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"Die Geschichte der Menstruation ist eine Geschichte voller Missverständnisse": Diesen Satz aus dem Tampon-Werbespot haben vermutlich viele noch im Ohr. "Bettina Schmitz, Journalistin" wollte Anfang der 1990er-Jahre mit uns über "das Tabu der Menstruation" sprechen und redete dann doch nur über die Tamponmarke o.b.: "Man sieht nichts, man riecht nichts, und außen bleibt alles angenehm sauber", pries Schmitz das Produkt an.

Der bekannte und oft persiflierte Werbespot steht prototypisch für das, was Werbung für Menstruationsprodukte seit jeher ausmacht: Das Tabu der Menstruation wird hier reproduziert und verstärkt.

O.b.-Werbung aus dem Jahr 1994.
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Doch gehen wir zurück an die Anfänge der Anzeigen für sogenannte Monatshygieneprodukte. Spezielle Artikel für die Monatshygiene wurden erst Ende des 19. Jahrhunderts in Massen gefertigt und beworben. Das Auffangen des Menstruationsbluts in "Binden", die mit einem Gürtel an der Hüfte befestigt wurden, wurde vor allem als gesundheitliche und hygienische Maßnahme verstanden. In Frauenzeitschriften und Tageszeitungen am Ende des 19. Jahrhunderts finden sich kleine Werbeanzeigen von Drogisten oder Gummiwarenhändlern, die "Gesundheitsbinden" und dazugehörige "Dianagürtel" verkaufen. Über die Funktion der Produkte wurde meist geschwiegen.

Eine Anzeige in der Wiener Wochenzeitung "Das interessante Blatt" aus dem Jahr 1913. Der "Dianagürtel" hielt die auswechselbaren Binden am Körper.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek/ ANNO

Weder das Wort "Menstruation" noch das Wort "Blut" war in diesen Anzeigen zu lesen. In einem Handbuch für die Fortbildung des "praktischen Arztes" aus dem Jahr 1914 werden die Binden und Gürtel als "Vorlagen für das Auffangen der Abgänge bei der Menstruation" bezeichnet.

Moos und Secrete

Etwas offensiver bewarb die deutsche "Verbandsstoff Fabrik von Paul Hartmann" ihre Produkte: "Unentbehrlich für Damen! sind Hartmann's Gesundheits-Binden mit Patent-Holzwollwatte-Füllung in verschiedenen Qualitäten und Preislagen. Man verlange ausdrücklich 'Hartmann's Original'-Befestigungsgürtel hierzu", heißt es in der Anzeige. Hartmann bietet dazu auch eine kostenlose Broschüre eines Arztes an, mit dem Titel "Diskrete Ratschläge".

Ausdrücklicher und nachdrücklicher pries Moritz Marwede seine Produkte an. Der deutsche Unternehmer entdeckte, dass das Torfmoos antiseptische Eigenschaften hat, und gründete 1888 eine "Fabrik für Chirurgische Moospräparate". Marwede verkaufte jahrzehntelang sehr erfolgreich Krampfadernstrümpfe, Gummihandschuhe und Monatsbinden.

Eine Marwede-Anzeige aus dem "Blatt der Hausfrau" im Jahr 1895.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek/ANNO

In seiner Anzeige für die "Moosbinden" wendet er sich direkt an die Frauen und argumentiert aus medizinischer Sicht. Der Werbetext erinnert daran, dass "die Notwendigkeit des Tragens einer geeigneten Binde von allen Ärzten anerkannt" werde. "Es ist darüber schon so viel von Autoritäten geschrieben worden, dass darüber kein weiteres Wort zu verlieren ist!", heißt es nachdrücklich und für die Ohren der modernen Konsumentin ungewöhnlich autoritär. Es folgt die Aufzählung der Vorzüge der "Moosbinde": "Es findet von vornherein eine gleichmäßige Verteilung der Secrete durch die ganze Binde statt", verspricht Marwede.

Stimmungsmacher

Zusammen mit dem Umbruch des Frauenbildes und mit dem Aufkommen der "arbeitenden Frau", die in der Öffentlichkeit leistungsfähig sein muss, verändern sich auch die Werbestrategien für Menstruationsprodukte. "Paul Hartmanns Gesundheitsbinden" versprechen 1931 "Leistungsfähigkeit und Lebensfreude". Die Binden seien vor allem für die "berufstätige Frau von größter Wichtigkeit", denn sie befreien sie von "dem ängstlichen Gefühl, durch körperliche Ungepflegtheit und andere Peinlichkeiten in ihrer Umgebung aufzufallen".

Camelia wirbt mit Pflicht.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek/ANNO

Das Versprechen der "Unbeschwertheit" durch Binde oder Tampon zog sich jahrzehntelang durch die Werbeanzeigen. Ebenso wie "Sicherheit, Frische und Schutz", ein Slogan, den die deutsche Marke Camelia bereits 1931 kreierte. "Man wird der fortschrittlichen Frau nicht anmerken, wenn sie einmal nicht auf der Höhe ist", lautet das Versprechen.

"Anschluss"

Die Firmen und Marken reagierten nicht nur auf das veränderte Lebensgefühl der Frauen oder auf die neuen Rollenzuschreibungen, sie bezogen sich auch auf politische Umbrüche. So entstand auch das skurrile Sujet zu Camelia, das im November 1938 in der österreichischen Zeitschrift "Mocca" abgedruckt wurde: Camelia wird billiger – durch den "Anschluss". Während der Kriegsjahre 1941 bis 1945 warb das Unternehmen mit "Gesundheit" und "unermüdlicher Arbeitsfreude".

Camelia in der Ostmark.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek/ANNO

Mit dem ersten Tampon für die Massenproduktion, der zunächst in den USA unter dem Markennamen Tampax verkauft wurde, rückte die Werbung "Hygiene und Sicherheit" wieder in den Vordergrund. Nichts sehen, nichts spüren, nichts riechen. Das war jahrzehntelang die oberste Maxime, in der Gesellschaft und damit auch in der Werbung.

"Diskret"

Die Tabuisierung der Monatsblutung wurden am einzigen öffentlichen Ort, an dem Menstruation überhaupt vorkam – nämlich der Werbung in Massenmedien –, über hundert Jahre lang befördert. Die Binden wurden als dünn und diskret angepriesen, die Tampons als saugfähig und unsichtbar. "Unsichtbar und verborgen bleibt auch die Blutung selbst. Gezeigt wird lediglich die Funktionalität, die möglichst gut und einfach verbergen soll und Berührungen mit dem Blut weitgehend ausschließt", sagt Aglaja Przyborski, Professorin für Psychotherapie an der Bertha-von-Suttner-Privatuniversität.

Was erwarten Italienerinnen von einem Tampon, und was deutsche Frauen? Ein Werbespot für Tampax.
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Das Menstruationsblut wurde in der Werbung ein ganzes Jahrhundert lang, wenn überhaupt, ausschließlich als blaue Flüssigkeit dargestellt. "Die blaue oder lila Flüssigkeit ersetzt etwas und verbirgt es damit. Und das hat weniger damit zu tun, dass man Blut an sich nicht zeigen will, denn das zeigt man in Filmen auch. Was hingegen verborgen wird, ist der natürliche Vorgang, der bei jeder gesunden Frau etwa vier Dekaden lang jeden Monat stattfindet", sagt Przyborski.

Die "Generation Insta" setzt auf umweltschonend.

Anpassung statt Revolution

Es ist daher wenig überraschend, dass ein Werbespot eines britischen Unternehmens als revolutionär gefeiert wurde, in dem erstmals Blut floss – im Jahr 2016. Der dazugehörige Slogan lautete: "Menstruation ist normal. Sie zu zeigen sollte es ebenso sein." Damit riskierte der Bindenproduzent nicht viel, im Gegenteil: Die Kampagne sprang lediglich auf die aufkommende Bewegung der Period Pride und Period Positivity auf.

Derzeit ist es eher still um die großen Marken im Bereich der Monatshygiene geworden. Die letzte größere Kampagne des Marktführers Always setze auf Empowerment. In den #LikeaGirl-Werbespots zeigen Mädchen, dass Mädchen alles können, ohne dass eine einzige Binde mithilfe der berüchtigten "Flügel" durchs Bild flattert.

Ökologisch und politisch menstruieren

"Die Monatshygiene-Werbung ist derzeit weniger präsent. Das mag mit einer Veränderung weiblicher und männlicher Identitätsnormen zu tun haben. Es herrscht nicht nur bei den Herstellern von Monatshygiene eine gewisse Neuorientierung, wie 'Mann' und 'Frau' sich in der jungen Generation präsentieren. Zudem nehme ich an, dass man sich den Kopf über die Implementierung eines ökologischen Statements zerbricht", sagt Aglaja Przyborski.

Ökologisch oder eben politisch, das ist der Hebel, mit dem derzeit das einstige große Tabu, das zunehmend keines mehr ist, beworben wird Den heurigen Grand Prix beim Werbefestival in Cannes in der Kategorie PR gewann "The Tampon Book" für The Female Company. Mit den Projekt thematisieren eine Berliner Agentur und ein Online-Startup für Hygieneprodukte die ungerecht Tatsache, dass Tampons höher besteuert werden als beispielsweise Kaviar oder andere Luxusprodukte. Auch Bücher werden nur mit 7 anstatt 19 Prozent versteuert. Hier liegt die Idee des Auftritts: Ein Buch, dass nicht nur geschlechterspezifische Ungerechtigkeiten thematisiert, sondern obendrein eine Box für die Bio-Tampons von The Female Company ist.

Als gesündere, ökologische und sogar feministische Variante der Monatshygiene werden seit einiger Zeit Menstruationstassen gehypt. Man findet sie vor allem auf Instagram, dort, wo sich die junge Zielgruppe befindet. #MenstruationMatters und #periodparty wollen mit dem Tabu der Menstruation ein für alle Mal aufräumen. Eine ganze Branche und ihre Marketingabteilungen müssen sich jetzt von "Diskretion" auf #Pride umstellen. (Olivera Stajić, 20.6.2019)