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Die schulische Tagesbetreuung soll ab Herbst ausgebaut werden, dazu muss aber jetzt der neue Ministerrat erst einmal das fix und fertig begutachtete Gesetz beschließen, damit es dann der Nationalrat beschließen kann.

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Iris Rauskala, neue Bildungsministerin, hofft auf einen rechtzeitigen Beschluss im Ministerrat.

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Maria Hutter (ÖVP), Bildungslandesrätin in Salzburg, will nicht, dass die Eltern im Stich gelassen werden.

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Alfred Riedl, Präsident des österreichischen Gemeindebundes, wandte sich brieflich an die Kanzlerin, die Bildungsministerin und die Bildungsministerin.

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Wien – Viele mögen ja meinen, ein paar Monate ohne besonders aktive Regierung sind gar nicht so schlecht. Nach dem Motto: Möge die "Übergangsregierung" – die in Wirklichkeit eine "ganz normale", mit allen verfassungsrechtlichen Rechten und Pflichten ausgestattete Regierung ist – den "Übergang" bis zur Nationalratswahl möglichst geräuschlos verwalten. Es zeigt sich aber schon jetzt, dass es Gesetzesmaterien gibt, die nicht auf die lange Bank – nach der Wahl – geschoben werden können oder sollten.

Zum Beispiel das Bildungsinvestitionsgesetz (BIG), das auch den Ausbau der schulischen Ganztagsbetreuung ab kommenden Herbst sicherstellen soll. Dieses hängt derzeit komplett in der Luft. Sollte es nicht recht rechtzeitig, also noch vor der parlamentarischen Sommerpause, beschlossen werden, wäre neben dem geplanten Ausbau um 40.000 Plätze auch die bestehende Tagesbetreuung von rund 132.000 Schülerinnen und Schülern in Österreichs Schulen ab September 2019 nicht mehr gesichert.

Vordringliches Anliegen von Gemeinden, Eltern und Schülern

Gemeindebundpräsident Alfred Riedl hat daher namens der von ihm vertretenen Gemeinden vergangene Woche bereits einen Brief an Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, die Klubobleute der Parlamentsparteien sowie an Bildungsministerin Iris Rauskala geschickt, in dem er das BIG als "vordringliches Anliegen der Gemeinden, aber auch der Schüler und Eltern" darlegt, "das noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden müsste".

Riedl warnt davor, dass mit dem Auslaufen der bisherigen 15a-Vereinbarung die Gemeinden "ab dem kommenden Schuljahr keinerlei Personalkostenzuschüsse mehr erhalten" würden – was drastische Konsequenzen haben könnte: "Gemeinden wären gezwungen, das bereits bestehende Betreuungsangebot zurückzufahren oder aber die Betreuungsbeiträge deutlich zu erhöhen. Beides würde vor allem auf Elternseite auch mit Blick auf die bereits beschlossenen Herbstferien für Unverständnis sorgen."

Die Gemeinden ersuchen daher in dem Brief "eindringlich" um einen "gemeinsamen Schulterschluss innerhalb der neuen Bundesregierung", um die Novelle "rasch einer parlamentarischen Beschlussfassung" zu unterziehen.

"Eltern würden im Stich gelassen"

Aber auch aus den Ländern kommen dringliche Appelle an die neue Bundesregierung, sich dieser Materie unbedingt anzunehmen. Die Salzburger Bildungslandesrätin Maria Hutter (ÖVP) sagte Samstagnachmittag zum STANDARD: "Wir hoffen sehr im Sinne der Betroffenen – der Eltern, aber auch der Gemeinden, die keine Planungssicherheit haben, wie sie im kommenden Schuljahr mit der Betreuung der Schulkinder umgehen sollen – , dass die neue Regierung das Bildungsinvestitionsgesetz, so wie es von der Vorgängerregierung geplant war, möglichst schnell beschließt."

Ein Aufschub dieses Gesetzes "würde der schulischen Tagesbetreuung massiven Schaden zufügen und die Familien im Stich lassen", verweist Hutter auf alleine im Bundesland Salzburg rund 6000 betroffene Kinder und ihre Familien.

An Ministerin Rauskala sollte es jedenfalls nicht scheitern. Im Gegenteil. Sie hat dem Vernehmen nach bereits mehrfach und mit Nachdruck darauf gepocht, dass am kommenden Mittwoch das BIG auf den berühmten grünen Ministerratstisch kommt – noch allerdings erfolglos.

Das Problem: Der Gesetzesentwurf, der bis 14. Mai in Begutachtung war und somit beschlussfertig ist, wurde bis jetzt nicht angenommen als "Tischvorlage" im Ministerrat. In dringenden Fällen kann ein "Ministerratsvortrag" so in die Runde der Regierungsmitglieder eingebracht werden. Der jeweilige Minister, die jeweilige Ministerin stellt in kompakter Form den Inhalt eines Gesetzes vor, das dann in diesem Gremium beschlossen werden muss, um ins Parlament zu kommen.

Keine "Tischvorlagen" im Ministerrat – außer eine

Die neue Regierung – oder die neue Regierungschefin – hat sich nämlich, wie eine dem STANDARD vorliegende interne Email zeigt, eine Selbstbeschränkung auferlegt, der nun den Ausbau ganztägiger Schulplätze ab dem Schuljahr 2019/20 zum Opfer fallen könnte. Denn es gilt laut dieser Email aus dem Ministerratsdienst im Bundeskanzleramt, die an alle Kabinettschefs ergangen ist, die "Grundregel, KEINE Tischvorlagen für den MR vorzusehen" – allerdings mit einer "Ausnahme" am kommenden Mittwoch. Zwar "leider", wie es in der Mail heißt, aber es handle sich dabei um eine "zeitkritische" Materie.

Es geht um die Nominierung von Finanzminister Eduard Müller zum österreichischen Gouverneur bei internationalen Finanzinstitutionen (z.B. Weltbank, Europäische Investitionsbank) und beim Europäischen Stabilitätsmechanismus. Diese Ernennung sei dringlich, weil schon am 14. Juni die Jahrestagung des Gouverneursrates der Europäischen Investitionsbank stattfindet. "Da es sich um keine umfangreiche Materie, keine RV (Anm. Regierungsvorlage), sondern eine reine Nominierung handelt, ersuchen wir wie schon besprochen vielmals, diese Ausnahme zu entschuldigen."

In der Email ist übrigens auch explizit ein "Wording für Kommunikation" vorgegeben: "Der MRV (Anm. Ministerratsvortrag) zur Abberufung und Neunominierung ist Formsache aufgrund des Ministerwechsels."

40.000 zusätzliche Betreuungsplätze

Im Bildungsinvestitionsgesetz geht es hingegen konkret darum, dass zwischen 2020 und 2022 rund 250 Millionen Euro in den Erhalt und Ausbau von Ganztagsschulen fließen sollen. Damit sollen 40.000 zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen werden. Bis 2022 könnte so für 40 Prozent der Pflichtschülerinnen und Pflichtschüler die Nachmittagsbetreuung (inklusive außerschulischer Betreuungseinrichtungen) gesichert werden. Bis 2033 stehen insgesamt rund 750 Millionen Euro aus der Bankenmilliarde zur Verfügung.

Die bisherige 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zum Ganztagsschulausbau läuft mit dem Sommersemester 2019 aus. Das neue Gesetz sähe eine Ko-Finanzierung vor: Der Bund zahlt 70 Prozent, Land bzw. Gemeinde 30 Prozent.

Rauskala hofft auf rechtzeitigen Ministerratsbeschluss

Auf STANDARD-Nachfrage am Samstag hieß es im Büro der Bildungsministerin: "Uns ist bewusst, was diese Verzögerung bedeuten würde, und darum hat die Ministerin die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass der Ausbau der ganztägigen Schulformen rechtzeitig von dieser Regierung an den Nationalrat weitergeleitet wird." (Lisa Nimmervoll, 8.6.2019)