Der ehemalige Innenminister Herbert Kickl sieht in seinem einstigen Ressort "schwarze Machtstrukturen".

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Er wollte unter die "schwarze Tuchent" schauen und Netzwerke der ÖVP aufdecken – doch dazu kam es wegen der Sprengung der türkis-blauen Koalition nicht mehr, berichtete der einstige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Freitagvormittag auf einer Pressekonferenz. Gleichzeitig enthüllte Kickl, dass es in der Affäre zum Wiener Stadterweiterungsfonds nun zu Anklagen gekommen ist, und zwar gegen hochrangige ÖVP-nahe Beamte im Innenministerium. Eine Anfrage des STANDARD bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) blieb dazu vorerst unbeantwortet. Das Innenministerium wusste nichts von der Anklage und wandte sich an das Justizministerium. Bevor etwaige dienstrechtliche Konsequenzen gezogen werden können, müsse dem Ministerium die Anklage vorgelegt werden.

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Der Wiener Stadterweiterungsfonds war noch unter Kaiser Franz Joseph I. gegründet worden, um Prachtbauten am Wiener Ring zu finanzieren. Er ressortierte dann zum Innenministerium, das bis 2008 die letzten drei Immobilien im Fonds veräußerte. Um diese Deals gab es rege Aufregung, die Immobilien sollen unter ihrem Wert verkauft worden sein. Gleichzeitig tätigte der Fonds zahlreiche Spenden, etwa an Diözesen, Pfarren und Ordensgemeinschaften. Das Ermittlungsverfahren dazu läuft seit Jahren, zuletzt hieß es vor rund einem Jahr, dass die WKStA bald ihren Vorhabensbericht ans Justizministerium schicken werde. Die Causa kommt auch in jenem berüchtigten Konvolut anonymer Anzeigen vor, das die BVT-Ermittlungen mitausgelöst hat.

"Verschleppen und Zudecken"

Für Kickl zeigt sich in der Causa Stadterweiterungsfonds ein "Verschleppen und Zudecken", das durch eine uneinheitliche Linie der Staatsanwaltschaft und übergeordneter Stellen zu sehen ist. Es kam zu "Amputationsakten" und nun einer "Rumpfanklage". Die ist für Kickl in eine Reihe mit anderen Verfahren zu stellen. Er sprach auf der Pressekonferenz etwa von der Affäre rund um die Anzeige der WKStA gegen Sektionschef Christian Pilnacek, also ihren eigenen Vorgesetzten – die für Pilnacek juristisch wohl folgenlos bleiben wird. Außerdem behauptet Kickl, dass es im Fall eines "ÖVP-nahen Meinl-Managers" zu Interventionen gekommen sei.

"Wir sehen hier keine Einzelfälle, sondern die Spitze eines Eisbergs", sagte Kickl. Die "alte ÖVP mit türkiser Fassade" arbeite daran, ihre Machtnetzwerke und Machtstrukturen aufrechtzuerhalten, so der geschäftsführende Klubobmann der FPÖ. Ein freiheitlicher Innenminister sei hier ein "Störenfried" gewesen, den man habe entfernen müssen. Laut Kickl hätte die ÖVP "keinen anderen Freiheitlichen als Innenminister akzeptiert", deshalb sei es nach der Enthüllung des Ibiza-Videos trotz Rücktritts des damaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache zur Auflösung der Koalition gekommen.

Innenministerium als "Erbpacht"

Hinter der "Sprengung der Koalition" sieht Kickl die niederösterreichische ÖVP, die das Innenministerium als eine Art "Erbpacht" betrachte. Tatsächlich wurden Entscheidungen im Wiener Stadterweiterungsfonds auch unter der ehemaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gefällt, die nun Landeshauptfrau von Niederösterreich ist. Man müsse nun die "Schweigespirale durchbrechen" und eine unabhängige Taskforce einsetzen, die Weisungen untersuche, forderte Kickl.

Fragwürdige Allianzen

Freilich ist auch Kickl als Innenminister mit fragwürdigen Aktionen in die Kritik geraten. So sorgte die enge Kooperation zwischen seinem Kabinett und seinem Generalsekretär Peter Goldgruber mit der WKStA in der BVT-Affäre für Aufsehen. Die großteils für widerrechtlich erklärte Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz ging beispielsweise auf die Kappe der WKStA. Auch deshalb herrscht ausnehmend schlechte Stimmung zwischen der Spitze des Justizministeriums und der WKStA. Der neue Justizminister Clemens Jabloner gab auch deshalb am Freitag bekannt, dass Weisungen künftig explizit zu kennzeichnen seien.

Kickl hatte ÖVP-Chef Sebastian Kurz in den vergangenen Tagen zu einer Fortführung der türkis-blauen Koalition nach der Wahl eingeladen – allerdings unter der Bedingung, dass das Innenministerium in der Hand der FPÖ bleibe. Außerdem forderte Hans-Jörg Jenewein, der FPÖ-Fraktionsführer im BVT-Untersuchungsausschuss, eine Fortführung dieses Gremiums. Selbst unter einer ÖVP-FPÖ-Regierung sollten die "schwarzen Netzwerke" weiter untersucht werden, so Jenewein zum STANDARD. (Fabian Schmid, 14.6.2019)