Die Frage für ihn war nicht, ob wir uns treffen, sondern wann und wo. Dabei können wir uns gut vorstellen, dass Veit Heinichen nun wahrlich Dringenderes zu erledigen hätte, als uns den Autotester zu machen. Sein aktuelles Buch Borderless, diesmal ein Thriller und kein Proteo-Laurenti-Krimi, richtet es sich in den Bestsellerlisten gerade häuslich ein. Entsprechend gefragt ist Veit dieser Tage. Sowohl in Deutschland, wo er aufwuchs und arbeitete, als auch in Italien. Seit nun doch schon mehr als einer Handvoll Jahren lebt er in Triest, hat Daimler und die Verlagsarbeit hinter sich gelassen und schreibt. Und netzwerkt. Und findet nicht zum ersten Mal Zeit, uns zu einem Autotest zu begleiten. Schon in der Alpine nahm der kurzweilige und so gar nicht scheue Autor mit viel Benzin im Blut Platz. Diesmal konnten wir, was die Autos angeht, noch etwas draufsetzen.

Vorne der erfolgreiche Krimiautor Veit Heinichen. Hinten die Masten der vor Grignano liegenden Schiffe und der Karst. Dazwischen stehen weit mehr als 2000 PS und warten aufs Losgelassenwerden.
Foto: Guido Gluschitsch

Mit insgesamt 2672 PS sind wir nach Italien gereist. Der Wert der Autos, wie wir sie ausgehändigt bekommen haben, hat die Millionengrenze sogar noch gesprengt: 1.194.959 Euro stehen unterm Strich. Allein um den Wert der verbauten Extras – 235.149 Euro – könnte man den Fuhrpark eines Mehrparteienhauses aufkaufen.

Doch das beeindruckte Veit Heinichen nicht wirklich. Vorab wollte er nur eines wissen: "Ist der Bentley Continental dabei?" Die Frage konnte ich, zumindest zwei Tage vor der Anreise, mit Ja beantworten, denn so lange war nicht klar, ob er rechtzeitig aus England komme. "Ist er blau?", wollte Veit am Tag vor unserem Treffen noch wissen. Auch das. Doch woher kommt diese Fixierung auf den Bentley, wollen wir wissen, als wir ihn, wie ausgemacht, in Grignano treffen, um von dort aus gemeinsam eine Runde durch den Karst zu drehen.

Beim Losfahren in Grignano. Am Beifahrersitz wollte Gabriele Gluschitsch Platz nehmen, die erstmals beim Supertest-Finale auftauchte.
Foto: Guido Gluschitsch

An den Continental gelehnt beginnt Veit von seinem britischen Freund zu erzählen. Ein sehr bescheidener Mann, einst TV-Chef und Politiker. Sehr zurückhaltend. Und so bedurfte es einer Unachtsamkeit eines Tischpartners, eines Abends beim Essen, dass das Gespräch auf den Bentley des Briten kam. "Ich wollte sofort wissen, welches Baujahr sein Bentley sei", erzählt Veit. Der Brite antwortete ganz trocken: "Which one?" Es habe noch eine Zeit gedauert, bis herauskam, dass er auch noch einen Rolls-Royce besitzt. Dieser ist, wie die beiden Bentleys natürlich auch, "britischer Bauart".

Veit Heinichen und Gabriele mit dem Bentley in Grignano, bei der Tourbesprechung.
Foto: Guido Gluschitsch

Darin liegt die Begründung, warum Veit das Bild, das er später vom Continental machen und dem Briten schicken sollte, mit den Worten begleitet: "The best Volkswagen I ever drove." Der britische Freund war beeindruckt. Vorwiegend von der Farbe.

Ganz unbeeindruckt war der Veit dann doch nicht. Weder von der Palette an Fahrzeugen, die im Hafen von Grignano zu seiner Verfügung bereitstanden, noch vom Bentley. Geschweige denn vom Bentley, muss man sagen. Denn das Angebot, mit jedem Fahrzeug fahren zu können, hat er dankend abgelehnt. "Die Welt rennt verkehrt", sagt er, "die Autos sind ja alle kein Spielzeug, und so teuer, dass nur alte Säcke damit fahren können, die aber brauchen SUVs." Da spielt der Continental tatsächlich in einer anderen Liga. Zumindest braucht man da auch im höheren Alter niemanden, der einem beim Ein- und Aussteigen hilft. Und falls doch, dann wäre das in einem SUV auch nicht anders.

Im Hinterland

Anders als im Frühjahr mit der Alpine wird die Ausfahrt im Bentley keine rasante. Veit führt uns erst die Küstenstraße entlang, dann hinauf in den Karst, durch Straßen, schön, eng und wild und für Touristen vermutlich unauffindbar. Irgendwann, nachdem wir durch kleine, malerische Orte gefahren sind, durch die vermutlich nicht einmal jede Woche ein Auto kommt, stechen wir durch das uns umschließende frische Grün, das aus zartgrauen Felsen zu wachsen scheint, hindurch, und vor uns liegt Triest, dahinter das Meer.

"Der Continental ist der absolute Hingucker. Sowohl im Karst als auch hier in der Stadt schauen die Menschen. Nicht wegen dir, nicht wegen mir, wegen des Autos", sagt er, als wäre es die Bestätigung dafür, die richtige Wahl getroffen zu haben. "Den kauf ich mir, wenn ich groß bin", scherzt er, "vielleicht schenkt mir Vater ja ein Emirat dazu."

Den kauft er sich, scherzt, Veit Heinichen.
Foto: Guido Gluschitsch

Wir machen noch einen kleinen Abstecher in den alten Hafen, was nicht nur Gelegenheit bietet, dass Veit den kleinen Wendekreis des großen Wagens lobt, sondern auch dazu, die politische Lage Triests und der Welt anzureißen. Wenig später, beim Mittagessen, wird er dieses Thema mit Andreas noch vertiefen. Die anderen vertiefen sich auch. In die Meeresfrüchte und die hausgemachte Pasta, die Bigoli, die serviert werden.

Und noch einmal der Veit Heinichen im Bentley.
Foto: Guido Gluschitsch

Erst zum Kaffee schaffen wir es wieder, das Thema ganz auf das Fahrerlebnis zu lenken. "Die Beschleunigung kann sich wirklich sehen lassen", fasst Veit zusammen, "die Verarbeitung ist sehr fein." Dann setzt er wieder sein schelmisches Lächeln auf und meint: "Gerade im Vergleich zur Alpine fällt auf, dass mehr Wein in den Kofferraum passt." Ein Seitenhieb auf die Reaktionen, die er auf die Geschichte im Frühling im RONDO mobil bekommen hat.

Die Frage ist aber eh nicht, ob wir Wein mit nach Hause nehmen, sondern wann und von wo. Diesmal war es nicht Edi Kante, sondern Stefan Potzinger in der Südsteiermark, wo wir den Kofferraum ausmaßen. Veit hat recht. (Guido Gluschitsch, 20.6.2019)