Die App wird erkennen, ob ihre Nutzer mit der U-Bahn oder mit dem Fahrrad unterwegs sind.

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Vom Schaffner zum mechanischen Entwerter und weiter zu Magnetkarten, Sensoren und Scannern: Öffentliche Verkehrsnetze nutzen heute spezialisierte Infrastrukturen, um Fahrten abzurechnen. Zuletzt ist man auch hier vielerorts beim Handy gelandet.

Selbst bei schrankenlos zugänglichen Verkehrssystemen blieb dabei bisher ein Prinzip erhalten: Es braucht eine Aktion vor Fahrtantritt. Ohne Dauerkarte muss man dem Handy mitteilen, dass man nun eine Karte kaufen oder eine Fahrt antreten will.

Künftig soll schließlich auch diese Interaktion wegfallen. Eine neue Generation von Mobilitätslösungen nutzt allein Handy-Sensorik, um die Wahl des Verkehrsmittels zu erkennen und automatisch abzurechnen – ohne Entwerter oder Durchgangsschranken. Am Austrian Institute of Technology (AIT) wurde nun ein E-Ticketing-System dieser Art entwickelt, das diese Woche bei der Messe "UITP Global Public Transport Summit" in Stockholm präsentiert wurde.

"Einzigartiges" Muster

Die App namens "Mode" kann feststellen, ob ihre Nutzer mit Fahrrad, Motorrad, Auto, Bus, Straßenbahn, U-Bahn, Eisenbahn oder zu Fuß unterwegs sind, versprechen die Entwickler. Doch wie funktioniert das eigentlich? "Den Anfangspunkt machen für uns die Daten des Beschleunigungssensors des Smartphones", erzählt Arno Klamminger, Leiter des Center for Mobility Systems am AIT.

Er sagt: "Der Rhythmus eines Fußgängers erzeugt ein charakteristisches Muster in den Daten des Sensors – genauso wie eine Fahrt mit Rad, Bus, Straßenbahn oder einem anderen Verkehrsmittel. Das Muster an Beschleunigung und Abbremsen, etwa an Haltestellen, ist jeweils einzigartig."

Gemeinsam mit Ortungsdaten des Handys, Verkehrsnetz- sowie Echtzeit-Betriebsdaten können die gewählten Verkehrsmittel zugeordnet werden. "Die Genauigkeit ist auch vom Datenmaterial des Betreibers abhängig", sagt Klamminger.

"Je höher die Inputqualität, desto besser werden die Anforderungen einer Ticketlösung erfüllt." Am Handy selbst werden – sobald ein Fahrtbeginn erkannt wird – Sensordaten gesammelt, zwischengespeichert und übertragen.

Die Berechnung erfolgt auf zentralen Servern des Verkehrsbetreibers, schon allein um die Rechenleistung auf den Endgeräten gering zu halten. "Die Server müssen natürlich in einer hochsicheren Umgebung sein. Bewegungsdaten können bis zu einem gewissen Punkt völlig anonymisiert bleiben. Erst für den Prozess der Abrechnung müssen sie mit Personendaten verknüpft werden. Das muss in einem vertrauensvollen Umfeld geschehen", erklärt Klamminger zum Thema Datenschutz.

Die autonome Abrechnung soll in bestehende Mobilitätsapps implementiert werden. Für die Betreiber ergibt sich eine Reihe von Vorteilen: In die Lösung können auch weitere Anbieter – etwa Leihrad-, Auto- oder Scootervermieter – integriert werden. "Alles, was in einem interoperablen Mobilitätssystem genutzt werden kann, kann mit dem System auch abgerechnet werden", sagt Klamminger.

Bedarfserhebung

Dazu können die erhobenen Mobilitätsdaten der Verkehrsplanung und der Verbesserung der Services dienen. "Zurückgelegte Wege, benutzte Verkehrsmittel, Umsteigepunkte einer großen Menschengruppe werden zugänglich. Man sieht den Bedarf der Nutzer und kann das Netz optimieren, Zubringer verbessern oder alternative Routen etablieren", meint Klamminger.

Das System wurde an mehreren Orten getestet, zum Beispiel mit den Wiener Linien, international etwa in Tiflis in Georgien. Nun sei man bereit für fixe Implementierungen. Beim Endnutzer sei der Vorteil auch bei gelegentlichen Fahrten, beispielsweise auf Reisen, groß, betont Klamminger. "Bei einem Städtetrip muss man dann nicht mehr im Vorhinein Tickets kaufen oder überlegen, welche Tickets für welche Fahrten für mich am günstigsten sind." (Alois Pumhösel, 15.6.2019)