Wien – "Abschied zu nehmen ist keine einfache Sache. Doch die Zeiten ändern sich. Die Welt wird kälter", erklärte Gery Keszler, Gründer des Life Balls, kurz vor Mitternacht. Wenn heute jemand helfe, frage er immer auch nach der Gegenleistung. Dass der 26. Life Ball der letzte sei, sei "keine Laune der Natur, sondern wir hatten keine andere Wahl".

Dass am Samstag unter dem Motto "United in Diversity" wirklich der allerletzte Life Ball über die Bühne vor dem Wiener Rathaus gehen sollte, wirkte vor Keszlers Rede nicht so eindeutig.

Gery Keszler nahm am Rathausplatz mit feuchten Augen Abschied.
Foto: APA/Hochmuth

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig wandte sich zuvor ans Publikum. "Werte Party-People", eröffnete der Hausherr. Er sei stolz, Bürgermeister einer Stadt zu sein, in der der Life Ball stattfindet. Dieser sei ein "Statement für Toleranz und Akzeptanz" und dafür, "zu leben und lieben wie und wen man will". Denn: "Wien ist die Hauptstadt der Liebe." Vor den Besuchern betonte Ludwig erneut, "betroffen" zu sein, dass es der letzte Life Ball sein soll. "Ich bin sicher, die Idee des Life Balls muss weiter bestehen." Dafür brauche er die Unterstützung von allen.

Bürgermeister Michael Ludwig will den Life Ball fortführen.
Foto: APA/Hochmuth

Nur ein Gerücht?

Conchita Wurst, der in der Vergangenheit immer wieder nachgesagt wurde, den Ball künftig zu organisiseren, erklärte gegenüber der APA zwar, dass sie die Organisation des Balls definitiv nicht übernehmen würde, ließ in ihrer Moderation aber einmal fallen, dass es ja "nur ein Gerücht" sei, dass dies die letzte Auflage des Events sei.

Wurst führte als Zirkusdirektor mit unzähligen Kostümwechseln durch den Abend, der etwas frisch wurde für so manchen spärlich bekleideten Besucher. Getreu dem Dresscode "Zirkus" verwandelten Clowns, Artisten in Glitzer-Overalls, wilde Tiere und Zirkusdirektoren den Wiener Rathausplatz in eine Manege.

Wurst als Gruseldirektor

"Kommen Sie, kommen Sie: So etwas haben Sie noch nie gesehen. Das Leben in all seiner Pracht", rief Wurst zu zu Beginn. Dann eröffnete die Show mit tristen Schwarz-Weiß-Szenen und Wurst als gruseliger Zirkusdirektor, um sich im Laufe des Abends auf den Weg über einen schillernden Regenbogen zu machen. Conchita wollte in rote Highheels schlüpfen und sie in Dorothy-Gayle-Manier zusammenschlagen und los ging die Reise. "Somewhere over the Rainbow gibt es ein Land, indem alle Farben gleichberechtigt sind", sagte Conchita. Gesammelt wurden in dem zweieinhalbstündigen Prozedere Steine in den Farben des Regenbogens. Mit mehr oder weniger prominenter Unterstützung.

Nicht nur Conchita Wurst kam etwas gruselig.
Foto: APA/EXPA/FLORIAN SCHROETTER

Katie Holmes und Dita von Teese

Mit Model Carmen Carrera ging es über die Yellow Brick Road, Schauspielerin Katie Holmes sprach für die Aidsstiftung Amfar ein paar wenige Worte und bedankte sich für das viele Geld, das der Life Ball für ihre Organisation in den vergangenen Jahren gesammelt hat. Dita von Teese räkelte sich auf einem übergroßen Lippenstift als die Comedian Harmonists das Lied "Roter Mohn" zum Besten gaben und das Jungherren- und Jungdamenkomitee als Mohnblumen verkleidet ihre mit Thomas Schäfer-Elmayer einstudierte Choreografie abtanzten. Und Dagmar Koller, die schon am ersten Life Ball dabei war, lief bei der Modenschau von Designer Christian Cowan über den Laufsteg.

Um das Spektaktel aus erster Reihe zu verfolgen, hatten sich hunderte Zaungäste schon am späten Nachmittag an den Absperrgittern eingefunden. Für so manchen geriet die Show zu langatmig. Viele Gäste mit Ticket wechselten bereits vor Ende der Einlagen vom Platz ins Rathaus. Dort stand noch Party bis fünf Uhr früh auf dem Programm.

Mohnblumen tanzen zu "Roter Mohn" von den Comedian Harmonists.
Foto: APA/Hochmuth

Keszlers Erbe

Viele wollten den vielleicht letzten Life Ball besonders genießen. Vielleicht finden sie sich schon bald zum gleichen Anlass zu einem ähnlichen Event ein. Denn der abschiednehmende Gery Keszler sagte, Bürgermeister Ludwig sei, "wie auch viele andere Menschen" mit Ideen auf die Organisatoren des Balls zugekommen. "Wir werden in den kommenden Monaten ausloten, was aus dem Erbe des Life Balls etwas Gutes wachsen kann."

Jedenfalls gefeiert werde, wenn das Ziel des Life Balls erreicht wird: "Hoffentlich sehen wir uns sehr bald wieder und feiern das größte Fest. Dann, wenn HIV/Aids besiegt ist", sagte Keszler. (Oona Kroisleitner, Gudrun Springer, 10.6.2019)