T-Zellen richten sich gegen Krebszellen. Sind sie nicht erfolgreich, wird die Immunantwort gedrosselt, der Tumor kann weiterwachsen.

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München – Bei einer Virusinfektion gerät das Immunsystem in maximale Alarmbereitschaft. Unterschiedliche Immunzellen, wie T- oder B-Zellen, werden aktiv, vermehren sich stark und kämpfen aggressiv gegen infizierte Zellen. Schafft es das Immunsystem jedoch nicht, die Viren zu beseitigen, treten typischerweise Immunzellen auf, die stark eingeschränkte Funktionen haben. Diese "Erschöpfung" der Immunzellen wird durch die dauerhafte Aktivierung durch die Viren ausgelöst. Für den Körper ist das auch gut, weil dauerhaft starke Immunantworten zu einer große Belastung für Zellen und Gewebe werden.

Tumoren dagegen können durch das Abschalten von Immunantworten massiv weiterwachsen. Erklärtes Ziel in der Tumor- und Infektionsforschung ist es daher diese Abschaltung kontrolliert zu überwinden oder zu verhindern. "Diese funktional reduzierten Immunantworten sind ein Kompromiss des Körpers zwischen den Schäden, die eine andauernd starke Immunreaktion verursachen würde und der eigentlichen Krankheit. Für uns sind diese Antworten aus mehreren Gründen spannend: sie treten neben chronischen Infektionen auch bei Tumoren auf und der Nobelpreis für Medizin 2018 wurde für die Erkenntnis vergeben, das ein Überwinden dieser reduzierten Funktionszustände zu starken Immunantworten gegen Tumore führt. Trotzdem blieben die zugrunde liegenden Mechanismen bisher noch wenig verstanden", erklärt Dietmar Zehn, Immunologe an der Technischen Universität München (TUM).

Protein Tox schaltet "Erschöpfungszustand" an

Bis jetzt war es nicht bekannt, wie der Körper diese reduzierten Immunantworten anschaltet und reguliert. Dietmar Zehn und sein Team fanden nun, zeitgleich mit zwei Gruppen aus den USA, den entscheidenden Faktor dafür: Das Protein Tox ist der wichtige molekulare Schalter. Mit Hilfe von Maus- und Zellkulturmodellen, aber auch Patientenproben fanden die Wissenschafter heraus, dass es im Zellkern wirkt. Es schaltet dort ein genetisches Programm an. Das führt dazu, dass auf der Zelloberfläche der Immunzellen negative regulierenden Rezeptoren auftreten. Sie werden dadurch empfänglich für hemmende Signale und sorgen dafür, dass die Zelle "ermüdet", weniger effektiv arbeitet oder sogar abstirbt.

"Es ist unglaublich wichtig, dass wir diese molekularen Abläufe nun endlich entschlüsselt haben. Nur so lassen sie sich auch gezielt therapeutisch verändern. Über eine Kontrolle von Tox könnten sich überschießende Immunreaktionen wie in Autoimmunerkrankungen bremsen oder schwache Immunreaktionen wieder aktivieren lassen, was zum Beispiel bei der Tumorbekämpfung interessant wäre", sagt Dietmar Zehn. (red, 19.6.2019)