Dass es so etwas wie Dunkle Materie geben muss, zeigt die Umlaufgeschwindigkeit von Sternen am Rand von Spiralgalaxien (im Bild NGC 1055 im südlichen Sternbild Walfisch). Diese ist nämlich viel schneller als man bei der sichtbaren Materie annehmen würde.

Foto: APA/AFP/European Southern Observatory

Wien – Bereits in den 1930er-Jahren vermuteten Physiker, dass im Kosmos bedeutend mehr Masse vorhanden sein muss, als wir von der Erde aus beobachten können. Einen bis heute gültigen Beleg dafür lieferten 1965 schließlich die Untersuchung von Vera Rubin: Die US-Astronomin und ihre Kollegen stellen fest, dass die Umlaufgeschwindigkeiten von Sternen am Rand von Spiralgalaxien ganz und gar nicht den Erwartungen entsprachen. Eigentlich müssten diese Sterne wesentlich langsamer kreisen, als sie es tatsächlich taten – was wiederum bedeuten müsste, dass in den Galaxien mehr Masse vorhanden sein muss, als zu beobachten ist.

Mittlerweile kann man diese fehlende Materie recht genau beziffern – und die ist gewaltig: Im Universum übertrifft die Masse dieser "Dunklen Materie" die sichtbare Materie um etwa das Fünffache. Woraus die Dunkle Materie jedoch bestehen könnte, ist immer noch völlig unklar, obwohl es freilich eine ganze Reihe von Erklärungsmodellen für die massive Fehlstelle im Kosmos gibt.

So keimte in vielen Astrophysikern nach dem erstmaligen Nachweis von Gravitationswellen durch kollidierende Schwarze Löcher im Jahr 2015 für einen kurzen Moment die Hoffnung, dass Schwarze Löcher, die in den ersten Sekunden des Kosmos' entstanden, diese fehlende Masse erklären könnten. Eine im Vorjahr veröffentlichte Studie lieferte jedoch keinen Hinweis auf diese Hypothese.

Rätselhafter Neutronenzerfall

Eine weitere Vermutung zur Natur der Dunklen Materie stützte sich auf eine seit Jahren gemessene Diskrepanz beim Zerfall von Neutronen. Demnach liefern zwei unterschiedliche Methoden, die Lebensdauer von Neutronen zu messen, deutlich verschiedene Ergebnisse. Daher spekulierten einige Wissenschafter, dass manche Neutronen zu Dunkle Materie zerfallen, also genau genommen in unbekannte Teilchen, die man bisher nicht nachweisen kann.

Im Atomkern bleiben Neutronen üblicherweise stabil. Ohne Bindung an andere Teilchen zerfallen sie jedoch nach einigen Minuten in Protonen, Elektronen und Neutrinos. Die mittlere Lebensdauer solcher freier Neutronen lässt sich auf zwei Arten messen: "Entweder man versucht, die Neutronen festzuhalten und zählt nach einer Weile, wie viele von ihnen noch da sind. Oder man hält nach den Zerfallsprodukten Ausschau und zählt die Anzahl der Zerfälle", erklärte Hartmut Abele vom Atominstitut der TU Wien.

Unterschiedliche Lebensdauer

Die Ergebnisse der beiden Methoden stimmen allerdings nicht überein: Mit der einen Art misst man eine mittlere Lebensdauer von 879 Sekunden, mit der anderen 888 Sekunden. Die Differenz könnte man mit einer zusätzlichen, bisher unbekannten Art des Neutronenzerfalls erklären.

Abele und sein Team haben nun große Datenmengen von hochpräzisen Neutronenexperimenten neu analysiert und zusätzliche Experimente durchgeführt – auf Dunkle Materie stießen sie dabei allerdings nicht, wie sie im Fachjournal "Physical Review Letters" berichten. Sie konnten 95 Prozent des Energiebereichs, in dem sich die Dunkle Materie theoretisch verstecken könnte, definitiv ausschließen.

"Damit erscheint diese Theorie nun äußerst unplausibel. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Diskrepanzen zwischen unterschiedlichen Messmethoden der Neutronen-Lebensdauer auf systematische Fehler zurückzuführen sind, die man bisher falsch eingeschätzt hat", so Abele. (tberg, red, APA, 11.6.2019)