Buzz Aldrin, der zweite Mensch auf dem Mond, posiert vor einer US-Flagge. Verschwörungstheoretiker behaupten seit Jahrzehnten, das Sternenbanner flattere verdächtig. Wissenschafter haben das Phänomen wieder und wieder erklärt.

Foto: Nasa

Auch dass auf den Apollo-Bildern am Himmel keine Sterne zu sehen sind, wird häufig als Fehler der Nasa-Fakes gewertet. Die nicht sehr schwierige Erklärung dafür wird hartnäckig ignoriert.

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Holm Gero Hümmler, "Verschwörungsmythen: Wie wir mit verdrehten Fakten für dumm verkauft werden", € 20,40,– / 223 Seiten, Hirzel 2019.

Cover: Hirzel

Den Grundstein für seinen größten Erfolg legte Bill Kaysing vier Jahre nachdem der bis heute letzte Mensch den Mond verlassen hatte. 1976 veröffentlichte der noch weitgehend unbekannte US-amerikanische Autor, der sich mit Lebenshilfe-Ratgebern und Anleitungen für Motorradfahrer über Wasser hielt, sein Buch We never went to the moon. Auf knapp 200 Seiten machte Kaysing vor, was seither unzählige andere Proponenten moderner Verschwörungstheorien kopiert haben: Er "enthüllte" wortreich ein angeblich gigantisches Täuschungsmanöver, dem die Welt aufgesessen sei – ohne auch nur einen einzigen stichhaltigen Beleg für seine Behauptungen anzuführen.

Die meisten "Mondlandungsleugner" beziehen sich auf Fotos von der Nasa. Mit fotografischen Grundkenntnissen kann man ihre Behauptungen entkräften.
DER STANDARD

Statt auf Fakten basiert Kaysings abenteuerliche Theorie auf vermeintlichen Anomalien und Widersprüchen, die er in Aufnahmen vom Mond, Medienberichten und Veröffentlichungen der US-Weltraumbehörde Nasa zu erkennen meinte. Daraus strickte er die Story seines Lebens: Die bemannten Mondlandungen von 1969 bis 1972 seien ein beispielloser Fake gewesen, orchestriert von der US-Regierung und ausgeführt von der Nasa. Die berühmten Aufnahmen der Apollo-Astronauten auf dem Mond seien allesamt im Filmstudio entstanden, um die technologische Vorherrschaft der USA im Kalten Krieg vorzugaukeln. Um diesen aufwendigen Betrug an der Weltöffentlichkeit geheim zu halten, so Kaysing, sei man über Leichen gegangen.

Alte Argumente

Die Behauptungen, die er als Beweise für seine "Enthüllung" vorbrachte, sind im Wesentlichen dieselben, die bis heute in einschlägigen Blogs und auf Youtube-Kanälen zur "Mondlüge" rauf und runter gespult werden. Wie präsent diese Verschwörungstheorie ist, lässt schon eine einfache Google-Suche nach den Stichworten "Moon landing fake" erahnen: Sie liefert mehr als 20 Millionen Treffer. Lässt man seriöse Quellen außer Acht, die sich um die Widerlegung von Kaysing und Konsorten bemühen, landet man schnell in einem abstrusen Paralleluniversum.

Buzz Aldrin, der zweite Mensch auf dem Mond, posiert vor einer US-Flagge. Verschwörungstheoretiker behaupten seit Jahrzehnten, das Sternenbanner flattere verdächtig. Wissenschafter haben das Phänomen wieder und wieder erklärt.
Foto: Nasa

Der Grundtenor der Mondlandungsleugner lautet: Die Nasa könne in den 1960er- und 70er-Jahren zu einer solch beispiellosen technischen Meisterleistung schlicht nicht in der Lage gewesen sein, also wurde alles inszeniert. Untermauert werden soll das mit Unstimmigkeiten auf Bildern und Filmaufnahmen der Apollo-Mondlandungen. Freilich lassen sich all die angeführten Beobachtungen wissenschaftlich untersuchen – und entkräften. Genau das ist in den vergangenen Jahrzehnten auch von Wissenschaftern, Technikern und Raumfahrtexperten unzählige Male geschehen.

Immune Anhänger

In seinem neuen Buch Verschwörungsmythen (Hirzel 2019) hat sich auch der deutsche Physiker und Autor Holm Hümmler die wichtigsten Argumente, die gegen den spektakulärsten Erfolg der Nasa vorgebracht werden, vorgeknöpft und sie Schritt für Schritt überprüft. Für alle gibt es eine wissenschaftliche Erklärung, so sein Fazit. "Das Ganze ist ein Urtyp der modernen Verschwörungstheorien", sagt Hümmler. "Ich nehme etwas wahr, das ich nicht verstehe, und nutze einen Verschwörungsmythos als Standarderklärung zur Beantwortung all meiner Fragen."

Eingefleischte Verschwörungstheoretiker seien zwar meist immun gegen Informationen, die nicht in ihr Weltbild passen, meint Hümmler. "Aber wenn Dritte dabei sind, die möglicherweise verunsichert werden, sollte man so etwas nicht unwidersprochen lassen." Aber woran genau hängen denn Mondlandungsleugner ihre Theorien eigentlich auf, was sind die angeblichen Fehler, die der Nasa beim Dreh im Filmstudio unterlaufen sein sollen? Drei Beispiele im Überblick:

  • Verdächtige Qualität: Die Aufnahmen, die die Astronauten mit ihren Hasselblad-Kameras schossen, sind viel zu gut für die Entstehungsumstände. Die Apparate besaßen keine Sucher – wie sollten da scharfe Bilder gelungen sein? Tatsächlich sind nicht alle Fotos gut geworden, zunächst wurden aber nur die ansprechendsten veröffentlicht. Die Kameras wurden adaptiert: Durch eine spezielle Vorrichtung konnten vier verschiedene Schärfungen schnell und einfach eingestellt werden – nah, weit, fern und unendlich. Nicht zuletzt mussten die Astronauten den Umgang mit den Kameras auf der Erde monatelang üben.

  • Fehlende Sterne: Auf den Bildern, die die Astronauten am Mond machten, erscheint der dunkle Himmel ohne Sterne. Ein peinlicher Fauxpas im Filmstudio? Fehlanzeige: Das liegt an der Belichtungszeit. Die Kameras der Apollo-Astronauten waren so eingestellt, dass auf den Bildern die (im Sonnenlicht sehr helle) Mondoberfläche, die Landefähre und die Astronauten selbst korrekt abgebildet wurden. Für die Sterne im Hintergrund wäre aber eine viel längere Belichtungszeit nötig gewesen, die wiederum die Abbildungen der eigentlichen Hauptmotive ruiniert hätte.

  • Flatternde Flaggen: Auf Filmaufnahmen scheint die US-Flagge, vor der die Astronauten medienwirksam auf dem Mond salutieren, zu flattern. Allein: Der Mond hat keine Atmosphäre, Wind existiert dort nicht! Das ist zwar völlig korrekt, aber die Flagge flatterte eben auch nicht. Sie schwang im luftleeren Raum, nachdem der Mast berührt worden war. Zudem war das Sternenbanner mit einer ausklappbaren Querstrebe versehen, eben um einen möglichst "wehenden" Eindruck zu erzeugen.

Erdrückende Beweise

Die Liste ließe sich noch sehr lange fortsetzen, da wären etwa die Spekulationen über falsche Schatten auf den Bildern, fehlende Krater unter der Landefähre oder die kosmische Strahlung, die eine Reise zum Mond angeblich ganz grundsätzlich verunmöglichen würde. Sie alle wurden vielfach widerlegt. Nicht nur das: Anders als für die Behauptung einer gigantischen Fälschung, an der bis heute unzählige Menschen beteiligt sein müssten, gibt es erdrückende Beweise für die Landung der Astronauten.

Zum Beispiel werden seit Jahrzehnten Reflektoren genutzt, die die Apollo-Crew auf der Mondoberfläche platzierte, um mit kurzen Laserpulsen den sich langsam verändernden Abstand zwischen der Erde und ihrem Trabanten zu messen. Längst liegen auch hochauflösende Bilder von Raumsonden vor, auf denen die Hinterlassenschaften der Raumfahrer und sogar Fußspuren zu sehen sind. Sollten in den kommenden Jahren wieder Menschen auf dem Mond landen, könnten sie auch die alten Hasselblad-Kameras einsammeln, die zurückgelassen wurden. Und dann gibt es noch fast 400 Kilogramm Mondgestein, das von den Apollo-Missionen zurück zur Erde gebracht wurde. Kleine Proben davon sind übrigens im Naturhistorischen Museum Wien zu sehen.

Ultima ratio

Warum zweifeln viele Menschen dennoch daran, dass je ein Mensch den Mond erreicht hat? Einschlägige Verlage bringen pünktlich zum 50. Jubiläum von Apollo 11 erweiterte Neuauflagen diverser Verschwörungsschriften heraus, auch im deutschsprachigen Raum wird mit der angeblichen "Jahrhundertlüge" Geschäft gemacht. Hümmler, der sich seit 20 Jahren bei der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften engagiert, hat einen Verdacht: "Verschwörungen sind einfach die besseren Geschichten."

Buzz Aldrin, nach Neil Armstrong der zweite Mensch auf dem Mond, sieht das etwas anders, wie er 2002 eindrücklich unter Beweis stellte. Als ihn der Verschwörungsfilmemacher Bart Sibrel in einem Interview als Lügner beschimpfte und verlangte, Aldrin solle auf die Bibel schwören, auf dem Mond gewesen zu sein, riss dem damals 72-jährigen Weltraumveteranen der Geduldsfaden: Er beendete das Gespräch mit einem Kinnhaken.

Video: Buzz Aldrin vs. Bart Sibrel.
Science Recruit

(David Rennert, 17.6.2019)