Oriol Junqueras, Raul Romeva, Joaquim Forn, Jordi Sanchez, Jordi Turull, Josep Rull, Jordi Cuixart, Carme Forcadell, Dolors Bassa, Carles Mundo, Santi Vila und Meritxel Borras (von rechts nach links von der ersten Reihe an) saßen im Februar beim Obersten Gericht in Madrid.

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Vier Monate dauerte die heiße Phase im wohl wichtigsten Prozess der jüngeren spanischen Geschichte. Fünf Richter vernahmen 422 Zeugen, fünf Sachverständige wurden geladen, tausende Dokumente und Videos wurden gesichtet. Am Mittwoch geht der Prozess gegen zwölf mutmaßliche Verantwortliche des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober 2017 zu Ende.

Der ehemalige katalanische Vizeregierungschef Oriol Junqueras und mehrere seiner Minister werden dann bis Ende September auf ihr Urteil warten müssen, ebenso wie die weiteren Angeklagten: Unter ihnen sind die ehemalige katalanische Parlamentspräsidentin Carme Forcadell sowie der Vorsitzende der Kulturvereinigung Òmnium Jordi Cuixart und der ehemalige Vorsitzende der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) Jordi Sànchez.

"Rebellion", "Aufstand" sowie "Veruntreuung öffentlicher Gelder" sind die Anklagepunkte. Weitere wichtige Beschuldigte standen nicht vor Gericht, da sie rechtzeitig ins Ausland gingen, unter ihnen der ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont.

Obwohl die Beweisaufnahme zu keinem Zeitpunkt erbrachte, dass die Unabhängigkeitsbewegung bei der Vorbereitung und Durchführung des Referendums gewalttätig vorging, sieht die Staatsanwaltschaft in dem, was zwischen 2015 und 2017 in Katalonien geschah, "einen Putsch".

"Verfassung liquidieren"

Es sei, so heißt es bei der Staatsanwaltschaft weiter, den Angeklagten darum gegangen, "die spanische Verfassung von 1978 zu liquidieren". Parlament, Regierung und Zivilgesellschaft in Barcelona seien die "drei Pfeiler" dieses Vorgehens gewesen. Damit hätten sich die Hauptangeklagten Junqueras, Forcadell sowie Cuixart und Sànchez der "Rebellion" schuldig gemacht. Für Junqueras fordern die Staatsanwaltschaft 25 Jahre Haft, für Forcadell, Cuixart und Sànchez je 17 Jahre.

Die rechtsextreme Vox hat eine Nebenklage – eine in Spanien übliche Rechtsfigur – eingebracht. Sie geht noch einen Schritt weiter und wirft den Angeklagten zusätzlich zur Rebellion vor, Mitglieder in einer kriminellen Vereinigung gewesen zu sein. Anwalt Javier Ortega Smith fordert bis zu 74 Jahre Haft sowie die vollständige Verbüßung der Strafe in Haftanstalten außerhalb Kataloniens.

Bis zu zwölf Jahre Haft gefordert

Nur die Rechtsanwälte des Staates, deren Mandant ganz direkt die spanische Regierung ist, können keine Gewalt ausmachen. Sie sei "nicht Teil der Pläne der Angeklagten gewesen". Dennoch sehen sie in der Abhaltung des Referendums "Aufstand" und verlangen bis zu zwölf Jahre Haft.

Die Verteidigung sieht es naturgemäß anders: "Die Menschen gingen nicht auf die Straße, um den Staat zu zerstören, sondern um zu demonstrieren und abzustimmen", erklärt Anwalt Andreu Van den Eynde. "Warum löste unsere Frage, ob Waffen im Einsatz gewesen seien, Grinsen aus, wenn wir hier von Rebellion sprechen?", erinnert er an einen der skurrilsten Momente bei der Zeugenvernehmung. Die Verteidiger verlangen für alle zwölf Freispruch. Außerdem bereiten sie den Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor. (Reiner Wandler aus Madrid, 11.6.2019)