Das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (Kaiciid) in Wien muss zusperren.

"Zack, zack, zack" wollte HC Strache bei der "Kronenzeitung" aufräumen und ein paar ihm unliebsame Journalisten hinauswerfen lassen.

"Zack, zack, zack" dachte wohl auch Peter Pilz, als er vergangene Woche den Antrag in den Nationalrat einbrachte, das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (Kaiciid) in Wien zuzusperren.

Während das zackige Auftreten dem Rechtspopulisten Strache seinen Job als Parteichef kostete, versucht der Linkspopulist Pilz gerade, mit zackigen Vorgaben die österreichische Politik aufzumischen und so Wasser auf die Mühlen seiner schwächelnden Formation zu leiten, wenn möglich gerade noch rechtzeitig vor den Wahlen im September.

Hauruck-Verfahren

Im Hauruck-Verfahren beschlossen die im Nationalrat vertretenen Parteien letzte Woche, sich des Kaiciid zu entledigen. Vielen was das Zentrum schon lange ein Dorn im Auge. Um "ein starkes Zeichen nach Saudi-Arabien zu schicken", tönte Pilz.

Das mag ihm womöglich sogar gelungen sein. Allerdings hat das Parlament auch ein starkes Zeichen ausgesendet, wie erbärmlich der Zustand der österreichischen Politik gerade ist, und wie diejenigen, die Politik nicht nur mit Leidenschaft, sondern auch mit Sachverstand betreiben, mehr und mehr ins Hintertreffen geraten.

Populismusvirus

Man darf sich nichts vormachen: Das passiert nicht nur auf der politischen Rechten, wo es sich die ÖVP nicht nehmen ließ, in letzter Sekunde auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Auch die Linke ist vom Populismusvirus infiziert.

Es war die SPÖ, einst Partei kluger Staatsmänner vom Schlage eines Heinz Fischer oder Franz Vranitzky, welche am Pfingstmontag in einer Aussendung des Geschäftsführers Thomas Drozda den Abrissbagger ins Rollen brachte und die sofortige Schließung des KAICIID verlangte. Da konnte Peter Pilz natürlich nicht länger zuwarten, verstand er sich doch als Speerspitze der Bewegung gegen das "saudische Zentrum".

"Mit Kindermördern gibt es keinen Dialog!", tönte der Jetzt-Politiker und brachte flugs seinen Entschließungsantrag ins Parlament ein. Zwei Stunden später war er bereits angenommen, und der Rest ist Geschichte.

Warum nicht die Opec rauswerfen?

Es bleibt natürlich das Geheimnis des Peter Pilz, warum man ausgerechnet am Kaiciid ein Exempel statuieren musste. Wäre es ihm und seinen Kreuzrittern für die Menschenrechte in Saudi-Arabien ernst gewesen, hätten sie dann nicht den Abbruch der bilateralen Geschäftsbeziehungen mit Saudi-Arabien verlangen oder zum Beispiel der Opec die Akkreditierung in Wien entziehen müssen?

Soweit wollten die Abgeordneten dann aber nicht gehen. Ein Bauernopfer – und mehr ist das Kaiciid nicht – reichte ja, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Geschäfte laufen also weiter – nur das Abdullah-Zentrum kann jetzt einpacken.

Kaiciid-Schließung das richtige Signal?

Man fragt sich: Sieht so fortschrittliche österreichische Politik aus? Macht es Sinn, ausgerechnet jenes Zentrum zu schließen, mit dem Saudi-Arabien zaghaft, aber durchaus ernsthaft, versuchte, sich dem Dialog mit anderen Religionsgemeinschaften und dem Westen zu öffnen und ihn sogar aktiv zu fördern? Glauben Pilz & Co. wirklich, so das richtige Signal zu senden?

Selbst Karin Kneissl, bis vor ein paar Wochen Außenministerin im Auftrag der FPÖ, brachte ihr Befremden zum Ausdruck: "Wir waren auf einem guten Wege, das Zentrum neu aufzustellen… Sie [das Kaiciid] haben sich angestrengt, wir waren in einem permanenten Dialog."

Peter Pilz war das natürlich egal. Es ging ihm nicht um die Sache, um die Reform des Kaiciid, sondern um die Symbolik. Die Ironie des Ganzen: Pilz verfährt dabei ähnlich wie Viktor Orbán in Ungarn, eigentlich sein politischer Erzfeind, aber scheinbar ein Bundesgenosse im Geiste. Orbán hat die Central European University und die Soros-Stiftung hochkant aus dem Land geworfen, weil er innenpolitisch ein Feindbild brauchte.

Pilz' populistische Symbolpolitik

Diese Form der populistischen Symbolpolitik ist ungefähr so zielführend wie einst Don Quijotes Kampf gegen die Windmühlen. Peter Pilz ist der österreichische Don Quijote von heute. Wie bei der Figur des Cervantes kann man bei Pilz natürlich lang und breit diskutieren, ob er nun ein leicht verschrobener Idealist ist oder doch nur ein großer Narr. Die Räder der Windmühlen, oder sagen wir besser: die saudischen Erdölbohrmaschinen, drehen sich jedenfalls munter weiter.

Dass SPÖ und ÖVP, die es eigentlich besser wissen müssten, für Pilz und die FPÖ zum "Hilfspopulisten", zum Sancho Panza des Don Quijote gemacht wurden, zeigt, wie ängstlich diese beiden Parteien mittlerweile agieren. Waren es nicht sozialdemokratische Bundeskanzler und ÖVP-Außenminister gewesen, die 2011 für die Gründung des Kaiciid und seine Ansiedelung in Wien gekämpft hatten? War es nicht die österreichische Seite gewesen, die damals den Namen "König-Abdullah-Zentrum" vorgeschlagen hatte?

Die Argumente für und gegen das Kaiciid waren damals übrigens dieselben wie heute. Was hat sich denn geändert? Man hört nun vielerorts, dass sich die Erwartungen, die in das Zentrum gesteckt wurden, nicht erfüllt hätten. Das mag schon sein; darüber hätte man auch reden können.

Aber ging es wirklich darum? Hat sich die österreichische Politik überhaupt ernsthaft mit dem Kaiciid befasst und sich engagiert? Zweifel sind jedenfalls angebracht.

Sancho Panza und die Blitzableiter

War das Zentrum nicht vielmehr ein bequemer Sündenbock, auf den man ab und an einprügeln konnte, um der heimischen Öffentlichkeit eine politisch korrekte Haltung vorzugaukeln, ohne tatsächlich etwas tun zu müssen für die Verbesserung der Lage in Saudi-Arabien?

Um im Bild zu bleiben: Die Schließung des Kaiciid wirkt so, als hätte Don Quijote seinen Sancho Panza beauftragt, die Blitzableiter der Windmühlen zu entfernen. Ob das zur Gebäudesicherheit beiträgt?

Würde das Kaiciid wirklich zugesperrt, litte nicht nur Österreichs Ruf in der Welt (er leidet sowieso schon, siehe oben). Das Land beraubte sich außerdem einer wichtigen Plattform für den Dialog mit anderen Religionen und Regierungen, und damit auch der – zugegebenermaßen geringen – Einflussmöglichkeiten.

Diplomatie ist das Bohren dicker Bretter, und nicht immer von Erfolg gekrönt. Populistische Beschlüsse sind deutlich einfacher, und sie bedienen gewisse Bedürfnisse an den Stammtischen.

Ein Treppenwitz

Der Treppenwitz bei der ganzen Geschichte ist aber, dass ausgerechnet eines der fortschrittlichsten Vorhaben der saudischen Politik aus Wien vertrieben würde, denn: Wäre Saudi-Arabien so wie das Abdullah-Zentrum, müsste man sich um das Land keine großen Sorgen machen. Man könnte eine Erfolgsgeschichte erzählen.

Natürlich gäbe es dann immer noch genug zu verbessern. Aber die Gleichberechtigung der Geschlechter wäre erreicht (mehr als die Hälfte der Mitarbeiter des Zentrums sind Frauen), die Freiheit der Meinungsäußerung und der Religionsausübung auch.

Knapp 60 Mitarbeiter aus 30 Ländern arbeiten für das Kaiciid. Ihre Arbeit wird von Experten und Vertretern der verschiedenen Religionsgemeinschaften im In- und Ausland geschätzt. Sie – und nicht die saudische Regierung – werden nun die österreichische Zickzack- und Zack-Zack-Politik ausbaden müssen.

Heuchelei in Riad oder in Wien?

Riad wird oft Heuchelei vorgeworfen. Wie kann es sein, dass man in Wien den interreligiösen Dialog fördert und im eigenen Land die Religionsfreiheit einschränkt? Es stimmt schon, der Vorwurf ist berechtigt. Würde das Erdölland Saudi-Arabien eine Organisation für internationalen Klimaschutz gründen, wäre das Kopfschütteln wahrscheinlich genauso groß. (Aber wenn sich unsere westliche Welt, die eben jenes saudische Öl verbrennt und damit die Welt vergiftet, ostentativ für den Klimaschutz stark macht, rümpft niemand die Nase?!)

Und doch: Wäre ein solches Vorhaben an sich verwerflich?

Exportschlager Gesinnung

Ähnlich gelagert ist die Sache mit dem Kaiciid. Was bringt eine Schließung, wenn man keine besser Alternative hat? Die 15 Millionen Dollar, die Riad in das Abdullah-Zentrum steckt, könnte es natürlich für andere Zwecke ausgeben. Ob die Gesinnungsethiker dann zufrieden wären?

Ob angesichts des Ibiza-Videos und der jüngsten populistischen Auswüchse die österreichische Gesinnung zum Exportschlager taugt, sei einmal dahingestellt. Eines ist aber klar: Saudi-Arabien hat kein Monopol auf Heuchelei.

Die selbstgefällige Aktion von Peter Pilz, Thomas Drozda und Norbert Hofer im Nationalrat mag populär sein im Lande. Sie wird Österreich langfristig aber schaden – und ansonsten niemandem einen Nutzen bringen. (Michael Thaidigsmann, 20.06.2019)