Die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump lässt sich als Zuckerbrot und Peitsche zusammenfassen: Mit wohlgesonnenen Staaten wie Kanada oder Mexiko wurde das nordamerikanische Freihandelsabkommen neu verhandelt, während China die Peitsche in Form von Strafzöllen zu spüren bekommt. Die wirtschaftspolitische Überlegung hinter dieser Strategie ist, Produktionsprozesse wieder zunehmend auf den nordamerikanischen Kontinent zu verlagern und so US-Firmen zu stärken. Langfristig wird aber das Gegenteil der Fall sein.

Für einen US-Importzoll ist maßgeblich, wann ein Produkt "made in China" und wann "made in Mexico" ist. Kaum ein Produkt wird heutzutage aber in einem einzelnen Land produziert. Vielmehr wird die Produktion in Einzelteile aufgespaltet, die in unterschiedlichen Ländern hergestellt und dann zusammengesetzt werden. Multinationale Unternehmen sind in diesem Prozess tonangebend: Sie sind in einen Großteil der internationalen Handelsströme involviert. So findet mehr als ein Drittel der globalen Handelsströme konzernintern statt, also zum Beispiel zwischen verschiedenen Tochterunternehmen des gleichen Konzerns. Darüber hinaus sind multinationale Konzerne als zunehmend "fertigungslose Firmen" selbst gar nicht mehr in der unmittelbaren Produktion tätig, sondern konzentrieren sich auf die bloße Koordination globaler Wertschöpfungsketten.

Apple ist hier ein bekanntes Beispiel, da der US-Konzern die Fertigung von Einzelteilen auf mehrere, rechtlich unabhängige Subunternehmer aufgeteilt hat. Das Kalkül multinationaler Konzerne ist, jeden einzelnen Produktionsschritt so billig wie möglich zu halten, aber auch, die gesamte Produktion so unter den einzelnen Ländern aufzuteilen, dass der gesamte Unternehmensgewinn nach Steuerzahlungen maximiert wird. Dabei fallen steuerrechtliche, aber eben auch handelsrechtliche Überlegungen ins Gewicht.

Der Spaghetti-Bowl-Effekt

Konzerne, die ihre Fertigungsketten über viele Länder verteilt haben, besitzen einige Flexibilität bei der Deklaration des Ursprungslandes einer Ware, welches wiederum für den Zolltarif maßgeblich ist. Nehmen wir beispielsweise ein Produkt, dessen Fertigung von einem multinationalen Konzern kontrolliert wird und dessen Einzelteile in China und einer Handvoll anderer Länder produziert werden, bevor sie in Mexiko zusammengebaut oder veredelt werden. Da es zwischen den beteiligten Ländern unterschiedliche Handelsabkommen gibt, wie sie beispielhaft in untenstehender Grafik illustriert sind, können die Produktteile zu vorteilhaft niedrigen Zollsätzen nach Mexiko geschleust und von dort im Rahmen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens in die USA importiert werden.

Selbst wenn ein Großteil der eigentlichen Fertigung in China stattfindet, landet das Produkt als "made in Mexico" weitgehend zollfrei auf dem US-Markt. Wegen der komplexen Verflechtung verschiedener Handelsabkommen zwischen unterschiedlichen Ursprungsländern gleicht deren Ineinandergreifen einem Nudeltopf und wird daher auch als Spaghetti-Bowl Effekt bezeichnet. Internationale Handelsabkommen schieben Ineffizienzen, die mit diesem Effekt einhergehen, einen Riegel vor. Trumps selektive bilaterale Handelspolitik hingegen macht "spaghetti bowls great again".

Foto: Konstantin Wacker

Verlust an Wettbewerbsfähigkeit

Multinationale Unternehmen können dieses komplexe Geflecht an Handelsabkommen nutzen, weil sie in vielen Ländern produzieren lassen und über konzerninterne Verrechnungspreise einigen Gestaltungsspielraum haben, welches Ursprungsland sie nun für die hauptsächliche Wertschöpfung angeben. Ein nationales US-Unternehmen hat diese Möglichkeit nicht: Es muss entweder den erhöhten Zoll auf Importe aus China zahlen oder auf Ersatzleistungen aus Mexiko oder den USA zurückgreifen, die nur deshalb konkurrenzfähig sind, weil chinesische Produkte einer Preiserhöhung durch Zölle ausgesetzt sind. Eigentliche US-Produzenten verlieren somit an Wettbewerbsfähigkeit, weil sie nicht mehr so günstig wie bisher Vorleistungen beziehen können. Die Rechnung für Trumps vermeintlichen Protektionismus zahlen am Ende also US-Haushalte durch gestiegene Warenpreise, niedrigere Kaufkraft und entgangene Unternehmenssteuern. (Konstantin Wacker, 11.6.2019)