Beim letzten Mal hat Österreich ausgelassen. Alle fünf Jahre bemüht sich die OECD, die Stimmung unter Schulleitungen und Lehrkräften zu erheben. In der von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durchgeführten Studie "Teaching and Learning International Survey", kurz Talis, geht es unter anderem um Jobzufriedenheit, Klassenklima und Ressourcen im Schulbetrieb von 48 Ländern.

Beim ersten Mal, 2008, wurde auch das heimische Schulsystem unter die Lupe genommen, 2013 nahm Österreich dann nicht mehr Teil – angeblich aus Kostengründen. Jetzt gibt es neue Vergleichsdaten: Im Vorjahr haben auch mehr als 4000 Lehrende an AHS-Unterstufen und Neuen Mittelschulen sowie 277 Direktorinnen und Direktoren wieder mitgemacht – die Ergebnisse liegen nun vor.

Auch die Studie hält fest, was hierzulande schon längst als Problem ausgemacht wurde: Österreichs Lehrkräfte sind älter als ihre Kolleginnen und Kollegen im OECD-Vergleich. 44 Prozent sind über 50 Jahre alt – der OECD-Schnitt liegt bei 34 Prozent. Die Studienautoren folgern: In den kommenden zehn Jahren müssen drei von sieben Lehrerposten nachbesetzt werden. Lehrergewerkschafter Paul Kimberger von der Gewerkschaft der Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer (FCG) rechnet im Gespräch mit dem STANDARD damit, dass laut geltender Pensionsregelung in den kommenden zehn Jahren rund 60.000 Lehrkräfte in Pension gehen.

Wie bereits 2008 liefert Talis den Lehrervertretern auch diesmal neue Munition im Kampf um zusätzliches Unterstützungspersonal. Denn wieder zeigt sich: Österreichs Lehrkräfte fühlen sich weitgehend allein gelassen. Ein Beispiel: Auf 15 Lehrerstellen kommt hierzulande gerade einmal ein Dienstposten für administratives Personal (z. B. Sekretariatskräfte)– andernorts lautet das Verhältnis im Schnitt 7:1.

Ähnlich trist sieht es bei Psychologen & Co aus: Einen Dienstposten für pädagogisches Unterstützungspersonal müssen sich in Österreich im Schnitt 19 Lehrkräfte teilen. Andernorts lautet das Verhältnis im Schnitt 8:1.

Bei der Präsentation der Talis-Studie am Mittwoch im Bildungsministerium erklärte Andrea Weilguny, Direktorin des für die Studie zuständigen Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie), folgerichtig, dass Österreich bei der administrativen Unterstützung "im internationalen Vergleich leider immer noch am schlechtesten ausgestattet" sei.

Umgekehrt gibt es in Österreich aber wiederum überdurchschnittlich viele Lehrer pro Schüler: Rein rechnerisch kommt ein Lehrer auf 7,4 Schüler (NMS: 7,1, AHS: 8,8) – in den Vergleichsländern ist ein Lehrer durchschnittlich für 10,5 Schüler zuständig.

Bildungsministerin Iris Rauskala erklärt die Österreich-Spezifika bei der Personalzusammensetzung unter anderem damit, dass Lehrkräfte hierzulande verstärkt Aufgaben übernehmen würden, die andere Länder an Unterstützungspersonal auslagern. Es gäbe ein Potenzial von 13.000 Pädagoginnen und Pädagogen, die derzeit nicht nur unterrichten, sondern nebenbei auch administrative Aufgaben übernehmen. Rauskala: "Das muss zu denken geben." Die Ministerin baut auf das Bildungsinvesitionsgesetz, das kommende Woche den Unterrichtsausschuss passieren soll. Darin ist unter anderem die finanzielle Beteiligung des Bundes an der Finanzierung von Schulsozialarbeitern geregelt.

Erhoben wurde auch, wie viel Zeit Lehrende als reine Unterrichtszeit nutzen können. Kurz gesagt: Für die Wissensvermittlung bleibt heute weniger Spielraum als vor zehn Jahren – nur noch 77 Prozent einer Schulstunde (zum Vergleich: 2008 waren es noch 79 Prozent) können dafür genutzt werden, erklären die Befragten. Damit liegt Österreich auch leicht unter dem OECD-Schnitt von 78 Prozent. Umgerechnet wären das bei einer 60-Minuten-Einheit 47 Minuten. Glaubt man den Lehrkräften, brauchen sie alleine schon acht Minuten, um Ruhe in die Klasse zu bringen.

Stichwort Klassenklima: Auch wenn Bullying, Mobbying und aggressives Verhalten anlässlich eines per Video dokumentierten Übergriffs an einer Wiener Schule in den vergangenen Wochen in Österreich vermehrt Thema waren, geben 97 Prozent der Befragten an, dass ihr Verhältnis zu den Schülerinnen und Schülern gemeinhin ein gutes sei. Gleichzeitig berichten allerdings 15 Prozent der Schulleiterinnen und Schulleiter, dass es im Verhältnis der Jugendlichen untereinander regelmäßig zu Einschüchterungsversuchen und Bullying komme.

Eingegangen wird auch auf die Zusammensetzung der Klassen. OECD-weit gibt es an rund 30 Prozent der Schulen einen Flüchtlingskinder-Anteil von zumindest einem Prozent. Geht es um Kinder mit Migrationshintergrund, geben OECD-weit 17 Prozent der Lehrer an, in Schulen zu arbeiten, an denen mindestens zehn Prozent der Kinder einen solchen aufweisen. Österreich sticht hier hervor: Ganze 48 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer arbeiten hierzulande an Schulen, an denen mindestens zehn Prozent der Kinder Migrationshintergrund haben.

Glaubt man den Schulleitungen, wird dieses Faktum großteils als Bereicherung angesehen: 95 Prozent der Direktorinnen und Direktoren gaben an, dass in der Lehrerschaft das Verständnis vorherrsche, dass Kinder und Jugendliche vom Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen profitieren.

Dass sich selbst die Jungen aus der Lehrerschaft nur ungenügend auf den Umgang mit neuen Medien im Unterricht vorbereitet fühlen, findet Bifie-Expertin Weilguny übrigens "irritierend". Konkret fühlen sich in diesem Bereich nur 20 Prozent der österreichischen Lehrkräfte kompetent, im OECD-Schnitt sind es 43 Prozent.

In folgenden Punkten deckt sich die Meinung der Lehrerschaft aus allen teilnehmenden Ländern: Es brauche kleine Klassengrößen (sagen 65 Prozent), höhere Gehälter (64 Prozent), sowie weniger administrative Aufgaben (55 Prozent). (Peter Mayr, Karin Riss, Valentino Filipovic/Grafik, 19.6.2019)