Eine Überraschung ist es nicht, falsch ist es trotzdem. Der britische Innenminister Sajid Javid hat am Donnerstag offiziell bekanntgegeben, dass seine Regierung dem Auslieferungsantrag der USA gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange zugestimmt habe. Das ist ein weitgehend formeller Akt, der einem Urteil der britischen Gerichte darüber, ob die Auslieferung wirklich stattfindet, nicht vorgreift. Aber: Es ist eine verpasste Chance, nicht nur für Assange, sondern auch für die britische Regierung.

"Er ist völlig zu Recht hinter Gittern", folglich sehe seine Regierung auch keinen Grund, ihn nicht auszuliefern, so Javid, der einer von zahlreichen Kandidaten für das Amt des britischen Premiers ist. Das mag herzlos klingen, ist in der Sache aber richtig: Assange ist wegen seines Verstoßes gegen seine Kautionsauflagen in Haft, weil er sich durch seine Flucht in die Botschaft Ecuadors 2012 einem Verfahren entzogen hat. Das ist schlicht britisches Recht.

Mit der Strafe, die Assange in den USA droht, verhält es sich anders. 175 Jahre Haft drohen dem australischen Enthüllungsaktivisten im Falle einer Verurteilung, zunächst weil er der US-Whistleblowerin Chelsea Manning (vergeblich) dabei geholfen haben soll, das Passwort eines Mitarbeiters der US-Armee zu knacken. Das ist unverhältnismäßig. Vor allem aber stellt die nun ausgeweitete Anklage auch auf die Aufdeckertätigkeit Assanges ab, dem die Verbreitung von Informationen vorgeworfen wird. Auch wenn man Assange nicht als Journalisten betrachtet, könnte diese Anklage als Präzedenzfall für spätere Prozesse gegen Enthüllungsjournalisten dienen. Dabei darf die britische Regierung keinesfalls die Komplizenschaft übernehmen.

Mit der Unterzeichnung hat Javid nun aber genau das getan, eine politische Entscheidung ist damit gefallen. Es bleibt zu hoffen, dass jenes Gericht, das später endgültig über die Auslieferung entscheidet, mehr Weitsicht zeigt. (Manuel Escher, 13.6.2019)