Ein Verbot aller Geschäftsbeziehungen mit Huawei: Mit dieser Anordnung sorgte das US-Handelsministerium Mitte Mai für einen Knallefekt in der Techbranche. Innerhalb weniger Tage kündigten zentrale Huawei-Partner wie Google oder die Chiphersteller Intel und Qualcomm ihre Kooperation mit dem chinesischen Hersteller auf. Angesichts der massiven Auswirkungen auf die gesamte Branche zeigten sich damals viele Beobachter davon überzeugt, dass dies nur kurzfristige Drohgebärden im Handelsstreit seien. Doch einen Monat später zeichnet sich noch immer keine Lösung ab, und es wird zunehmend klar: Selbst wenn Huawei wieder von der "schwarzen Liste" gestrichen wird, in der Smartphone-Welt wird nichts mehr sein wie zuvor.

Kurzfristig trifft der Konflikt vor allem Huawei selbst. Der chinesische Hersteller steht derzeit vor einem riesigen Scherbenhaufen. Nach außen betont die Firma gerne, dass der Bann kein großes Problem darstelle. Googles weltweit klar dominierendes Smartphone-Betriebssystem Android könne man rasch durch eine Eigenentwicklung ersetzen. Hardwarekomponenten habe man zudem in weiser Voraussicht ausreichend vorproduziert, um ein Jahr lang auch ohne Zulieferungen von westlichen Firmen auskommen zu können. Was aus internen Quellen zu hören war, klingt hingegen komplett anders: Gerade der Umstand, dass neben Software- auch zentrale Hardwarepartner nicht mehr mit Huaweizusammenarbeiten, habe bei dem chinesischen Hersteller für einigen Aufruhr gesorgt.

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Bittere Realität

Und zwar zu Recht, denn die nach außen kommunizierten Back-up-Pläne sind zumindest kurzfristig ziemlich unrealistisch. Wie schwer es ist, mit einem anderen Betriebssystem gegen die Dominanz von Google und Apple zu bestehen, mussten in den vergangenen Jahren viele Unternehmen zur Kenntnis nehmen. Microsoft mit seinem gescheiterten mobilen Windows ist hier nur ein besonders prominentes Beispiel. Huawei verspricht zwar, dass sein System mit Android kompatibel sein soll, aber auch das haben andere bereits erfolglos probiert – allen voran Amazon. Ein Grund dafür ist, dass viele Android-Apps von Google-Diensten abhängig sind, die Huawei schlicht nicht bieten kann. Und auch sonst könnte es ohne Apps von US-Unternehmen schwierig werden.

Die Hardwareproblematik darf ebenfalls nicht unterschätzt werden, und hier vor allem die Auswirkungen einer Verbannung durch ARM. Das britisch-japanische Unternehmen liefert nämlich die grundlegende Architektur für alle derzeit genutzten Smartphone-Chips. Ohne die notwendigen Lizenzen müsste Huawei seine Prozessorentwicklung praktisch wieder bei null beginnen. Es könnte Jahre dauern, bis das Unternehmen in dieser Hinsicht wieder konkurrenzfähig ist. Von dem Bann ist ARM übrigens betroffen, da es US-Technologien in den eigenen Produkten einsetzt. Hier zeigt sich, wie weit die Anordnung des Handelsministeriums greift.

Das Honor View 20.
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Vor allem aber erzeugt die aktuelle Diskussion Verunsicherung unter den Konsumenten. Entsprechend haben die Marktforscher von Canalys ihre Prognosen für Huawei mittlerweile deutlich reduziert. War das Unternehmen vor kurzem noch auf dem besten Weg, zum größten Smartphone-Hersteller der Welt aufzusteigen, scheint dieses Ziel nun in weite Ferne gerückt. Und auch die Mobilfunkanbieter reagieren auf diese Situation: Während österreichische Provider noch auf Zeit spielen, haben international bereits einige Anbieter Huawei-Smartphones aus dem Programm genommen oder zumindest die Aufnahme neuer Geräte wieder abgesagt. Nicht zuletzt bekommt Huawei derzeit keine Lizenz für neue Android-Modelle – darunter das prestigeträchtige, faltbare Smartphone Mate X -, diese können also nicht mehr legal in den Handel gebracht werden.

Gefährliche Kurzsichtigkeit

Alles Effekte, die die US-Regierung zweifellos provozieren wollte, um China unter Druck zu setzen. Das Problem dabei: Langfristig könnte diese Strategie gehörig nach hinten losgehen und ausgerechnet US-Unternehmen Schaden zufügen. Hat die chinesische Seite doch noch einige Trümpfe in der Hand.

So wird der Großteil sämtlicher Smartphones derzeit in China gefertigt. Dadurch hätte die ansässige Regierung natürlich die Möglichkeit, deren Produktion jederzeit zu stoppen. Zeitlich wohlplatziert könnte man damit etwa Apple den Start der nächsten iPhone-Generation gehörig versalzen. Dazu kommt, dass ein Großteil jener seltenen Erden, die für die Herstellung von Smartphones unerlässlich sind, aus China stammen.

Das Huawei P30 Pro.
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Der Schaden ist unumkehrbar

Doch selbst wenn sich China nicht zu solchen Vergeltungsmaßnahmen hinreißen lässt: Der Schaden ist auch so bereits angerichtet. Denn das durch den Handelsbann ausgesendete Signal ist unmissverständlich: Wer sich bei seinen Geräten auf US-Technologien verlässt, ist damit der Gnade der jeweiligen Administration ausgeliefert. Entsprechend dürften sich derzeit auch viele europäische Firmenchefs Gedanken darüber machen, wie man eigene Abhängigkeiten reduzieren kann.

Das erklärt, warum es dem Vernehmen nach gerade Google ist, das derzeit eifrig versucht, eine Aufhebung des Huawei-Banns zu erreichen. Immerhin hätte das Unternehmen einiges zu verlieren, wenn sich auch außerhalb von China Google-freie Lösungen etablieren. Die Auswirkungen auf die Konsumenten lassen sich hingegen nur schwer abschätzen: Während an sich ein größerer Wettbewerb im Smartphone-Bereich begrüßenswert wäre, könnten im schlimmsten Fall auch Insellösungen entstehen, die nicht mehr nahtlos miteinander zusammenspielen.

Das Honor 10.
Foto: STANDARD/Pichler

Neben dem Smartphone-Bereich zielt der US-Bann aber noch auf eine zweite Rolle von Huawei: jene des Netzwerkausrüsters. Dabei soll verhindert werden, dass der chinesische Hersteller bei den Ausschreibungen für die kommende Mobilfunkgeneration zum Zug kommt.

Diese Rechnung scheint zumindest zu einem Teil aufzugehen: Die österreichischen Provider A1 und 3 haben mittlerweile angekündigt, dass beim 5G-Aufbau andere Hersteller zum Zug kommen sollen. Bei T-Mobile schweigt man zu diesem Thema seit Wochen hingegen konsequent, obwohl man bei den eigenen Testnetzen bisher auf Huawei setzt – und auch sonst eine enge Partnerschaft mit dem Unternehmen pflegt.

Wozu Beweise?

All dem steht die Realität gegenüber, dass die Vorwürfe gegen Huawei eher vage sind. Im Kern geht es um die Befürchtung, dass Huawei westliche Netze ausspionieren könnte. Immerhin wäre das Unternehmen nach der chinesischen Rechtslage dazu verpflichtet, der eigenen Regierung Zugriff auf die Infrastruktur zu geben. Dies dementiert Huawei und verweist auf eine Ausnahmegenehmigung, die das Unternehmen von dieser Verpflichtung befreit.

Gleichzeitig gibt es bisher keinerlei Beleg dafür, dass eine solche Spionage auch tatsächlich passiert. Eine diesbezügliche Untersuchung beklagte zwar unlängst manch schlecht geschriebenen Code bei den Huawei-Geräten, Hintertüren wurden aber nicht gefunden.

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Druckmittel "seltene Erden"

Als Reaktion auf das Vorgehen der USA gegen den chinesischen Telekom-Riesen Huawei drohte Peking offen damit, die Ausfuhr seltener Erden in die USA zu beschränken. Ein Schritt, der enorme Auswirkungen auf die Wirtschaft der Amerikaner hätte. Sind doch die Metalle der seltenen Erden der zentrale Rohstoff für die Fertigung von Mobiltelefonen und anderen Elektronikgeräten.

China ist mit einem Anteil von rund 90 Prozent der weltgrößte Produzent der seltenen Erden. Anders als der Name vermuten lässt, sind diese Rohstoffe gar nicht so selten, doch ist ihr Abbau sehr aufwendig und sehr umweltschädlich.

Die 17 Metalle, zu denen Neodym, Lanthan und Cer gehören, werden besonders in der Hightech- und Rüstungsindustrie benutzt – etwa für Computer, Bildschirme oder Kampfjets. (Andreas Proschofsky, Markus Sulzbacher, 12.06.2019)