Am Montagvormittag hat ÖVP-Chef und Altkanzler Sebastian Kurz überraschenderweise zu einer Pressekonferenz geladen. Anlass: Derzeit kursieren angeblich gefälschte E-Mails aus dem Jahr 2018, die Kurz, seinen ehemaligen Kanzleramtsminister Gernot Blümel und die ÖVP in die Affäre rund um das Ibiza-Video von Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler Heinz-Christian Strache "hineinziehen sollen". Kurz dazu: "Das hat uns schockiert", damit habe die Auseinandersetzung "eine neue Dimension" erreicht, denn bei den E-Mails handle es sich um "eine Fälschung".

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer sprach von "einer hohen kriminellen Energie", die hinter den E-Mails stecke, die bei einem österreichischen Medium lanciert worden sein sollen. Kurz erklärte, man werde der Staatsanwaltschaft eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung zukommen lassen – über den Inhalt der gefakten E-Mails wollte sich Kurz nicht verbreitern, nur so viel: Angeblich gebe es "eine Unzahl" an derartigen Mails.

Die ÖVP habe eine forensische Prüfung der Screenshots veranlasst, so Nehammer. "Wir geben Ihnen unseren Prüfbericht", versprach Kurz auf detailliertere Nachfragen der anwesenden Journalisten. Neben der internen Prüfung sei auch ein auf Forensik spezialisiertes Unternehmen mit den vorhandenen Sreenshots und Metadaten befasst worden. Den Urheber der angeblichen Fake-Mails habe die ÖVP nicht ausmachen können.

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"Wir geben Ihnen unseren Prüfbericht", versprach Kurz auf detailliertere Nachfragen der anwesenden Journalisten.

Deloitte-Stellungnahme zeigt Ungereimtheiten auf

Zum Beleg verteilt hat die ÖVP eine Stellungnahme des mit der Prüfung der E-Mails betrauten Beratungsunternehmens Deloitte. Darin verweisen die Prüfer auf mehrere Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Nachrichten. Eine abschließende Bewertung geben sie zwar nicht ab, die ÖVP sieht jedoch hinreichend Beweise für einen Fälschungsskandal und kündigt eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft an.

Laut den von der Partei verteilten Screenshots wurde eine der angeblichen E-Mails am "Mon, 27 Feb 2018" von gernot.bluemel@wien.oevp.at an sebastian.kurz@wien.oevp.at verschickt. Die auch für IT-Laien auffälligste Ungereimtheit ist das Datum – dabei handelt es sich nämlich tatsächlich um einen Dienstag, nicht um einen Montag. Außerdem wurde die Pazifische Zeitzone der USA verwendet, und die zugehörige IP-Adresse (92.51.182.1) ist nicht auf die Wiener ÖVP registriert, sondern auf hosteurope.de. Und laut ÖVP-Generalsekretär Nehammer kann die betreffende E-Mail-Adresse von Kurz seit 2009 nur noch zum Empfang, nicht aber zum Verschicken von E-Mails genutzt werden.

Weitere Auffälligkeiten laut Deloitte-Stellungnahme: Über die Entschlüsselung bestimmter an die E-Mails angehängter Informationen ("Thread-Index") sind Rückschlüsse auf den Sendezeitpunkt möglich. Die Rückrechnung liefert jedoch für beide Mails fehlerhafte Ergebnisse (was laut Deloitte auch durch technische Probleme verursacht worden sein könnte). Und das Verschlüsselungsprotokoll der angeblich schon 2018 versendeten E-Mails war laut ÖVP erst ab 2019 im Einsatz.

Dank wegen Sorgfaltspflicht

Kurz dankte dem Medium, dem die E-Mails zugespielt worden waren, für die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht. Die Partei war am Freitag um eine Stellungnahme gebeten worden. Man habe zuerst intern abgeklärt, dass die fraglichen E-Mails nicht verschickt wurden, und danach Deloitte um eine Prüfung gebeten, sagte Nehammer. Außerdem bat Kurz noch die Bevölkerung, "allen Informationen, insbesondere auf Social Media, kritisch gegenüberzustehen". Alles, was dort an einen herangetragen werde, müsse kritisch hinterfragt werden.

Der ÖVP liegen die Originale der E-Mails laut Kurz nicht vor, sondern nur Screenshots und ein Teil der technischen Daten. Wer die E-Mails an die Medien gespielt habe, wisse er selbst nicht, sagte Kurz auf Nachfrage. Verteilt hat die ÖVP vier von zwölf Seiten der Deloitte-Stellungnahme – die fehlenden acht Seiten enthalten allerdings keine inhaltlichen Informationen, sondern Geschäftsbedingungen.

FPÖ vermutet "Flucht nach vorne"

Die FPÖ hat das Bekanntmachen von im Zusammenhang mit der "Ibiza-Affäre" kursierenden, offenbar gefälschten E-Mails von Obmann Kurz und seinem Vertrauten Blümel durch die ÖVP als "Flucht nach vorne" bezeichnet. "Eine Pressekonferenz abzuhalten, um etwas zu dementieren, das noch niemand gesehen hat, mutet schon etwas seltsam an", so FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker.

Der FPÖ-Generalsekretär bezeichnete die Pressekonferenz von Kurz und ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer am Montag, in der sie selbst die Existenz der ihrer Darlegung nach gefälschten E-Mails öffentlich machten, als "bizarr". Hafenecker ortete darin die "bekannte 'Haltet den Dieb!'-Methode".

Bemerkenswert fand er, dass Kurz und Nehammer kein Wort über den Inhalt verloren hätten. Zudem würden Aussagen aus ÖVP-Kreisen Wochen vor der Veröffentlichung des "Ibiza-Videos" an "Brisanz gewinnen", wonach es "den Strache (Heinz-Christian, ehemaliger FPÖ-Chef, Anm.) eh nimmer lang geben" werde, so Hafenecker, der erneut eine lückenlose Aufklärung forderte. (red, APA, 17.6.2019)