Eine Behandlung mit Antidepressiva kann dazu führen, dass Betroffene mit geringeren empathischen Reaktionen auf Videos reagieren, die eine schmerzhafte Behandlung zeigen.

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Wien – Depressive Menschen brechen soziale Kontakte ab und ziehen sich häufig zurück. Als Ursache wurde angenommen, dass auch das empathische Einfühlungsvermögen durch die Depression beeinträchtigt wird. Frühere Untersuchungen wurden jedoch meist bei Gruppen von Patienten durchgeführt, die großteils unter dem Einfluss von Antidepressiva standen.

Forscher der Universität Wien und der Med-Uni Wien konnten nun zeigen, dass die Beeinträchtigungen des empathischen Einfühlungsvermögens offenbar auch auf Antidepressiva zurückgeführt werden können – und nicht wie bisher angenommen, vorrangig auf die Depression selbst.

Die Wissenschafter untersuchten für ihre Studie die Empathie bei depressiven Patienten auf neurowissenschaftlicher Ebene. Um die potenziell unterschiedlichen Einflüsse von akuter Depression und Antidepressiva auf das empathische Einfühlungsvermögen getrennt voneinander zu betrachten, untersuchten die Forscher eine Gruppe von Patienten zu zwei Zeitpunkten: das erste Mal während einer akuten depressiven Phase, und zwar bevor sie Medikamente eingenommen hatten, das zweite Mal nach dreimonatiger psychopharmakologischer Therapie mit Antidepressiva (hauptsächlich Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer; Anm.).

Schmerzen anders wahrnehmen

In beiden Fällen wurden die Patienten mittels funktioneller Magnetresonanztomographie untersucht, während sie Videos von Menschen sahen, die eine schmerzhafte medizinische Prozedur durchmachten. Ihre Hirnaktivität sowie ihre empathischen Beurteilungen der Videos wurden mit einer gesunden Kontrollgruppe verglichen.

Es zeigte sich, dass vor der Behandlung weder die Hirnaktivität noch die Beurteilungen der akut depressiven Gruppe von der Kontrollgruppe abwichen. Erst nach dreimonatiger Einnahme von Antidepressiva konnten deutliche Unterschiede festgestellt werden: die Patientengruppe zeigte wesentlich geringere empathische Reaktionen sowohl auf der Hirn-, als auch auf der Verhaltensebene.

Betroffen waren Hirnregionen, die eng mit dem empathischen Einfühlungsvermögen, aber auch mit dem Schmerzempfinden in Zusammenhang stehen. "Diese verringerte Reaktion bei der Wahrnehmung von Schmerzen anderer war nicht auf eine allgemein gesenkte Empfindsamkeit gegenüber negativen Emotionen zurückzuführen", betont Markus Rütgen, Erstautor der Studie. Wie sich die verminderte empathische Reaktion tatsächlich auf das Sozialverhalten der Patienten auswirkt, ist allerdings noch unklar. (red, 18.6.2019)