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Aus dem Kandidaten mit dem Exotenbonus ist ein Präsident geworden, der die Grenzen des Sagbaren immer wieder verschoben hat. Der Wahlkampf droht zu einer Schlammschlacht zu werden.

Foto: AP/Vucci

Diesmal ist alles um drei Nummern größer, alles akribisch organisiert. Nicht das kleinste Detail, das die Choreografie dem Zufall überlassen würde. Im Juni 2015 fuhr Donald Trump auf einer Rolltreppe hinab ins Foyer seines New Yorker Wolkenkratzers, um seine Bewerbung fürs Weiße Haus zu verkünden. Ein Teil des Publikums bestand aus Passanten, die man kurz zuvor auf der Fifth Avenue gefragt hatte, ob sie nicht zuschauen wollten. Fast auf den Tag genau vier Jahre später tritt der Präsident in der Disneyland-Kapitale Orlando in einer Sportarena mit 20.000 Sitzplätzen auf, im Amway Center, wo sonst die Orlando Predators, die Orlando Solar Bears und Orlando Magic American Football, Eishockey beziehungsweise Basketball spielen.

Damals im Trump Tower war er der ruppige Außenseiter, der populistische Entertainer, anfangs belächelt, später verzweifelt bekämpft vom republikanischen Establishment. Auf Wahlkampfbühnen stellten ihn obskure Lokalgrößen vor, es dauerte eine Weile, bis sich mit Jeff Sessions, dem Südstaatler aus Alabama, der erste Senator fand, der ihn unterstützte. Diesmal wird, wo immer er auftritt, die konservative Parteiprominenz des jeweiligen Bundesstaats herbeieilen, um Lobgesänge auf ihn anzustimmen. Damals wies er der überschaubaren Riege seiner bezahlten Helfer eine ungenutzte Ecke des Trump-Turms zu, wo die räumliche Enge an eine Sardinenbüchse denken ließ. Diesmal hat die Republika nische Partei für seinen Kampagnenstab eine ganze Etage in einem Hochhaus in Virginia gemietet, in einem Bürowürfel, von dem der Blick über den Potomac River auf die Wahrzeichen Washingtons geht.

Noch immer Rebell

So viel zum äußeren Rahmen, der nicht mehr so recht passen will zu einem, der sich noch immer als Anführer eines Aufstands gegen die Elite versteht. Nur hält das Trump nicht davon ab, nach wie vor den Rebellen zu geben, als residierte er selber nicht schon seit fast zweieinhalb Jahren im Weißen Haus. Und dass ihn die Bürde des Amts mäßigen würde, ihn verbal abrüsten ließe, diese Hoffnung ist längst passé. Nichts geändert hat sich an seiner Masche, Widersacher auf eine Art niederzumachen, die vor nicht allzu langer Zeit jedem Kandidaten zum Verhängnis geworden wäre, ihm aber offenbar nichts anhaben kann. Zumindest nicht beim harten Kern seiner Anhänger, der unbeirrt zu ihm hält und an den er stets zuerst denkt, wenn er politische Entscheidungen trifft.

Damals verhöhnte er "Little Marco" und "Lying Ted", Marco Rubio und Ted Cruz, um im Finale "Crooked Hillary", die in seiner Karikatur ganovenhafte Hillary Clinton, zur Hassfigur zu stempeln. Diesmal hat er sich auf "Sleepy Joe" eingeschossen, auf Barack Obamas Vizepräsidenten Joe Biden, dem er unterstellt, im Alter von 76 Jahren nur noch die Wirkung einer Schlaftablette zu entfalten. In Wahrheit sieht er in Biden einen Angstgegner, was seine aggressiven Attacken überhaupt erst erklärt. Da Obamas Stellvertreter trotz einer überaus langen Karriere in der Hauptstadt einen Draht zur weißen Arbeiterschaft findet, könnte er dort punkten, wo Trump 2016 das Rennen für sich entschied. In Michigan, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin, in Rust-Belt-Staaten, in denen Clinton fremdelte mit verunsicherten, von Abstiegsängsten geplagten Wählern, die einst für die Demokraten stimmten, dann aber überliefen zu einem Populisten, der wirtschaftlichen Nationalismus predigte und Barrieren gegen illegale Migranten versprach.

Angst vor dem Sozialismus

Ein Finalduell gegen die linke Senatorin Elizabeth Warren oder auch gegen Bernie Sanders, den Veteranen aus Vermont, sehne er förmlich herbei, glaubt John Zogby, einer der erfahrensten Meinungsforscher der USA. In beiden Fällen könnte er die Sozialismuskeule schwingen, er könnte die düstere Vision eines Landes entwerfen, das auf Zustände wie Venezuela zusteuere.

Den Startschuss für eine Angstkampagne hat Trump längst gegeben. Bereits im Februar, in seiner Rede zur Lage der Nation, sprach er von alarmierenden Tendenzen, den Sozialismus auch in den Vereinigten Staaten einführen zu wollen. Amerika gründe auf Freiheit, nicht auf einem Staat, der alles kontrolliere. "Heute erneuern wir unsere Entschlossenheit, dass Amerika niemals ein sozialistisches Land sein wird." Sätze wie diese dürfte man in den nächsten Monaten noch des Öfteren hören – zumal Trump beim Entwerfen von Zerrbildern keinerlei Hemmungen kennt. (Frank Herrmann aus Washington, 17.6.2019)