Beim Wetter kann man es niemandem recht machen. Noch klagte im Mai jeder über Kälte und Regen, doch kaum klettert das Thermometer an mehreren Tagen hintereinander über 30 Grad Celsius, wird geschimpft: über Schweißgeruch in der U-Bahn, schattenlose Zonen und falsch eingestellte Klimaanlagen. Dabei wäre es für alle Hitzesuderanten an der Zeit, sich über viel wichtigere Fragen als schwitzende Mitbürger zu echauffieren. Sudern, nein, noch viel mehr lautstarkes Auftreten gegen den Klimawandel ist angesagt.

Heiße Tage im Juni hat es immer schon gegeben, werden Kritiker einwerfen. Experten sind sich jedoch einig: Hitze als Wetterextrem ist eines der deutlichsten Anzeichen der Klimaerwärmung. Nicht nur die Zahl der Sommertage, auch die Zahl der Hitzetage ist in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen. Gab es zwischen 1960 und 1990 in Wien im Schnitt neun solcher Tage pro Saison, so waren es ab 1990 im Schnitt 18. Das Jahr 2015 war überhaupt extrem: Es wurden 42 Hitzetage gezählt.

Hauptsächlich der Jugend und der Protestbewegung rund um die Schwedin Greta Thunberg ist es zu verdanken, dass auch abseits der Grünen politische Parteien erkennen, wie wichtig vielen Menschen der Kampf gegen den Klimawandel ist – und wie dringend notwendig. Die SPÖ hat im EU-Wahlkampf den Klimaschutz erstmals zu einem Kernthema gemacht.

Selbst die FPÖ, deren Ex-Obmann Heinz-Christian Strache den menschgemachten Klimawandel anzweifelt, hat mit Norbert Hofer nun einen erklärten Umweltschützer an der Spitze. Er lobt sich dafür, eine Photovoltaikanlage auf seinem Hausdach installiert zu haben und sein eigenes Biogemüse im Garten anzubauen. Ein Schelm, wer denkt, er tut das, weil es Stimmen bringt.

Zeichen des Klimaschutzes

Am Mittwoch kam es im Parlament nun zu einer ungewöhnlichen grünen Allianz: SPÖ und FPÖ kündigten gemeinsam ein Verbot des umweltschädlichen Pflanzenschutzmittels Glyphosat an.

Auch die ÖVP wird noch auf den Zug aufspringen. Sie hat bei den Jungwählern, denen der Klimaschutz besonders am Herzen liegt, ein massives Problem. Die Türkisen waren bei den unter 30-Jährigen bei der EU-Wahl nur viertstärkste Kraft. Auch Erhebungen wie das Eurobarometer zeigen, dass das Thema mittlerweile genauso viel Interesse auf sich zieht wie die Zuwanderung.

Doch nicht nur im Wahlkampf darf der Kampf gegen den Klimawandel eine Rolle spielen. Das nächste Regierungsprogramm muss im Zeichen des Klimaschutzes stehen. Wer auch immer bei der Wahl im Herbst gewinnt: Sämtliche Maßnahmen des künftigen Koalitionsabkommens müssen einem Klimacheck unterzogen werden. Verhandlungsrunden mit NGOs und Umweltschutzorganisationen sind von vornherein einzuplanen, um ein klimagerechtes Programm zu entwickeln. Es darf nicht wieder passieren, dass sich die Regierung wie bei der 2018 präsentierten Klima- und Energiestrategie im Kämmerchen Maßnahmen ausdenkt, die dann von wichtigen Interessenvertretern abgelehnt werden. Wem hilft es, wenn Willensbekundungen wie eine Verdoppelung des Radverkehrs festgehalten werden, ohne (budgetäre) Begleitmaßnahmen zu definieren?

Ein breiter Diskurs und ein gemeinsamer Kraftakt sind nötig. Es bleiben nur noch wenige Jahre Zeit, um die Klimakatastrophe zu verhindern. (Rosa Winkler-Hermaden, 12.6.2019)