Für Veranlagungen, zu denen vor allem Wertpapiere wie Aktien und Anleihen gehören, muss vor einem öffentlichen Angebot ein von der Finanzmarktaufsicht gebilligter Prospekt veröffentlicht werden.

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Mit der unmittelbar anwendbaren Prospektverordnung und der neuen Aktionärsrechte-Richtlinie setzt die EU weitere Maßnahmen zur Verwirklichung der Kapitalmarktunion. Hierzu wird vor allem die Position der Anleger dadurch gestärkt, dass neue Mitwirkungsrechte geschaffen, die Transparenz erhöht und die Informationsvermittlung verbessert werden. Gleichzeitig soll als wirtschaftsfördernde Maßnahme kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) die Finanzierung über den Kapitalmarkt erleichtert werden.

Für Veranlagungen, zu denen vor allem Wertpapiere wie Aktien und Anleihen gehören, muss vor einem öffentlichen Angebot ein von der Finanzmarktaufsicht gebilligter Prospekt veröffentlicht werden. Die Prospektverordnung, die ab 21. 7. 2019 vollständig in Geltung sein wird, harmonisiert die Bestimmungen über Prospekte für Wertpapiere und bringt wesentliche Neuerungen.

Erleichterter Zugang zu Kapital

Wesentlich ist vor allem das Anheben des Grenzwerts für die Prospektpflicht bei Wertpapieren auf eine Million Euro; bleibt das Gesamt Volumen des öffentlich angebotenen Wertpapiers eines Emittenten im Laufe eines Jahres unter diesem Betrag, muss kein Prospekt erstellt werden. Dadurch wird Unternehmen ein erleichterter Zugang zu Kapital geboten, weil die Prospektkosten entfallen, sodass auch kleine Unternehmen mit einem geringen Emissionsvolumen (etwa bei einer Anleihe zur Finanzierung einer Investition) den Kapitalmarkt nutzen können.

Die Verordnung verbessert auch für Anleger den Zugang zu Informationen: Vor allem wird der Umfang für den Prospekt festgelegt und die erforderlichen Informationen genauer definiert, sodass in Zukunft – zur besseren Verständlichkeit der Anleger – Prospekte kürzer und klarer gefasst werden können.

Gleichzeitig wird die Prospekt Zusammenfassung angepasst. Sie soll auf maximal sieben leicht lesbare Seiten gekürzt und in einem verständlichen Sprachstil gefasst werden. Für interessierte Anleger werden künftig sämtliche Prospekte bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde online und mit einer Suchfunktion kostenlos bereitgestellt.

Generell werden Prospekte in Zukunft grundsätzlich in elektronischer Form – und nur noch auf Verlangen des Anlegers in Papierform – zur Verfügung gestellt. Dies führt nicht nur zu einer Verringerung des Verwaltungsaufwands, sondern hat voraussichtlich auch Auswirkungen auf die immer strengere Haftung der Berater. Anleger werden sich wohl nicht mehr erfolgreich darauf berufen können, den Prospekt nicht gekannt zu haben.

Stärkung der Aktionärsrechte

Auch für Aktionäre gibt es durch die "zweite Aktionärsrechte-Richtlinie" wesentliche Änderungen. Sie soll die Stellung der Aktionäre stärken und die europaweite Ausübung von Aktionärsrechten erleichtern. Erreicht werden soll dies vor allem durch besondere Anforderungen an die Identifizierung der Aktionäre: Den Unternehmen soll ermöglicht werden, ihre Aktionäre zu kennen ("know your shareholder"), um eine direkte Kommunikation zwischen dem Unternehmen und seinen Aktionären zu ermöglichen. Hierzu werden die sogenannten Intermediäre (also vor allem Depotbanken und Wertpapierfirmen) verpflichtet, den Unternehmen die (Kontakt-)Daten ihrer Aktionäre bekanntzugeben.

Zudem soll eine gesteigerte Transparenzpflicht für institutionelle An leger (wie Versicherungen oder Pensionskassen), Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater eingeführt werden ("comply or explain"): Erstere sollen eine Mitwirkungspolitik ausarbeiten und öffentlich bekannt geben, wie sie Aktionäre in ihre Anlagestrategie integrieren und wie die Mitwirkungspolitik umgesetzt wurde. Stimmrechtsberater (das sind Unternehmen/Personen, die Aktionäre bei der Ausübung ihres Stimmrechts unterstützen und sie in Hauptversammlungen allenfalls auch vertreten) müssen künftig öffentlich auf einen Verhaltenskodex Bezug nehmen, den sie anwenden, sowie ihre Kunden über (tatsächliche und potenzielle) Interessenkonflikte aufklären und offenlegen, wie sie zu ihren Empfehlungen kommen.

Der Hauptversammlung sollen außerdem Mitspracherechte im Bereich der Vergütung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates ("say on pay") und bei Geschäften mit dem Unternehmen nahestehenden Personen oder Unternehmen ("related party transactions") eingeräumt werden.

Kleinaktionäre bleiben anonym

Die Aktionärsrechte-Richtlinie musste bis 10. 6. 2019 in nationales Recht umgesetzt werden. In Österreich wird dies durch Änderungen des Börse- und des Aktiengesetzes geschehen, die voraussichtlich im Juli in Kraft treten werden. Der österreichische Gesetzgeber hat dabei den bei der Umsetzung eingeräumten Spielraum genutzt und sich für eine zurückhaltende Umsetzung der Richtlinie entschieden.

Unternehmen dürfen die Identität nur von solchen Aktionären einholen, die zumindest 0,5 Prozent der Aktien halten und daher für die Aktiengesellschaft von gewisser Bedeutung sind. Somit sind Klein- und Kleinstaktionäre von dieser Regelung nicht erfasst. Dies bringt nicht nur die Sicherheit für Kleinaktionäre, dass ihre Daten nicht weitergegeben werden, sondern auch eine Verwaltungsvereinfachung für Banken und Wertpapierfirmen.

Auf der anderen Seite erschwert es die Kommunikation von börsenotierten Unternehmen mit ihren Kleinaktionären.

Um den Aktionären die Teilnahme an Abstimmungen zu erleichtern, werden die Unternehmen und die Intermediäre als "Mittelsmänner" verpflichtet, den Aktionären jene Unterlagen in standardisierter Form zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um ihre Rechte auszuüben (z._B. Informationen über die Hauptversammlung). Kurz gesagt: Für die Aktionäre soll es deutlich einfacher werden, ihr Stimmrecht auszuüben und die dafür erforderlichen Informationen zu erhalten.

Vergütung ist Aufsichtsratssache

Nach der Richtlinie wäre es möglich gewesen, die Aktionäre über die Vergütung der Geschäftsleitung entscheiden zu lassen. Der österreichische Gesetzgeber hat sich aber dafür entschieden, den Aufsichtsrat die Vergütung festlegen zu lassen. Sowohl das Votum der Hauptversammlung über die ihr vorgelegte Vergütungspolitik als auch das Votum über den Vergütungsbericht haben nur empfehlenden Charakter. Zahnlos wird dieses Instrument dennoch voraussichtlich nicht sein. Denn um Haftungsrisiken zu vermeiden, werden Aufsichtsrats mitglieder die "Empfehlungen" wohl entsprechend berücksichtigen. (Gregor Schett, Stefan Adametz, 19.6.2019)