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Jamal Khashoggi wurde im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet. Die Spur führt ins Herrscherhaus in Riad.

Foto: REUTERS/Osman Orsal

Genf – Eine Uno-Berichterstatterin sieht "glaubwürdige Hinweise", die es rechtfertigten, die Verantwortung des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman für die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi zu prüfen. Agnes Callamard stellte am Mittwoch zudem fest, dass für den Mord "der Staat Saudi-Arabien verantwortlich" gewesen sei.

Die Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Exekutionen fordert in ihrem 100-seitigen Bericht an den UN-Menschenrechtsrat Generalsekretär António Guterres auf, eine internationale Untersuchung einzuleiten.

Brutaler Mord

Der "Washington Post"-Kolumnist Khashoggi, der zahlreiche kritische Artikel über das saudische Königshaus veröffentlicht hatte, war im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem eigens aus Riad angereisten Spezialkommando ermordet worden, als er Papiere für seine Hochzeit abholen wollte. Das hat die saudische Führung nach internationalem Druck eingeräumt und elf Männer vor Gericht gestellt.

Kronprinz Mohammed bin Salman war mehrfach als Drahtzieher der Tat verdächtigt worden. Der US-Senat machte den Thronfolger auf Grundlage von Geheimdiensterkenntnissen für Khashoggis Tod verantwortlich.

Callamard forderte außerdem internationale Sanktionen gegen den Kronprinzen und sein Vermögen. Zwar gelte für jeden immer die Unschuldsvermutung. Aber bei anderen Sanktionen werde darauf auch keine Rücksicht genommen.

Lahme Reaktion

Sie kritisierte eine in ihren Augen lahme internationale Reaktion, auch, wenn einige Staaten Sanktionen verhängt hätten. "Diese müssen fortgesetzt werden. Sie sind wichtig, aber unzureichend", erklärte Callamard. "Diese Sanktionen gegen 17 Personen vernebeln die Tatsache, dass der Staat verantwortlich ist."

Nach Einschätzung Callamards ist es nicht glaubhaft, dass die Entsendung des saudischen Mordkommandos ohne das Wissen des Kronprinzen erfolgte. Er habe allgemein die Verfolgung von Dissidenten zugelassen. Außerdem hätte die Zerstörung der Beweismittel nach dem Mord im Konsulat in Istanbul nicht stattfinden können, ohne dass der Kronprinz Bescheid wusste.

"Glaubhafte Hinweise"

"Die Sonderberichterstatterin ist zu dem Schluss gekommen, dass es glaubhafte Hinweise gibt, die weitere Untersuchungen zur individuellen Verantwortung ranghoher saudischer Vertreter, einschließlich des Kronprinzen, rechtfertigen", schrieb Callamard.

"Zur Schuld ist es zu keiner abschließenden Beurteilung gekommen. Der einzige Schluss ist, dass es glaubhafte Belege gibt, die weitere Untersuchungen durch geeignete Behörden verdienen, um festzustellen, ob die Schwelle krimineller Verantwortung überschritten worden ist."

Es sei viel darüber spekuliert worden, ob Kronprinz Mohammed bin Salman persönlich den Auftrag zur Ermordung Khashoggis gegeben habe, schrieb Callamard. Diese Konzentration auf einen möglichen Befehl und die Suche nach einem "rauchenden Colt" wecke Erwartungen, die womöglich nicht erfüllt werden könnten. Es sei bei Menschenrechtsverletzungen mindestens genauso wichtig, diejenigen zu identifizieren, die ihren Einfluss und ihre Macht ausgenutzt hätten; die nicht so sorgfältig gehandelt hätten, wie es ihr Amt verlange. (APA, red, 19.6.2019)