Berichte über angeblich unmenschliche Arbeitsbedingungen im Amazon-Verteilzentrum in Großebersdorf hatten den Stein ins Rollen gebracht.

Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Wien – Nach Berichten über angeblich unmenschliche Arbeitsbedingungen bei Amazon in Niederösterreich will die Gewerkschaft Informationen über erste Konsequenzen bei dem Onlinehändler erhalten haben. "Der öffentliche Druck aufgrund menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen bei Amazon scheint Wirkung zu zeigen", sagt Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier. Aus dem Unternehmen sei ihrem Haus zugetragen worden, dass es im österreichischen Management offenbar Versetzungen und eine Kündigung gegeben habe.

Zuvor hatte der Amazon-Beschäftigte Maarten N. gemeinsam mit der Gewerkschaft über angeblich "katastrophale Arbeitsbedingungen bei Amazon" berichtet.

Beratung für Mitarbeiter

Als Quelle dieser Informationen nannte Teiber eine eingerichtete Hotline (0676/817111013), bei der sich Beschäftigte am österreichischen Amazon-Standort in Großebersdorf anonym beraten lassen können. Zudem soll eine Halle nach einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat komplett umgebaut worden sein.

Als "Unsinn" bezeichnete Amazon auf Anfrage die Angaben der Gewerkschaft. Das Verteilzentrum werde noch vom selben Managementteam geleitet. Amazon habe auch keinen Umbau vor, da das Gebäude absolut sicher sei und gute Arbeitsbedingungen biete.

Doch nun hat sich ein Abteilungsleiter bei der Austria Presse Agentur gemeldet, der nach Eigenangaben am Freitag ein Kündigungsschreiben erhalten hat. Begründet sei dies damit worden, dass sich seine Mitarbeiter nicht auf ihn hätten verlassen können. Was sich der Gekündigte nur so erklären kann, dass damit sein Krankenstand nach einem Autounfall gemeint ist.

Verwundert hat den sogenannten Filialleiter auch, dass er gehen musste, obwohl der Mitarbeiter, der sich am Dienstag mit Kritik am Konzern an die Medien wandte, gar nicht in seiner Schicht arbeitete. Die Vorwürfe des Kollegen – unter anderem sollen die Mitarbeiter exzessiv kontrolliert worden sein – würde er jedenfalls zu hundert Prozent unterschreiben. "Wir können alle Daten einsehen", so der Mann.

Auch bei der Gewerkschaft habe sich der Mann gemeldet und die Missstände bestätigt, so Teiber in einer Aussendung: "Es ist unfassbar mit welch dreisten Mitteln Amazon versucht, die offensichtlichen Missstände bei den Arbeitsbedingungen im Verteilzentrum Großebersdorf zu negieren und kleinzureden. Die Behauptung, es hätte keine personellen Konsequenzen im Führungsteam des Verteilzentrums gegeben, ist nun als glatte Lüge entlarvt worden. Amazon wiederum erklärte, dass der Mann keine Leitungsfunktion innegehabt hätte.

Verdacht der Scheinselbstständigkeit

"Wir haben darüber hinaus die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse ersucht zu überprüfen, ob bei den Botenfahrern Scheinselbstständigkeit vorliegt, und regen beim Sozialministerium eine Verordnung an, die Anzahl der Leiharbeitskräfte bei Amazon drastisch zu reduzieren", sagt Teiber. Zudem fordert sie Amazon auf, sofort alle Überwachungsmaßnahmen einzustellen und die Leiharbeitskräfte in ein reguläres Dienstverhältnis zu überführen.

Das Sozialministerium will nun in der Sache die Sozialpartner, also Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter, anhören bzw. konsultieren. "Das Sozialministerium wird daher einen solchen Konsultationsprozess einleiten, um sich ergebende, offene Fragen mit diesen abzuklären", hieß es in einer Stellungnahme des Ministeriums. (red, 14.6.2019)