Wir reden von 427.648 Euro und 40 Cent, wenn wir so genau sein dürfen. So viel kostet der Bentley Continental GT Convertible, so wie wir ihn für den Supertest ausgefasst haben. Das ist mehr, als die Anschaffung der Handtaschensammlung meiner Frau gekostet hat. Das ist mehr, als die Katzen in einem Monat verputzen. Das ist sogar mehr, als unsereins in einer Ehe an Geld beim Blumenhändler lässt. Wirklich. Ich hab nachgerechnet. Dafür bräuchten wir nicht einmal die 90.331 Euro und 24 Cent, wenn wir so genau sein wollen, die für diesen Wagen an NoVA, der Normverbrauchsabgabe, anfallen.

Bentley Continental GT Convertible. Ein Blickfang. Ein fahrtechnisches Wunderwerk. Auch platzmäßig. Aber nur in der ersten Reihe. Gschrapp oder Koffer will man nicht sein.
Foto: Guido Gluschitsch

Man merkt also schon beim ersten Blick auf den Schummelzettel im Auto, dass der Wagen aus einer anderen Welt kommt, oder für eine andere Welt gebaut ist. Anders als in meinem Privatwagen gibt es da hinten keine Kurbel für die Fenster. Stoffsitze auch nicht. Obwohl, die sind vielleicht sogar erhältlich, weil es ein Bentley ist, und Bentley jeden Kundenwunsch erfüllt, auch wenn sie Stoffsitze vermutlich wirklich vor ein neues Problem stellen dürften. Kein Problem für die Kunden ist indes der überschaubare Kofferraum in diesem so riesigen Cabriolet.

Kein Kulturbeutel

Nur ein Pöbel wie unsereins, der wundert sich, dass da nicht einmal das Gepäck von zwei Verliebten für ein verlängertes Wochenende hineinpasst. Also eh kein Hausrat und nur die notwendigste Wäsche. Aber wer sich ein Auto um diesen Betrag kauft, der nimmt natürlich nicht Ersatzschuhe mit nach Italien, keinen Kulturbeutel. Der hat einen Schuhschrank auf seiner Yacht und eine Batterie von Lakaien, die einem schmunzelnd den Buckl kratzen, wenn es juckt. Da ist ein großer Kofferraum nur ein Problem, weil dann die Markenherrenhandtasche umakugelt. Aber hören dürfte man das eh nicht.

Feinstes Leder und echtes Metall schmeichelt den Fingern. Wenn man den Bildschirm in der Mittelkonsole nicht mag, kann man ihn auf Knopfdruck verdrehen lassen, so dass edle Hölzer den Fernseher ersetzen.
Foto: Guido Gluschitsch

Der aktuelle Continental GT Convertible ist jetzt, geschlossen, innen nämlich so leise wie es früher der Bedachte war, verspricht Bentley. Ehrlich gestanden, mir fehlt der Vergleich. Aber geglaubt habe ich es in dem Moment, als ich das erste Mal die Tür öffnete und keine einfache Scheibe in der Hand hatte, sondern Doppelglas mit einer Folie dazwischen. Ich hab es trotzdem geschafft, dass am Beifahrersitz ein leises Pfeifen zu hören war. Wie schnell man dafür fahren muss, kann ich an dieser Stelle aber nicht verraten, denn zum einen würde das meinen guten Ruf als besonnener Schleicher zerstören und zum anderen würden sich die Beifahrer, die das Pfeifen gehört haben, schrecken. Weil die wussten gar nicht, wie flott wir fuhren. Keine Chance, dass du das merkst, wenn du nicht den Tacho oder anderen Verkehr als Peilstab hast. Dabei ist es eigentlich sogar fast komplett egal, wie leise der geschlossene Continental GT Convertible nun wirklich ist.

Den Convertible GT fährt man meist offen, stell ich mir vor.
Foto: Guido Gluschitsch

Weil klar, in der Liga, in der man dieses Auto kauft, da fährt man ihn nur beim passenden Wetter. Fürn Winter hat man eh einen Panda. Ein Conti-Kunde hat viel Muße, wenn er dieses Fahrzeug bewegt, stell ich mir vor. Was ich mir aber schwer vorstellen kann, ist, dass er in der ganzen Breite begreift, welch sensationelles Fahrverhalten dieser Wagen hat. Er beschleunigt so sanft in unter vier Sekunden von 0 auf 100 km/h, dass man wetten möchte, es könnten fast schon derer fünf sein. Weil er mit seinem Luftfahrwerk auch in schnell angefahrenen Kurven nicht wankt, will man meinen, dass man eh gemütlich unterwegs ist. Und weil die Bremsen zupacken wie atombetriebene Schraubstöcke, will man als Laie gar nicht spüren, dass man da zweieinhalb Tonnen bewegt – und das agiler als einen durchschnittlichen Sportwagen. "Da kannst an Affen reinsetzen", würde Walter Röhrl sagen, und das muss auch der Grund sein, warum Zeremonienmeister Andreas Stockinger mir diesen Wagen zugeteilt hat. Welchen Gefallen er mir damit getan hat, mochte er in dem Moment wohl gar nicht abschätzen.

Wer genau hinschaut sieht auch die Sensoren der Assistenzsysteme. Unterm Fahren merkt man die Digitalisierung allerdings kaum.
Foto: Guido Gluschitsch

Nicht, weil der Bentley der mit Abstand teuerste Wagen in unserem kleinen Vergleich ist, nicht weil er der stärkste ist. Nein, der Bentley hob sich deshalb von allen anderen Autos ab, weil er die Digitalisierung so gekonnt verbirgt. Er ist ein Auto für Fahrer, nicht für Telefonierer. Er lenkt nicht für dich, er nervt dich nicht mit digitalem Besserwissen. Gleichzeitig sind alle Assistenzsysteme stets bereit, falls du es nicht bist.

Er würde also perfekt zu mir passen. Aber leider, Sie erinnern sich: Handtaschen, Katzen, Blumen ... (Guido Gluschisch, 15.6.2019)

Foto: Guido Gluschitsch