Wien – Die "Niederösterreichischen Nachrichten" haben nach Ansicht des Presserats gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse verstoßen. Die Regionalausgabe Gänserndorf nannte den Namen des Vaters genannt, dem sexuelle Übergriffe gegen die eigene Tochter vorgeworfen wurden. Das Kind sei vom Jugendamt aus dem Kindergarten abgeholt worden.

Chefredakteur der "NÖN" und der Leiter der zuständigen Lokalredaktion erklärten vor dem Presserat, der Vater sei mit der Namensnennung einverstanden gewesen. Der Fall sei berichtenswert gewesen, Konflikte von Bürgern mit Behörden seien für die Allgemeinheit von Bedeutung. Außerdem sei der Name des Mädchens nicht genannt worden, lediglich das Alter.

Für den Presserat wurde das Mädchen die Angabe seines Alters sowie des Namens seines Vaters und dessen Wohnortes für einen größeren Personenkreis identifizierbar. Das gelte auch für die drei Söhne, die schon früher vom Jugendamt abgeholt wurden. Darüber hinaus habe die NÖN auch den derzeitigen Aufenthaltsort der Söhne veröffentlicht.

"Kinder müssen unbefangen und frei von öffentlicher Beobachtung aufwachsen können", erklärt dazu der Presserat: "Persönlichkeitsverletzungen sind bei Kindern besonders schwerwiegend, weil sie sich erst zu eigenverantwortlichen Personen entwickeln müssen. Ihre Persönlichkeitsentfaltung kann deshalb leichter und nachhaltiger gestört werden als die von Erwachsenen."

Der Senat sieht ebenfalls ein öffentliches Interesse daran, Personen, die vielleicht Opfer von ungerechtfertigtem behördlichem Handeln geworden sind, in Medien zu Wort kommen zu lassen. Dieses öffentliche Interesse an der Berichterstattung reiche im konkreten Fall jedoch nicht aus, um einen Eingriff in die Persönlichkeits- und Intimsphäre der Kinder zu rechtfertigen: Die Vorwürfe betrafen die Verletzung der sexuellen Integrität des Mädchens beziehungsweise allgemein die Beeinträchtigung des Kindeswohls. Punkt 6.2 des Ehrenkodex verlangt, bei Kindern dem Schutz der Intimsphäre Vorrang vor dem Nachrichtenwert einzuräumen.

Der Senat stellt den Verstoß gegen den Ehrenkodex fest und fordert die Medieninhaberinnen der NÖN und von noen.at auf, die Entscheidung freiwillig in den betroffenen Medien zu veröffentlichen. (red. 21.6.2019)