Das dritte Jahrtausend war erst angebrochen, als ein junger Unternehmer in Kalifornien auf der Website der US-Weltraumbehörde Nasa herumsurfte und dabei herb enttäuscht wurde. Elon Musk, damals Anfang 30, wollte nicht glauben, dass die größte Weltraumorganisation der Erde keine konkreten Pläne hegte, zum Mars zu fliegen. Als Jugendlicher hatte er die Science-Fiction-Romane von Isaac Asimov verschlungen. Seither ließ ihn der Traum nicht los, selbst Raketen zu bauen.

Durch den Verkauf des Online-Bezahlsystems Paypal wurde Musk 2002 über Nacht zum Millionär. Noch im selben Jahr investierte er den überwiegenden Teil in die Gründung eines Unternehmens, das kein geringeres Ziel hatte, als Technologien zu entwickeln, um eines Tages den Mars zu kolonisieren: Space X. So zumindest erzählt Musk gerne die Geschichte, wie es zur Firmengründung kam. Legendär ist seine Ansage geworden, er wolle eines Tages auf dem Mars sterben – aber nicht bei der Landung.

50 Jahre später

Am 20. Juli 2019 wird der 50. Jahrestag der ersten Schritte eines Menschen auf dem Mond gefeiert: 1969 hissten die US-Astronauten Neil Armstrong und Buzz Aldrin die US-Flagge auf dem Erdtrabanten. Vorangegangen war der Apollo-11-Mission ein erbitterter Wettlauf ins All zwischen der Sowjetunion und den USA. Nach einer jahrzehntelangen Flaute in der bemannten Raumfahrt ist nun das nächste Rennen im Gange. Die Anzahl der Mitstreiter ist größer geworden, und diesmal ist der Mond nur die erste Raketenraststation. Die eigentliche Sehnsuchtsdestination ist unser Nachbarplanet Mars.

Mit Elon Musk hat eine Ära begonnen, die zuvor vielfach als unrealistisch galt: Private Investoren sind zu wichtigen Protagonisten und Partnern im All geworden. Auch Amazon-Gründer Jeff Bezos hat mit Blue Origin ein Unternehmen gegründet, dass die Menschheit letztlich zu einer multiplanetarischen Spezies machen will. Zunächst will Bezos noch schnell touristische Weltraumflüge – 200.000 Dollar für einen Elf-Minuten-Trip – auf den Markt bringen.

Illustration: Fatih Aydogdu

Wohl auch angespornt durch den Ehrgeiz der weltraumsüchtigen Unternehmer beschäftigt sich die Nasa mittlerweile nicht mehr mit der Frage, ob der Mars je von Menschen bereist wird, sondern wann. Ex-US-Präsident Barack Obama stellte eine bemannte Marsmission für die 2030er-Jahre in Aussicht. Ein Prestigeprojekt war die Erkundung des Roten Planeten jedoch nie für ihn, galt seine Aufmerksamkeit stets primär den irdischen Umständen. Donald Trump tickt auch in dieser Hinsicht anders als sein Vorgänger. Geht es nach ihm, rammen Astronauten besser noch in den 2020ern die US-Flagge in den Mars-Boden.

Nach Dekaden der Vernachlässigung der bemannten Raumfahrt, hegt die Nasa seit einigen Jahren wieder ambitionierte Ziele: Sie will eine bemannte Rückkehr zum Mond, und zwar vor allen anderen – und schließlich erstmals Astronauten zum Mars befördern. Auch die europäische, die chinesische und die russische Weltraumagentur verfolgen Pläne, zwischen 2040 und 2060 bemannte Marsmissionen zu starten, und wollen auch zum Mond. Finanzierung und konkrete Pläne gibt es noch nicht.

Warum nicht gleich zum Mars?

Doch wozu eigentlich zurück zu unserem Trabanten, wenn wir doch gleich den Mars ansteuern könnten? Die Antwort darauf führt uns zurück ins 18. Jahrhundert, als der britische Naturforscher Isaac Newton die Prinzipien der klassischen Mechanik formulierte. Newtons drittes Gesetz besagt, dass jede Kraft eine gleich große Gegenkraft erzeugt. Ein anschauliches Beispiel dafür ist ein gefüllter Luftballon: Wenn er ein Loch hat, zischt in eine Richtung Luft hinaus, in die Gegenrichtung bewegt sich der Luftballon. Raketen funktionieren nach demselben Prinzip: Die austretenden Antriebsgase schicken die Rakete nach vorn. Um dem Schwerefeld der Erde entkommen zu können, benötigen Raketen viel Energie. Die Masse des Mondes beträgt aber nur 1/81 jener der Erde, was ihn zu einem viel energiesparenderen Raketenstartplatz macht.

Sky News

Bisher ist die einzige Rakete, die je Menschen über den erdnahen Orbit hinaus transportiert hat, die Saturn V der Nasa. Eine Flotte von Raketen und Raumschiffmodulen, mit denen dieses Ziel erneut erreicht werden könnte, befindet sich derzeit in der frühen Testphase. Dazu zählt die Trägerrakete Space Launch System (SLS) der Nasa mit einer Orion-Kapsel und die Falcon-Trägerrakete von Space X mit der Dragon-Kapsel. Je nachdem, welches System sich besser bewährt, könnte die Nasa bei SLS bleiben oder auf Falcon umsatteln.

Das SLS und die Orion-Kapsel sind ursprünglich für völlig verschiedene Missionen geplant worden, die allerdings nie realisiert wurden. SLS ist der Saturn V nachempfunden. Beide Raketen sind für eine Nutzlast von rund 130 Tonnen konzipiert. Die Besatzung für eine Mond- oder Marsmission findet in der Orion-Kapsel Platz, die oben auf der Trägerrakete sitzt. Die Kapsel ist für vier bis sechs Astronauten ausgelegt – allerdings reisen diese, ähnlich wie in der Apollo-Kapsel, auf ziemlich engem Raum: Der Durchmesser der Orion-Kapsel beträgt etwa fünf Meter.

Raketen-Recycling

Space X setzt auf ein völlig anderes Design von Raketen. Die Maxime dabei lautet: Das Vehikel sollte wiederverwendbar sein. Normalerweise werden Trägerraketen nach jedem Start entsorgt. Durch ihre Wiederverwendung wollte Musk die Kosten für Raumflüge um einen Faktor 10 senken. Space X nimmt dabei eine ähnliche Rolle ein wie Ford für die Automobilindustrie. Musks Unternehmen hat zwar nicht die Technologie zum Bau einer Rakete erfunden, doch es hat einen völlig neuen Fertigungsprozess entwickelt, der Raketen wesentlich günstiger macht. Die Aushängeschilder der von Space X entwickelten Falcon-Serie sind die Falcon 9 und die massivere Falcon-Heavy, wobei die Rakete nach Millennium Falcon aus Krieg der Sterne benannt ist. Die Besatzung nimmt in der Raumkapsel Dragon Platz, ihr Namensgeber ist "Puff, the Magic Dragon". Die Falcon Heavy hat zwar nur eine Nutzlast von 64 Tonnen, ist aber vermutlich wesentlich kostengünstiger als das SLS: 2012 setzte die Falcon-Rakete zwei Meilensteine der Raumfahrt auf einen Schlag: Sie flog als erste kommerzielle Rakete zur Internationalen Raumstation ISS, und sie war die erste Rakete, die nach einem Orbitalflug wieder erfolgreich auf der Erde landete. 2017 gelang Space X die Landung auf der eigenen Startrampe, wodurch die Rakete ein zweites Mal ins All geschickt werden konnte.

Trotz Optimierungen bleiben die Kosten für die Raumfahrt beachtlich. Laut aktuellen Berechnungen kostet es um die 200.000 Euro, eine Masse von einem Kilogramm zum Mond zu transportieren. Für Transporte zum Mars werden pro Kilogramm Kosten von rund zwei Millionen Euro angenommen. Selbst wenn die Finanzierung für eine Marsmission sichergestellt ist, lauern auf dem Weg dorthin einige Gefahren. Insgesamt liegt das Risiko in der Raumfahrt für einen tödlichen Unfall bei rund einem Prozent: Beim Spaceshuttle, dem Vorgänger von SLS, gab es bei 135 Starts zwei katastrophale Unfälle – das entspricht einer Quote von 1,5 Prozent. Für die Astronauten lag die Gefahr, den Ausflug ins All nicht zu überleben bei 3,3 Prozent: Von den 544 Menschen, die bisher in den Weltraum geflogen sind, sind 18 dabei umgekommen.

Der Mars macht viel größere Schwierigkeiten

Der Mars ist allerdings ein ambitionierteres Ziel als der Mond. Das zeigt sich schon an der Fehlerquote der Sonden, die bisher zum Mars geschickt worden sind: Drei Viertel erreichten ihr Ziel nicht. Besondere Probleme macht die lange Reisezeit, die für die Astronauten äußerst herausfordernd sein wird: Die Reise zum Mond hatte man beim Apollo-Programm nach drei Tagen hinter sich. Zum Mars dauert die Reise hingegen neun Monate.

Auch die Landung auf dem Mars ist viel komplizierter als auf der Erde, denn die Erdatmosphäre leistet einen wesentlichen Beitrag zum Bremsvorgang. Die Atmosphäre des Mars hat nur ein Hundertstel der Dichte von jener der Erde. Die Folge: Beim Eintritt in die Mars-Atmosphäre wird das Raumfahrzeug extrem heiß, aber nicht langsamer. Die Lösung dafür könnte ein riesiger, aufblasbarer Hitzeschild sein, der zugleich Bremssystem ist.

Doch all diese Probleme muten als Petitessen an, wenn man sich das Hauptproblem vergegenwärtigt: die Rückkehr zur Erde. Seine Schwerkraft und das widrige Wetter sind enorme Hindernisse, wenn man den Mars wieder verlassen will. Eine Startrampe für den Mars müsste in Einzelteilen angeliefert werden, im Ganzen wäre sie wohl zu groß und schwer, um die Reise unbeschadet zu überstehen. Aus der dünnen Mars-Atmosphäre müsste Treibstoff für den Rückflug zu Erde gewonnen werden. Die Pläne, um das Rückkehrproblem zu lösen, klingen momentan noch mehr nach Science-Fiction als nach Science.

Träume von Marskolonien

Freilich lässt sich Elon Musk nicht davon abhalten, bereits für die 2020er-Jahre öffentlichkeitswirksam eine bemannte Marsmission zu planen. Dabei denkt er nicht nur an ein paar Astronauten, ganze Siedlungen will er auf dem Roten Planeten errichten. Eine Flotte von tausend modifizierten Falcon-Raketen, jede mit 100 Siedlern bemannt, würde in den nächsten Jahren zum Mars aufbrechen, wenn sich Musks außerirdische Träume realisieren ließen.

Gehen wir einmal trotz aller Eventualitäten davon aus, dass tatsächlich in den nächsten Dekaden Menschen den Mars erreichen werden. Was würden sie eigentlich auf dem Roten Planeten tun? Für menschliche Begriffe ist der Mars eine recht unwirtliche Gegend – extreme Kälte, starke Sandstürme, massive UV-Strahlung und kosmische Strahlung, ganz zu schweigen davon, dass es wahrscheinlich kein Wasser in flüssiger Form und schon gar keine Pflanzen auf dem Mars gibt. Wie könnte dieser Planet je zu einer lebensfreundlichen Gegend werden?

Von der Eisöde zum Paradies

Weltraumenthusiasten wie der US-Physiker Michio Kaku beantworten diese Frage so: "Das Terraforming des Mars überfordert unsere heutigen Fähigkeiten noch, doch die Technologie des 22. Jahrhunderts wird uns erlauben, diesen öden Eisblock in eine bewohnbare Welt zu verwandeln", heißt es in Abschied von der Erde (Rowohlt, 2019). "Wir werden auf selbstreplizierende Roboter, superstarke, leichte Nanomaterialien und gentechnisch veränderte Pflanzen zurückgreifen, um die Kosten drastisch zu senken und den Mars in ein veritables Paradies zu verwandeln."

CBS This Morning

Kaku spekuliert gar, dass wir den Mars eines Tages hinter uns lassen und Siedlungen auf Asteroiden sowie auf den Monden der Gasriesen Jupiter und Saturn errichten werden. Der nächste Schritt wären dann Niederlassungen in anderen Sonnensystemen. Die Überlegungen zu all den Hindernissen, die dafür zu überwinden wären, bringen uns gedanklich doch immer wieder auf die Erde zurück: Für uns Menschen gibt es in der näheren kosmischen Umgebung keinen Ort, der besser für unser Leben geeignet wäre, als dieser Planet. (Tanja Traxler, 15. 6. 2019)

DER ERSTE WETTLAUF ZUM MOND: CHRONOLOGIE

12. 4. 1961 Der Sowjetrusse Juri Gagarin umkreist als erster Mensch die Erde und wird dadurch zum Volkshelden.

5. 5. 1961 Erster Suborbitalflug eines Amerikaners: Alan Shepard fliegt im Rahmen der "Mercury"-Mission ins All.

25. 5. 1961 US-Präsident John F. Kennedy verkündet, dass die USA noch vor dem Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond landen lassen werden.

20. 2. 1962 John Glenn umkreist als erster US-Amerikaner dreimal die Erde. Von 29. 10. bis 7. 11. 1998 ist US-Volksheld Glenn mit der "Discovery" ein zweites Mal im All.

16. 6. 1963 Wieder ist die Sowjetunion Vorreiter: Die erste Frau im Weltraum, Walentina Tereschkowa , beginnt die Erde in einem Raumschiff zu umkreisen. Ihr Funkname lautete Tschaika (Möwe). Sie flog 49-mal um die Erde.

1966 Gemini-Flüge mit ersten Andockmanövern (Neil Armstrong) und mit einem Rekord in Außenbordaktivitäten von fünf Stunden und 30 Minuten (Buzz Aldrin). Den Sowjets gelingt eine erste weiche Landung einer Sonde auf dem Mond ("Luna 9"). "Luna 10" wird schließlich der erste Mondsatellit. Der Wettlauf zum Mond soll nun mit einer bemannten Mission entschieden werden.

27. 1. 1967 Während eines Tests auf einer Startrampe verbrannten alle drei Astronauten von "Apollo 1". Das US-Programm erlitt einen herben Rückschlag.

18. 5. 1969 Apollo 10 fliegt zum Mond, bleibt aber in der Mondumlaufbahn. Erstmals Live-Bilder in Farbe aus dem All.

16. 7. 1969 Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins fliegen zum Trabanten. Armstrong und Aldrin betreten den Mond am 20. 7. (In Europa war es der 21. 7.). Die beiden sammelten 21,55 kg Mondgestein. Collins bleibt in der Kommandokapsel im Mondorbit.

7. 12. 1972 Apollo 17: Die bisher letzte Mondmission. Geplante, weitere "Apollo"-Missionen wurden aus finanziellen Gründen nicht gestartet.