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Im Mai legten die Verbraucherpreise, verglichen mit dem Vorjahr, um 18,7 Prozent zu – im Oktober waren es noch über 25 Prozent.

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Die türkische Zentralbank hat den Leitzins vorerst nicht gesenkt. Die Rate wird unverändert bei 24 Prozent bleiben. Damit bestätigten die Währungshüter das, wovon die meisten Analysten auch ausgegangen waren. Timothy Ash von Blue Bay Asset Management beispielsweise begrüßte die Entscheidung: "Die Zentralbank tut das Richtige", schrieb er auf Twitter. Seit vergangenem September, als die Zentralbank die Zinsen mit einem Mal um 625 Basispunkte angehoben hatte, sind diese nun unverändert.

In letzter Zeit war es verhältnismäßig ruhig geworden um die türkische Währung. Der Kurs zum Euro stabilisierte sich vorübergehend um ein Verhältnis von 1:6,5. Doch zahlreiche Risiken bleiben bestehen. Von politischer Seite gibt es konstanten Druck. Immer wieder hat Präsident Tayyip Erdoğan gegen hohe Zinsen gewettert. Im Gegensatz zum ökonomischen Mainstream hält er hohe Zinsen nicht für ein Mittel, um die Inflation zu bekämpfen, sondern umgekehrt für deren Ursache.

Wunsch nach Wachstum

Diese Meinung speist sich aus islamischen Wirtschaftstheorien, die Zinsen allgemein ablehnen, und dem pragmatischen Wunsch nach mehr Wachstum – auf Kosten der Währungsstabilität und Inflation. Diese hatte im Herbst mit 24 Prozent einen vorübergehenden Spitzenwert erreicht. Immer wieder hatte Finanzminister Berat Albayrak zwar verkündet, der Kampf gegen die Inflation sei bereits gewonnen. Tatsächlich aber verharrt die Preissteigerungsrate um die 20 Prozent. Im Mai wurden 18,7 Prozent vermeldet.

Auch die Wachstumsaussichten sind mau. Am Dienstag gab die Ratingagentur Fitch bekannt, sie erwarte für 2019 ein Schrumpfen der Wirtschaft um 1,1 Prozent. Erst nach 2020 könnte es der türkischen Wirtschaft gelingen, wieder an alte Boom-Zeiten anzuknüpfen, in denen das BIP um bis zu fünf Prozent wuchs.

Streit mit den USA

Eine Art Damoklesschwert für die türkische Wirtschaft aber ist der Streit mit den USA um den Kauf des russischen Raketenabwehrsystems S-400. Die USA drängen Ankara seit langem, von diesem Kauf abzusehen. Russische Militärexperten könnten so Einblick in sensible Nato-Waffensysteme bekommen. Bisher hat Ankara alle Bitten und Warnungen Washingtons in den Wind geschlagen.

Die Zeit aber tickt, und beide Länder bewegen sich in kleinen, aber stetigen Schritten auf eine Eskalation zu. Das Pentagon hat bereits als Gegenmaßnahme angekündigt, keine türkischen Piloten mehr für die F-35-Kampfjets auszubilden. Sollte der Kauf tatsächlich abgewickelt werden – Ankara hat bisher keine Anzeichen gegeben, davon abzurücken –, treten Wirtschaftssanktionen in Kraft. Moskau dagegen hat erneut bestätigt: Das Raketenabwehrsystem wird am 2. Juli geliefert.

Was Sanktionen bewirken

Welches Ausmaß diese für die türkische Wirtschaft haben können, war im vergangenen Sommer deutlich geworden. Damals stritten sich Trump und Erdoğan um einen in der Türkei inhaftierten Pastor amerikanischer Staatsbürgerschaft. Da Erdoğan sich weigerte, den Mann freizulassen, reagierte Trump mit Strafzöllen. In der Folge verlor die türkische Lira innerhalb weniger Woche rapide an Wert.

Immer wieder hatte die Zentralbank in den vergangenen Wochen und Monaten die türkische Währung gestützt. Mal wurden Zinssätze über Nacht angehoben, um Leerverkäufer abzuschrecken, mal Stützungskäufe getätigt. Die Reserven sind mittlerweile auf 14 Milliarden US-Dollar geschrumpft. Das Spiel ist bisher gutgegangen, doch Analysten gehen davon aus, dass die Zentralbank nicht mehr viel Munition hat, um auf eine erneute Krise reagieren zu können. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 12.6.2019)