Hier klafft eine Lücke: Minister Thomas Starlinger erläutert die Budgetprobleme des Bundesheers. Diese wurden seit Jahren ignoriert, die Rekruten wurden unzureichend ausgebildet, die Politik wollte nur sparen.

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Wien – Thomas Starlinger spricht von einem vom Biber angenagten Baum, der noch schützenden Schatten spendet, bald aber umfallen wird. Von Häuptlingen, die nicht viel ausrichten können, wenn sie keine Indianer haben. Von einem undichten Dach, das noch mehr Folgekosten verursacht, je länger es hineinregnet. Von einem Unternehmensberater, der dem Bundesheer, wäre es ein Unternehmen, für das kommende Jahr einen Konkurs voraussagen würde.

Er ist überzeugt, dass er mit plastischen Bildern überzeugen kann – auch Politiker. Selbst ist er ja keiner, er ist "aus tiefster Überzeugung Soldat"; und zwar einer, der bei der Truppe und keine Minute in der Bürokratie des Verteidigungsministeriums gedient hat.

Tägliche Lagebesprechung

Das sieht er als Vorteil – in seiner ersten Pressekonferenz berichtete Starlinger davon, dass er täglich eine Lagebesprechung mit den Sektionschefs mache.

Den Generalstab hat er beauftragt, die Lage des Bundesheeres in einem Weißbuch für das Parlament aufzuarbeiten. Die Grundlage dafür bietet eine schon früher im Jahr erschienene Broschüre des Generalstabs – und auch das Weißbuch ist keine ganz neue Erfindung: Es geht auf einen Entschließungsantrag des Nationalrats zurück und wurde zwischen 2004 und 2012 im Zweijahresrhythmus vorgelegt. Aber offenbar nicht gelesen. Dass es nicht mehr neu aufgelegt wurde, dürfte niemandem aufgefallen sein.

Denken an den Ernstfall

Nun aber hofft der Minister auf die Einsicht der Abgeordneten – und schildert, was er mit den Ministern der abgewählten Regierung erlebt hat, als eine Sicherheitslage durchgespielt wurde, in der eine Stromknappheit durchgespielt wurde: Schon wenn die Stromversorgung um 30 Prozent gedrosselt würde, könnte man in Wien an keinem einzigen Bankomaten mehr Geld abheben und in den höher gelegenen Stadtteilen und den oberen Stockwerken kein Wasser beziehen.

Feststecken im Aufzug

Tausende Menschen würden im Lift steckenbleiben. Auch die Tankstellen würden ausfallen. Und das großflächig: "Ein Blackout wie vorgestern in Argentinien kann auch bei uns passieren." Wegen technischer Probleme. Oder wegen eines Cyberangriffs: "Es ist völlig illusorisch, dass wir Vorwarnzeiten hätten. Na, die werden anrufen und sagen: In drei Monaten machen wir einen Cyberangriff – bildet mal dafür die Leute aus."

Tatsächlich würden die Verantwortlichen die Probleme erkennen, wenn man sie anschaulich erkläre, ist Starlinger überzeugt. Und er attestiert der Regierung Kurz, dass sie durchaus "ein tolles Regierungsprogramm" für die Landesverteidigung gehabt hätte – die Ernüchterung sei aber mit dem ersten Budgetbrief gekommen

Allein im Vergleich zum Regierungsprogramm fehlten dem Bundesheer drei Milliarden Euro für drei Jahre.

Keine feldverwendungsfähigen Soldaten

Unverblümt sagt der Minister, dass es schon seit Jahren nicht mehr gelinge, aus Rekruten in der vorgesehenen Ausbildungszeit feldverwendungsfähige Soldaten zu machen – und das werde noch schlimmer, wenn man wegen Sonderprojekten wie der Luftfahrtshow Airpower Budget aus der Ausbildung abziehen müsse. Dann fehlten die Überstunden der Ausbildner – und sogar die Munition für die Ausbildung an der Waffe. Schon jetzt sei die Miliz, also das eigentliche Einsatzheer, das in kritischen Lagen etwa zum Objektschutz herangezogen würde, nicht einsatzbereit.

Es fehle schlicht an allem, "wir haben eine Struktur, die aus sehr vielen Hohlräumen besteht". Diese zu füllen obliege der nächsten Regierung, er könne dafür nur Planungsgrundlagen liefern. (Conrad Seidl, 19.6.2019)