In dieser Ausgabe des Familienrats antworten Katharina Weiner vom Jesper-Juul-Familylab in Österreich und der Buchautor, Psychiater und Psychoanalytiker Hans-Otto Thomashoff auf die Frage einer Leserin.

Frage:

Mein Sohn entdeckt schön langsam seinen Körper, er ist jetzt am Anfang der Volksschule. Die Hände sind oft in der Hose, vor allem zum Glück zu Hause. Ich finde, er hat ein Recht, alles zu erkunden, und will, dass er einen ungehemmten Zugang zu Sexualität und seinem Körper findet. Dennoch bin ich unsicher, und irgendwie stört es mich auch, wenn das zu oft passiert.

Geschichten von Bienen und Blumen sind nicht jedermanns Sache.
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Meine Tochter ist vier und will wissen, wie die Kinder in eine Mama kommen. Dafür gibt es zwar Bücher, aber ist eine Vierjährige nicht zu jung für die Tatsachen? Wie Sie merken, tue ich mir schwer, obwohl ich in der Hinsicht sehr offen bin. Wann soll ich die Kinder aufklären? Von Geschichten über Bienen und Blüten halte ich auch wenig.

Antwort von Hans-Otto Thomashoff

Wenn Sie sich selbst schwer damit tun, wie Sie mit Ihren Jüngsten über Sexualität reden sollen, dann merken Ihre Kinder das, und die Gespräche, die offenkundig notwendig sind, werden von vornherein sperrig. Um Ihnen den Druck zu nehmen, empfiehlt es sich, als Einleitung erst einmal nachzufragen, was für Erklärungen sich Ihre Kinder denn selbst schon zurechtgebastelt haben. Denn das haben sie sicher. Nicht nur angeregt durch den Austausch mit anderen Kindern in Kindergarten und Schule, die vielleicht mit ein bisschen Vorbildung geprahlt haben. Oder weil sie mitbekommen haben, dass ein Geschwister unterwegs war. Sondern auch durch die ganz natürliche Neugier, wo sie selbst denn wohl herkommen.

Ausgehend von diesen Erklärungen kindlicher Logik können Sie dann das eine oder andere bestätigen oder auch, wo angebracht, richtigstellen – und dabei zugleich die Werte vermitteln, die Ihnen selbst im Umgang mit der Sexualität wichtig sind, etwa gegenseitiger Respekt oder Liebe. Wobei es natürlich wichtig ist, dass Sie diese Werte auch in Ihrem Alltag vorleben. Wenn Eltern eine glückliche Paarbeziehung vorleben, sind sie ganz von selbst das beste Modell für ihre Kinder. Mit fortschreitendem Alter dann sollte in den Gesprächen auch konkretes Wissen vermittelt werden wie Verhütung oder der Schutz vor Geschlechtskrankheiten.

Beim Vermitteln der Werte und sozialen Umgangsformen ist dann auch die Hand in der Hose ein Thema: dass die eben, wenn man für sich ist, durchaus ihre Reize hat, dass sie aber im öffentlichen Raum nicht den Gepflogenheiten unserer Kultur entspricht, sondern Verwunderung oder Belustigung bei anderen zur Folge hätte. (Hans-Otto Thomashoff, 14.7.2019)

Hans-Otto Thomashoff ist Psychiater, Psychoanalytiker, zweifacher Vater und Autor. Zuletzt veröffentlichte Bücher: "Das gelungene Ich" (2017) und "Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden" (2018).
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Antwort von Katharina Weiner:

Kinder sind von Geburt an sinnliche, sensuelle, später auch erotische, sexuelle Wesen.

Ihre Beschreibung lässt darauf schließen, dass Ihr Zugang zu Sexualität sowie dem Lustempfinden auch bei Kindern an sich natürlich und okay ist. Optimale Bedingungen also, die Kindern die Möglichkeit gibt, sich selbst und ihren Körper immer nuancierter und spezifischer zu entdecken. Denn es ist die Einmischung der Erwachsenen, die Schuld und Schamgefühl bei Kindern auslösen, nicht die eigentliche Aktivität.

Bedeutend dabei ist vor allem, dass Sie als Eltern ungestörte Rahmenbedingungen schaffen bzw. auch ansprechen, dass Selbstbefriedigung etwas Privates ist, ohne dies zu moralisieren.

Lustempfinden und Körperbewusstsein werden auf unterschiedlichste Art entdeckt. Wenn es Ihnen zu viel wird, finden Sie weitere lustvolle Aktivitäten: wild schaukeln, schnell laufen, schreien oder herumtoben.

Sexualität bedeutet auch Gefühle, Nähe, eigene körperliche wie auch emotionale Grenzen wahrnehmen und diese ausdrücken. Außerdem prägt all jenes, was im Alltag integriert ist, also gegenseitiger Respekt und Verständnis, Zärtlichkeit sowie die eigene Einstellung der Erwachsenen zu ihrem Sexualleben.

Deshalb gibt es keinen optimalen Zeitpunkt oder den einzig richtigen Rat, wann und wie Sie Ihr Kind aufklären können. Es ist vielmehr ein gemeinsames Herantasten, was in Ihrem Fall Ihre Tochter mit vier Jahren an Informationen zu verarbeiten vermag. Oft genügt kleinen Kindern ein einziger Satz, wohingegen andere es wirklich ganz genau wissen wollen. Dazu gibt es mittlerweile wirklich sehr gute Kinderbücher als Hilfestellung zum gemeinsamen Ansehen und offenen wie auch einfühlsamen Darüber-Sprechen. (Katharina Weiner, 14.7.2019)

Katharina Weiner ist Familienberaterin sowie Coachin und arbeitet als Trainerin in der Elternbildung. Die Mutter einer Tochter leitet das Jesper-Juul-Familylab in Österreich.
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