Die Markierungen, die "Madrid Central" und somit die Verkehrsbeschränkungen festlegen, sind bald wieder Vergangenheit.

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Madrid legt den Rückwärtsgang ein. Der am Samstag vom Stadtrat ernannte neue konservative Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida will die Innenstadt wieder für den Verkehr öffnen. Damit wird er eine der tiefgreifendsten Maßnahmen der bisherigen linksalternativen Stadtregierung unter Bürgermeisterin Manuela Carmena gegen die Luftverschmutzung zurücknehmen. Madrid ist damit die erste Stadt europaweit, die Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung wieder rückgängig macht.

Zwar gewann Carmena die Wahlen am 26. Mai haushoch, doch Almeidas Partido Popular schmiedete eine Mehrheit mit den rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtsradikalen Vox. Die drei Parteien wetterten den gesamten Wahlkampf über gegen die Verkehrsbeschränkungen unter dem Namen "Madrid Central" auf 472 Hektar Innenstadt.

Fahrverbote seit November

Seit November dürfen nur noch Elektroautos und Hybridfahrzeuge uneingeschränkt in die Innenstadt einfahren. Ausgenommen sind die Anwohner, deren Besucher sowie Fahrzeuge mit Sondergenehmigungen. Anwohner sowie Besitzer nichtkontaminierender Fahrzeuge dürfen auf der Straße parken. Alle anderen Fahrzeuge müssen ins Parkhaus. Absolutes Fahrverbot gilt für Benziner, die vor 2000, und Dieselfahrzeuge, die vor 2006 zugelassen wurden. Seit März werden Verstöße mit Geldstrafen geahndet.

Jetzt wird Almeida am 1. Juli die Kameras abstellen, die über das Einfahrverbot wachen und automatisch Bußgeldbescheide von 90 Euro verschicken. Ohne Strafzettel ist die Verkehrsberuhigung Geschichte, darin sind sich alle Experten einig.

Stau als "Identitätsmerkmal"

"Madrid Central muss aufhören zu existieren, denn es ist ein Fehlschlag", sagt Almeida. Seine Parteikollegin Isabel Díaz Ayuso, die künftig die Region rund um die Hauptstadt regieren wird, trauert gar den nächtlichen Staus am Wochenende nach, die es dank Madrid Central nicht mehr gibt. "Sie seien "ein Identitätsmerkmal Madrids" gewesen, sagt sie.

Aus den Verkehrsstatistiken lässt sich der "Fehlschlag" nicht ablesen. Der Verkehr in der Innenstadt hat auf den großen Straßen um bis zu 24 Prozent abgenommen. Die NO2-Werte gingen in der Innenstadt im Mai im Vergleich zum Vorjahr um 48 Prozent zurück, im gesamten Stadtgebiet um 16 Prozent. Auch Handel und Gastronomie litten nicht unter den Verkehrsbeschränkungen.

"Wenn Madrid Central rückgängig gemacht wird oder wenn nur einzelne kleinere Details verändert werden, führt dies unweigerlich zu einer Zunahme der Luftverschmutzung", warnt Juan Bárcena, der Sprecher von Ecologistas en Acción. Die Umweltschutzorganisation überlegt, in diesem Fall in Europa zu klagen.

Brüssel droht mit Strafen

Aus Brüssel kommt die größte Gefahr für die neue Stadtverwaltung und ihre Verkehrspolitik. Denn Spanien entkam 2017 nur knapp einer Klage seitens der EU-Kommission wegen der hohen Luftverschmutzung im Land, aber vor allem in Madrid und Barcelona. Das drohende Verfahren gegen Spanien wurde auf Eis gelegt, nachdem Madrid und Barcelona Maßnahmen gegen den innerstädtischen Straßenverkehr angekündigt hatten. Sollte das Verfahren wiederaufgenommen werden, drohen Strafen von über zwei Milliarden Euro. Der EU-Kommissar für Klimawandel, Miguel Arias Cañete, wie Almeida Mitglied des spanischen PP, warnte am Dienstag in Brüssel daher auch, dass "die Städte, die die Auflagen nicht erfüllen", bestraft werden können.

"Die EU verlangt kein Madrid Central, sie verlangt effiziente Ergebnisse im Kampf gegen die Kontamination", erklärte zuvor Almeida. Doch was er stattdessen gegen die Luftverschmutzung unternehmen will, ohne die von ihm gepriesene Freiheit der Bürger einzuschränken, darüber macht er keine Angaben. (Reiner Wandler aus Madrid, 18.6.2019)