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Kim Jong-un lässt sich auf Propagandafotos derzeit meist in staatsmännischer Pose fotografieren, aber auch Bizarres ist ihm nicht fremd. Nicht alles ist allerdings so harmlos wie dieser Besuch in einer Schuhfabrik.

Foto: Reuters / KCNA via KNS

Hinrichtungen im Piranha-Becken, CIA-Mitarbeiter aus der Familie von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und angeblich Exekutierte, die in aktuellen TV-Bildern wiederauftauchen. Wer in den vergangenen Wochen Berichte über Nordkorea verfolgt hat, wird festgestellt haben: Die zwischen bizarrer Grausamkeit und halbwitzigen Karikaturen changierenden Darstellungen, die lang das Bild des Landes mitentwickelt haben, sind zurück.

Das alleine mag nicht verblüffen, wohl aber der Zeitpunkt. Denn seit der Annäherung Nordkoreas an Seoul und Washington hatte das Genre eigentlich eine mediale Flaute erlitten. Dass es nun wieder da ist, ist auch die Folge einer neuen Unsicherheit über die Zukunft der Entspannungspolitik.

Raketen und Drohgebärden

Dabei gäbe es eigentlich auch aus dem Bereich der "Hard News" Besorgniserregendes zu melden: darunter auch Neues über die Reisetätigkeit von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un. Dieser hat, so Nordkoreas Agentur KCNA, im Mai zahlreiche Besuche in Raketenfabriken absolviert. Das soll – gemeinsam mit den Tests mehrerer Geschoße – zeigen, dass Nordkorea auch wieder aufrüsten könnte, sollte die Annäherung fehlschlagen. Adressat sind die USA, denen Kim ein Ultimatum bis Ende des Jahres gesetzt hat. Aber auch Gegner der Entspannungspolitik in den eigenen Reihen sollen so ruhig gehalten werden.

In diese Kerbe schlagen auch die Äußerungen der nordkoreanischen Regierung vom Dienstag, dem Jahrestag des ersten Gipfeltreffens zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump in Singapur. Die KCNA sprach zu diesem Anlass von "feindlichem Verhalten" der USA, die gemeinsame Erklärung Trumps mit Kims drohe zu einem "toten Dokument" zu werden.

In dem Papier hatten sich die beiden zu Annäherungsschritten und einer "Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel" verpflichtet, aber keine konkreten Schritte zur Erreichung dieser Ziele genannt. An der weiteren Ausformulierung scheiterte dann ein nächster Gipfel im Februar dieses Jahres in Hanoi. Die USA hatten zunächst konkrete Schritte zur Abrüstung gefordert, Nordkorea zunächst ein Ende fast aller Sanktionen – ein Mittelweg fand sich nicht.

Halbrichtig oder ganz falsch?

Genau dieses Scheitern ist es auch, das im Zentrum einer weiteren Geschichte steht, die jüngst für Aufregung gesorgt hat: Kim, so die konservative südkoreanische Zeitung "Chosun Ilbo" vor eineinhalb Wochen, habe den zuständigen Unterhändler Kim Hyok-chol nach seiner Rückkehr nach Pjöngjang exekutieren und seinen Berater Kim Yong-chol in ein Arbeitslager sperren lassen. Zumindest Letzteres stellte sich mittlerweile aber als falsch heraus, Kim Yong-chol tauchte nur Tage später als Begleitung Kim Jong-uns bei einem Konzert auf.

Über den Hintergrund des Berichts wird seither gerätselt: War er halbrichtig? Immerhin ist über das Schicksal Kim Hyok-chols tatsächlich nichts bekannt. Hat Pjöngjang versucht, nordkoreanische Informanten der Südkoreaner zu enttarnen, indem es falsche Berichte an sie weitergab? Oder handelt es sich um einen Versuch konservativer Gruppen in Südkorea oder den USA, die Verhandlungen zu untergraben?

Zur letztgenannten Vermutung passen auch Berichte vom Samstag, Kim habe für die Exekution eines Generals angeordnet, ihn in ein Piranha-Becken werfen zu lassen. Auch dieser Bericht ist nämlich unbestätigt – ebenso wie frühere Meldungen über Exekutionen via Flakstellungen oder durch hungrige Hunde und Tigerhorden, die Experten für falsch halten. Andererseits: Nordkorea hat tatsächlich eine lange Tradition, Kritiker durch demonstrative Grausamkeit abzuschrecken. Erst Dienstag berichtete die NGO Transitional Justice Working Group über die Entdeckung von mehr als 300 Stätten für öffentliche Hinrichtungen, deren Opfer in Extremfällen auch Kinder im Alter von sieben Jahren gewesen sein sollen. Familien würden oft gezwungen, die öffentlichen Morde mit anzusehen.

Echte und angebliche Spionage

Abschreckung könnte schließlich auch der Hintergrund eines anderen prominenten Falles sein: des Mordes am Halbbruder Kim Jong-uns, Kim Jong-nam, am Flughafen von Kuala Lumpur 2017 mit dem Nervengas VX. Wie das "Wall Street Journal" am Dienstag berichtete, soll er Informant der CIA gewesen sein. Allerdings könne es dabei kaum um bedeutende Informationen gegangen sein. Kim Jong-nam lebte schon vor seinem Tod viele Jahre im Ausland.

Für die Annäherung zwischen Nordkorea und den USA schränkt all das jedenfalls den Raum ein. Zwar hat US-Präsident Donald Trump bisher stets betont, dass er zu Gesprächen bereit sei, solange Kim keine Langstreckenrakete zünde oder einen Atomtest durchführe – viele in seinem Beraterstab sehen das aber anders. Vor allen Sicherheitsberater John Bolton steht den Verhandlungen sehr skeptisch gegenüber.

Bleibt Südkorea, dessen Präsident Moon Jae-in viel persönliches und politisches Kapital in Gespräche investiert hat. Er will unbedingt am Dialog festhalten – und hat dabei womöglich immer noch Trump auf seiner Seite. Montag deutete er vor der Presse an, es werde an einem neuen Treffen zwischen Kim und Trump gearbeitet. (Manuel Escher, 12.6.2019)