken in Österreich sind für viele ein Ärgernis. Pharmagroßhändler orten die Ursache in zunehmendem Kostendruck.

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Vorigen Sommer wurde bekannt, dass ein Blutdrucksenker mit dem Wirkstoff Valsartan mit potenziell krebserregenden Stoffen verunreinigt war. Der Wirkstoff wurde wie neuerdings viele andere auch in China produziert. Betroffene Chargen nahm man aus dem Markt. Auch zehntausende Patientinnen und Patienten in Österreich waren betroffen; manche mussten längere Zeit auf "ihr" Medikament verzichten, es gab Lieferengpässe.

Zu Lieferengpässen könnte es in Zukunft öfters kommen, befürchtet Bernd Grabner. Der gebürtige Oberösterreicher ist Geschäftsführer der Jacoby GM Pharma, eines von sechs verbliebenen Vollsortimentern im österreichischen Pharmagroßhandel (neben Jacoby noch Herba Chemosan, Kwizda, Pharmosan, Phoenix sowie Richter Pharma). Kürzlich wurde Grabner für zwei Jahre zum Präsidenten der Vereinigung des europäischen Pharmagroßhandels gewählt. Die Branche beschäftigt europaweit an die 140.000 Personen, in Österreich knapp 2000.

"Dass es zu Engpässen kommt, liegt an der Globalisierung", sagte Grabner dem STANDARD. "Wirkstoffe lassen Pharmafirmen aus Kostengründen fast nur noch in China oder Indien herstellen, konfektioniert wird häufig in Südamerika, insbesondere in Brasilien." Allerhöchstens verpackt werde noch in Europa.

Handel als Puffer

Dabei bemerkten Patienten in vielen Fällen gar nichts von tatsächlich aufgetretenen Produktionsengpässen. Als Bindeglied zwischen Industrie und Apotheken könne der Pharmagroßhandel die allerschlimmsten Auswirkungen bis zu einem gewissen Grad abfedern. Grabner: "Wir haben bei gut gehenden Artikeln den Bedarf von vier bis fünf Wochen auf Lager, bei weniger stark nachgefragten entsprechend kleinere Mengen."

Außerdem wisse man, was die Apotheken in der Vergangenheit bestellt haben, und könne bis zu einem gewissen Grad prognostizieren, welche Medikamente wann wo gebraucht würden. "Und wenn ein Medikament knapp wird, wissen wir ungefähr, wie wir verteilen können, damit die vorhandene Menge bestmöglich in den Markt kommt", sagte Grabner. Bei größeren Ereignissen sei aber auch der Pharmagroßhandel überfordert.

Dann beginne sich ein zeit- und ressourcenraubendes Rad zu drehen. "Die Apotheke klopft nach dem Patientenbesuch bei uns an, ob wir liefern können, wir fragen beim Hersteller nach, und die Information Nein geht auf demselben Weg dann wieder zurück. Der von der Apotheke verständigte Patient muss erneut zum Arzt, der sucht nach einem alternativen Medikament, weiß dann aber auch nicht mit Sicherheit, ob dieses lieferbar ist."

Idee für Lösung

Zumindest das könnte man in den Griff bekommen, glaubt Grabner – indem Ärzten die Information zur Verfügung gestellt wird, was am Markt aktuell nicht verfügbar ist. Ärzte könnten das dann schon bei der Verschreibung berücksichtigen. Überlegungen in diese Richtung gibt es.

Ein Entwurf für eine Novelle zum Arzneimittelgesetz sah eine Meldepflicht für Hersteller vor, sollten diese über einen längeren Zeitraum weniger als den üblichen Bedarf ausliefern. Gestritten wurde zuletzt noch über die Definition "längerer Zeitraum" – zwei oder vier Wochen. Mit dem Sturz der Regierung Kurz ist das bis auf weiteres hinfällig. Um das Problem grundlegend zu lösen, müsste von allen Beteiligten wohl mehr Geld in die Hand genommen werden. "Würde wieder ortsnah produziert, hätten wir viele der Probleme nicht", ist Grabner überzeugt.

Die Pharmagroßhändler plagen auch noch andere Sorgen. Seit fünf bis sechs Jahren sei eine Tendenz der Pharmahersteller zu beobachten, Apotheken am Großhandel vorbei direkt mit teureren Präparaten zu beliefern. "Das hat uns schon rund 600 Millionen Euro, das ist knapp ein Viertel unseres Umsatzes, gekostet", sagte Grabner. "Ich brauche für die Mischkalkulation auch teurere Produkte, die mehr Marge abwerfen, damit ich im Schnitt eine vernünftige Ertragsstruktur habe." (stro, 8.6.2019)