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Shanhan zieht seinen Hut.

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Washington – Mitten im Konflikt mit dem Iran kommt es zu einem erneuten Wechsel an der Spitze des US-Verteidigungsministeriums. Der geschäftsführende Minister Patrick Shanahan will das Pentagon nun doch nicht dauerhaft leiten und auch sein Amt als Vize-Verteidigungsminister aufgeben. Shanahan wollte offenbar verhindern, dass bei Senatsanhörungen frühere Gewalttaten in seiner Familie breitgetreten werden.

Präsident Donald Trump teilte am Dienstag auf Twitter mit, Shanahan werde den Prozess zur Nominierung als Verteidigungsminister nicht weiter verfolgen und stattdessen seiner Familie mehr Zeit widmen.

Trump hatte den 56-jährigen früheren Boeing-Manager erst vor knapp sechs Wochen als dauerhaften Chef des Verteidigungsministeriums nominiert. Der Präsident schrieb auf Twitter, Shanahan habe einen "wundervollen Job" gemacht. Die geschäftsführende Leitung des Pentagons werde Mark Esper übernehmen. Esper ist bisher "Secretary of the Army" und damit der hochrangigste Zivilist im US-Heer, der direkt dem Verteidigungsminister unterstellt ist.

Familienangelegnheit

Trump sagte vor seinem Abflug zu einer Wahlkampfveranstaltung in Florida, er habe Shanahan nicht um dessen Rückzug gebeten. Bei dessen Entscheidung hätten Familienangelegenheiten eine Rolle gespielt.

Shanahan teilte mit, er gehe davon aus, dass der Nominierungsprozess im US-Senat "meine drei Kinder gezwungen hätte, ein traumatisches Kapitel in unserem Familienleben wieder zu durchleben, und Wunden wieder geöffnet hätte, die Jahre zur Heilung benötigten". Die "Washington Post" berichtete am Dienstag über frühere Gewalttaten in Shanahans Familie – unter anderem einen Angriff des damals 17-jährigen Sohnes auf die von Shanahan getrennt lebende Ehefrau mit einem Baseball-Schläger im November 2011.

Shanahan hatte seinen Sohn danach in Schutz genommen. Er sagte der "Washington Post" in Gesprächen am Montag und Dienstag, er habe damals nicht gewusst, wie schwer die Verletzungen waren, die der Sohn der Mutter zugefügt hatte. Die Zeitung berichtete, bereits im August 2010 sei es zu Gewalt zwischen Patrick Shanahan und seiner damaligen Ehefrau gekommen. Shanahans Darstellung zufolge habe ihn seine Ehefrau unter anderem ins Gesicht geschlagen. Sie habe der Polizei gegenüber angegeben, er habe ihr in den Bauch geschlagen. Der Gerichtsakt zur Scheidung habe später mehr als 1500 Seiten umfasst.

Übergabeplan wird koordiniert

Ein genauer Zeitpunkt für Shanahans Rücktritt wurde nicht genannt. Shanahan teilte mit, er habe nach gründlicher Überlegung darum gebeten, sich vom Nominierungsprozess zurückziehen zu dürfen, und werde sein Amt als Vize-Verteidigungsminister niederlegen. Die Erarbeitung eines Übergabeplanes werde er noch koordinieren.

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Esper folgt.
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Der Senat hätte Shanahans Berufung zum dauerhaften Pentagon-Chef zustimmen müssen. Teil des Nominierungsprozesses sind Anhörungen, bei denen die Familiengeschichte vermutlich vor einer breiten Öffentlichkeit diskutiert worden wäre.

Shanahan war seit 2017 Vize-Verteidigungsminister und Anfang 2019 zum kommissarischen Pentagon-Chef aufgerückt, nachdem der frühere Verteidigungsminister James Mattis wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Präsidenten seinen Rücktritt eingereicht hatte. Shanahan leitet das Pentagon nun seit mehr als fünf Monaten übergangsweise – und ist damit der am längsten nur geschäftsführend amtierende Minister an der Spitze des mächtigen Apparats.

Weder militärische, noch politische Erfahrung

Der 56-Jährige hatte drei Jahrzehnte lang für Boeing gearbeitet, bevor Trump ihn 2017 zum stellvertretenden Verteidigungsminister machte. Militärische Erfahrung hatte Shanahan seinerzeit keine, politische auch nicht. Shanahan selbst sagte damals zu seinem Wechsel ins Pentagon: "Es ist so, wie wenn man sich nach vielen Jahren von seiner Freundin trennt und dann die Liebe seines Lebens trifft."

Shanahan sah sich als Vize-Verteidigungsminister einer internen Untersuchung ausgesetzt, weil es Vorwürfe gab, er habe im Pentagon Maßnahmen ergriffen, um seinen früheren Arbeitgeber Boeing gegenüber Wettbewerbern zu begünstigen. Eine interne Kontrollinstanz des Ministeriums fand allerdings keine Beweise für die Anschuldigungen. Shanahan galt aber nicht zuletzt deswegen als angeschlagen. Mehrere Senatoren – darunter auch Republikaner – äußerten sich in den vergangenen Monaten kritisch über seine Qualifikation für das Amt.

Der Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums fällt in bewegte Zeiten. Nach ungeklärten Angriffen auf zwei Tanker im Golf von Oman wächst die Angst vor einer militärischen Eskalation zwischen den USA und dem Iran. Shanahan hatte erst am Montagabend in Washington angekündigt, zu "Verteidigungszwecken" rund 1000 weitere Soldaten in den Nahen Osten zu entsenden. Die US-Regierung macht Teheran für die Attacken auf die Öltanker verantwortlich. Die iranische Führung weist die Anschuldigungen zurück. (APA, 19.6.2019)