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Frankfurt/Sintra – EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Europäische Zentralbank (EZB) vor Kritik an ihrem geldpolitischen Kurs in Schutz genommen. "Es ist so unfair, Zentralbanken anzugreifen, wenn es um ihre Unabhängigkeit geht", sagte Juncker am Mittwoch bei der EZB-Notenbankkonferenz im portugiesischen Sintra.

Es sei nun einmal eine Stärke von Zentralbankern, Märkte mit einem einzelnen Satz in einer Rede zu bewegen. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump die EZB kritisiert und die Wechselkursauswirkungen als "unfair" bezeichnet.

Am Vortag hatte EZB-Präsident Mario Draghi mit der Aussicht auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik heftige Bewegungen an den Finanzmärkten ausgelöst. Draghi hatte gesagt, sollten sich der Ausblick für die Konjunktur nicht verbessern und die Inflation im Euroraum nicht anziehen, seien "zusätzliche Stimuli" erforderlich.

Billiger Euro erzürnt Trump

Die Signale der EZB beflügelten die Aktienmärkte und setzten den Euro unter Druck. Zeitweise rutschte der Kurs der Gemeinschaftswährung unter die Marke von 1,12 US-Dollar. Ein billigerer Euro erleichtert Ausfuhren aus Euro-Ländern. Waren aus der Eurozone werden also in den USA preislich attraktiver als US-Produkte.

Trump hatte mit scharfer Kritik reagiert: "Mario Draghi hat gerade angekündigt, dass weitere Stimuli kommen könnten, was den Euro gegenüber dem Dollar sofort fallen ließ", schrieb Trump auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dies mache es "ihnen" – gemeint sind vermutlich die Euroländer – zu Unrecht leichter, gegen die USA im Wettbewerb anzutreten, führte Trump aus. "Damit kommen sie seit Jahren durch, zusammen mit China und anderen." Zudem steige der deutsche Leitindex Dax aufgrund von Draghis Aussagen: "Sehr unfair gegenüber den Vereinigten Staaten!", twitterte Trump.

Kritik aus Deutschland

In Deutschland warnte der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach vor einer weiteren Lockerung der Geldpolitik. "Die offensichtlich unabgestimmte Äußerung von EZB-Präsident Mario Draghi zu neuerlichen geldpolitischen Maßnahmen ist ein Alarmsignal für die Seriosität der europäischen Notenbank", sagte Michelbach am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Es sei offensichtlich der Versuch, über das Ende seiner Amtszeit hinaus Fakten zu schaffen. "Das ist mehr als fragwürdig."

Draghi hatte am Dienstag neue Konjunkturhilfen angedeutet, obwohl Insidern zufolge unter den Währungshütern Uneinigkeit über die nächsten Schritte herrscht. Einige hätten sich überrumpelt gefühlt. Die Amtszeit des Italieners, der die Leitzinsen bereits auf 0,0 Prozent gesenkt hat und für billionenschwere Anleihenkäufe steht, endet im Oktober. Als möglicher Nachfolger wird aus Deutschland Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gehandelt, der immer wieder vor den Nebenwirkungen der lockeren Geldpolitik gewarnt hat.

Michelbach sagte, der Draghi-Kurs sei kein Erfolg, er habe seine selbstgesetzten Ziele nicht erreicht. "Und nun will er angesichts einer nachlassenden Wachstumsdynamik, die wesentlich durch den Zollkrieg der USA bestimmt wird, den falschen Kurs auch noch verschärft fortsetzen." (APA, dpa, 19.6.2019)