Wien – Entlastung für Unternehmer ist naturgemäß ein Lieblingsthema von Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP). Das gilt nicht nur innerhalb Österreichs. Am Freitag hat der WKO-Chef nun eine Forderungsliste an das neue EU-Parlament und die künftige EU-Kommission präsentiert. Die Schlagworte sind bekannt und in Zeiten der türkis-blauen Regierung häufig gefallen:

Wettbewerbsfähigkeit stärken, Digitalisierung und Innovation fördern – und dabei Nachhaltigkeit sichern. Das wären die Aufgaben, die Mahrer den Institutionen in der kommenden Periode bis 2024 zugedacht hat.

Auch was eines der Lieblingsthemen der Wirtschaft – (Über-)Regulierungen – betrifft, hat sich Mahrer seine Meinung gebildet. Es gebe "unfassbar viele" Gesetzgebungsakte in der EU. In Sitzungen des EU-Rats würden Spezialisten und Spezialistinnen mit viel Leidenschaft über "Mini-mini-mini-Formulierungen debattieren", wo man sich schon ausmalen könne, was für Probleme für Bürger und Unternehmen sie damit schaffen. "Es gibt halt einen Apparat, der muss seine eigene Existenz vor sich selbst rechtfertigen. Ich glaube, da könnte man tatsächlich mit dem Kärcher reingehen und sich überlegen, was ist eigentlich notwendig", poltert der WKO-Mann.

Europa müsse wieder Freiraum schaffen, um in der Konkurrenz mit den volkswirtschaftlichen Großmächten USA und China zu bestehen. Mahrer trägt auch noch einmal die Forderung von dem nunmehrigen ÖVP-Chef Sebastian Kurz vor. Der ist bekanntlich im Mai ausgerückt, um zu fordern, dass 1500 EU-Bestimmungen gestrichen werden müssten – ein altbewährtes Vorurteil, das der damalige Kanzler in der heißen Phase des EU-Wahlkampfes bediente, wie Kritiker konterten.

Gemeinsame Regeln

Mahrer wünscht sich jedenfalls einen "Unternehmensfreundlichkeitscheck" von der EU. Europa sei auf dem Pfad, sich selber zu Tode zu regulieren. Darüber freuen würden sich nur Amerikaner, Chinesen und andere asiatische Länder. "Wir müssen die geniale Idee des gemeinsamen Marktes umsetzen", so der WKO-Präsident. Das bedeute gemeinsame Regeln und nicht 28 verschiedene, die Schaffung von Logistik-, Verkehrs-, Energie- und digitalen Netzen. Auch die neueste Mobilfunktechnologie 5G müsse zügig umgesetzt werden. Daneben müssten etwa die EU-Regeln für Verbraucherrechte und Pauschalreisen überarbeitet werden, damit sie in der Praxis besser anwendbar seien. Um den EU-Binnenmarkt zu stärken, fordert die WKO zudem eine europäische Vorabprüfung, wenn auf nationaler Ebene neue Dienstleistungsvorschriften festgelegt werden.

Europa brauche außerdem eine Bildungs- und Zuwanderungsstrategie. In Europa fehlen 500.000 Menschen mit Digitalisierungskompetenzen – in Österreich 10.000, sagte er. Europa müsse erst die Bildungsvoraussetzungen für die eigenen Bürger schaffen, und dann müsse man in Österreich wie auch in Europa über eine qualifizierte Zuwanderungsstrategie sprechen.

Das Budget für die Forschungsförderung (Horizon Europe) dürfe nicht nur auf dem unveränderten Niveau bleiben, "ich erwarte mir mindestens 120 Milliarden Euro dafür, da sollten unsere Erbsenzähler in der Pendeluhr einmal aufwachen", so Mahrer. China würde allein für künstliche Intelligenz jährlich 50 Milliarden Euro investieren, verglich er. Wer glaube, da mithalten zu können, lebe wohl in der Steinzeit. Da müsse man auch Geld im Budget umschichten. In Europa brauche es eine neue Generation von Entscheidungsträgern, "die begriffen haben, worum es geht", so Mahrer. Zuletzt hätten in der EU Menschen entschieden, die noch die Werkzeuge der 1980er- und 1990er-Jahre verwendeten. (APA, red, 7.6.2019)