Autoritäre Einstellungen der Bevölkerung werden über Umfragen gemessen, dazu wurden in der Literatur zahlreiche Fragenbündel entworfen, welche ebendies ermöglichen sollen. Da keines dieser Fragenbündel jedoch konsistent immer wieder im Verlauf der letzten Jahrzehnte erhoben wurde, können wir Aussagen nur auf einer sehr löchrigen Datenbasis treffen. Zudem wurden in Österreich erst seit den 1970er-Jahren konsistent Meinungsumfragen erhoben.

Autoritarismus und/oder autoritäre Einstellungen können als persönliche Eigenschaft oder Haltungsweisen verstanden werden, welche das Resultat eines individuellen Abwägens von Gruppenzwang und Uniformität auf der einen Seite und individueller Selbstständigkeit und gesellschaftlicher Diversität auf der anderen Seite darstellt. Autoritäre Einstellungen umfassen somit jene Präferenzen, welche Unterschiede in menschlichem Verhalten und/oder Differenzen bezogen auf Merkmale wie Hautfarbe, Herkunft, Sprache, Religion oder Ethnie unterdrücken und (gruppen)konformes Verhalten einfordern und/oder erzwingen, wie zum Beispiel über Traditionen oder Rituale. Für Menschen mit autoritären Einstellungen sind demnach Differenzen nicht ertragbar und müssen eliminiert werden, das heißt, diese Menschen fordern differenzausgleichende oder differenzerdrückende Politiken, und dies führt wiederum zu autoritärer Unterwerfung unter die Zwänge der jeweiligen Gruppe oder im Extremfall zur Ausweisung der Menschen mit abweichenden Merkmalen oder Verhaltensweisen.

Autoritäre Prädispositionen und Gefahrensituationen

Dieser Beitrag basiert auf dem Konzept der Autoritären Dynamik von Karen Stenner, dieses unterscheidet explizit zwischen autoritären Prädispositionen und deren Wirkungen, nämlich individuellen Einstellungen bezüglich der Unterschiede (ethnisch, politisch, moralisch) zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen, zum Beispiel Inländerinnen und Inländern sowie Ausländerinnen und Ausländern, Kindern und Erwachsenen, Männern und Frauen oder arbeitenden und arbeitslosen Menschen. Dabei wird auf zwei Einflussfaktoren fokussiert, welche manifeste Formen von Intoleranz erzeugen, nämlich autoritäre Prädispositionen und Gefahrensituationen (unabhängig davon, ob im Alltag erfahren oder subjektiv wahrgenommen) sowie die Interaktion zwischen diesen beiden Einflussfaktoren. Autoritäre Einstellungen und autoritäres Verhalten werden in mehreren Kategorien zusammengefasst:

  • Ethnische Intoleranz: Diese Kategorie umfasst die Ablehnung ausländischer Menschen, xenophobe Einstellungen, Rassismus, Ablehnung von Asylsuchenden und die Ablehnung autochthoner Minderheiten wie zum Beispiel jüdischer Menschen, Musliminnen und Muslimen sowie Roma und Sinti.
  • Politische Intoleranz: Einschränkungen politischer Meinungsäußerung für bestimmte Gruppen, Präferenzen für starke Führung durch entschlossene Männer oder einen starken Führer, Ablehnung von Parlamentarismus und generell die Ablehnung von Diskussion und Konsensfindung.
  • Moralische Intoleranz: Ablehnung von Homosexualität, Abtreibung, Scheidung; Gleichstellung der Geschlechter; generell Erziehungsfragen et cetera.

Um diese autoritären Einstellungen zu aktivieren oder zu verstärken, bedarf es immer einer real erfahrenen oder wahrgenommenen Gefahrenlage, entweder einer gesellschaftlichen oder einer normativen Gefahr, damit eine individuelle autoritäre Grundhaltung auch zu autoritären Einstellungen und in weiterer Folge zu autoritärem Verhalten führt, wie zum Beispiel der Flüchtlingskrise und deren Instrumentalisierung durch politische Akteure. So weit die grundlegende Konzeption, im Folgenden werden exemplarisch entlang von zwei dieser drei Kategorien – der ethnischen und der politische Intoleranz – die Einstellungen der österreichischen Bevölkerung skizzenhaft nachgezeichnet.

Ethnische Intoleranz

Eine in Umfragen immer wieder gestellte Frage, um die Offenheit und den Toleranzlevel von Menschen zu erheben, ist jene nach denjenigen Gruppen, welche Menschen nicht als Nachbarn haben möchten. Für diese Daten sind mit der Europäischen Wertestudie wiederum Ländervergleiche über einen längeren Zeitraum hinweg möglich.

Die Grafik zeigt die Anteile jener Menschen, die angegeben haben, eine der erwähnten Personengruppen nicht als Nachbarn haben zu wollen.
Quelle: EVS : European Values Study Longitudinal Data File 1981-2008)

Für Österreich ist über den Untersuchungszeitraum deutlich zu erkennen, dass zu Beginn der 1990er-Jahre homosexuelle Menschen (diese Einstellungen gehören zur Kategorie moralische Intoleranz) eindeutig jene Gruppe darstellten, welche die meisten Menschen nicht als Nachbarn haben wollten. Obwohl die Ressentiments gegen homosexuelle Menschen im Jahr 2008 weiterhin hoch sind – rund ein Viertel der befragten Menschen will homosexuelle Menschen nicht als Nachbarn haben und ebenso viele möchten keine Immigrantinnen und Immigranten als Nachbarn –, so erreichen zwei Personengruppen höhere Ablehnungswerte, nämlich jene der muslimischen Menschen und die Gruppe der Roma und Sinti. Beide Personengruppen werden von rund einem Drittel der befragten Personen als Nachbarn abgelehnt.

Die Einstellungen der Österreicherinnen und Österreicher zur Zuwanderung von Menschen einer anderen Volksgruppe oder ethnischen Gruppe befinden sich im oberen (eher ablehnenden) europäischen Mittelfeld. Diese Ablehnung steigt zwischen 2014 und 2016 nochmals, also vor und nach dem Höhepunkt der europäischen Flüchtlingskrise.

Akzeptanz Zuwanderung von Menschen einer anderen Volksgruppe. Gezeigt werden Mittelwerte mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall, die Fallzahl beträgt jeweils rund 1.800.
Quelle: ESS 2014, ESS 2016)

Politische Intoleranz

Im Bereich der politischen Intoleranz interessieren zunächst Einstellungen beziehungsweise Wahrnehmungen eines zweiteiligen Gesellschaftsbildes zwischen "denen da oben" und "jenen da unten". Damit ist freilich auch die Wahrnehmung der eigenen politischen Gestaltungsfähigkeit angesprochen. Im Jahr 1986 haben noch unglaubliche 89 Prozent der befragten Menschen dieser Beschreibung zugestimmt.

Ausmaß dichotomes Gesellschaftsbild.
Quelle: SSÖ versch. Wellen

Diese Zustimmung ist bis zum Jahr 2003 etwas gesunken und bis 2016 wiederum auf 87 Prozent anzusteigen, wobei der Anteil der "voll zustimmenden" Menschen extrem gesunken ist. Im Zusammenhang mit der derzeitigen Übergangsregierung und der Entscheidung des Exbundeskanzlers, nicht in den Nationalrat zurückzukehren, sind die Einstellungen zur Bedeutung des Parlamentarismus interessant.

Relevanz des Parlamentarismus.
Quelle: SSÖ versch. Wellen

Im Jahr 1986 stimmten 81 Prozent der befragten Menschen der Aussage zu, dass "Streitereien im Parlament mehr schaden als nutzen und es besser wäre, ein paar mutige, unermüdliche und selbstlose Männer und Frauen zu haben". Diese Zustimmungsrate sinkt bis 2003 ab und nimmt 2016 wiederum einen Wert von 74 Prozent an, wobei wiederum der Anteil der "voll zustimmenden" Menschen gesunken ist. Es ist auf Grundlage dieser Datenbasis nicht möglich festzustellen, ob die Antworten eher auf den ersten oder auf den zweiten Teil der Frage bezogen sind. Das ist auch gar nicht so wichtig.

Viel wesentlicher erscheint, dass die Auseinandersetzungen im Parlament nicht als ein Aushandlungsprozess gegensätzlicher Interessen aufgefasst werden, sondern von weiten Teilen der Bevölkerung augenscheinlich als pure Streiterei und Unfähigkeit zur Einigung. Diese Frage spiegelt das populistische Narrativ der Dichotomie zwischen Elite und homogenem Volk und der irrigen Annahme, eine bestimmte Bewegung – die Bezeichnung "politische Partei" wird tunlichst vermieden – könne den wahren Willen des Volkes identifizieren und umsetzen, wider.

Die letzte Abbildung zeigt die Zustimmung nach einem starken Führer, welcher sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss. Die Differenzen zwischen 2007 und 2017 sind erstaunlich, besonders hervorzuheben ist, dass der Anteil jener Menschen, welche diese Aussage völlig ablehnen, von 2007 auf 2017 um ein Viertel auf 45 Prozent gesunken ist und sich der Anteil jener Menschen, welche dieser Aussage eher zustimmen, nahezu verdreifacht hat – von vier (2007) auf elf Prozent (2017).

Wunsch nach einem starken Führer.
Quelle: SORA 2007, 2017

Was diese Daten freilich nicht beantworten können, ist die Frage, wie jene, die einen starken Mann wünschen, auf die Idee kommen, dass dieser auch in ihrem Interesse handelt.

Resümee

Wer in den letzten Jahren aufmerksam die Nachrichten bzw. Berichterstattung verfolgt hat und besonders auch die Diskurse innerhalb der sozialen Medien, vernahm oftmals Forderungen nach strikteren Regelungen bezüglich religiöser Verhaltensweisen oder religiöser Symbole, Sicherung von Grenzen, strengeren Bestimmungen bezüglich der Gewährung von Asyl oder Reduzierungen von Sozialleistungen besonders ausländische Menschen betreffend. Damit einher ging möglicherweise der Eindruck, dass autoritäre Einstellungen innerhalb der österreichischen Bevölkerung zugenommen haben.

Das Vertrauen in das österreichische Parlament und die Einsicht, dass für eine Demokratie parlamentarische Aushandlungsprozesse unabdingbar sind, waren in der österreichischen Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten nicht weitverbreitet, und daran hat sich nicht viel geändert. Vielmehr herrscht die Ansicht vor, dass politische Diskussionen zur Konsensfindung zwischen divergierenden Interessen mehr Schaden als Nutzen bringen, und diese Anteile sind in den letzten Jahren sogar noch gestiegen. Ausgesprochen hoch ist auch die Sichtweise einer zweiteiligen Gesellschaft zwischen "denen da oben" und "wir da unten", also jenen, die anschaffen, und jenen, die gehorchen. Diese Ansicht stellt auch die wahrgenommene Bereitschaft von Politikerinnen und Politikern, auf Forderungen der Bevölkerung einzugehen, in ein eher schlechtes Licht.

Möglicherweise gelingt es in dieser Periode des politischen Übergangs, ein Bewusstsein zu schaffen für die Wichtigkeit parlamentarischer Aushandlungsprozesse.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Aufgrund der hier präsentierten Daten muss von einem (Wieder-)Erstarken autoritärer Einstellungen ausgegangen werden. Damit verbunden ist auch immer eine Hervorhebung der Exekutive, das heißt der Regierung, und wie schon gesagt eine Abwertung der Legislative, des Parlaments. Der Ruf nach einem "starken Führer" beinhaltet auch immer ein Parlament, das an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt ist. Das Zusammenspiel zwischen Parlament und Regierung wurde selten so deutlich wie in den letzten Wochen nach dem ersten erfolgreichen Misstrauensantrag gegen eine Regierung in der Zweiten Republik. Möglicherweise gelingt es in dieser Periode des politischen Übergangs, ein Bewusstsein zu schaffen für die Wichtigkeit parlamentarischer Aushandlungsprozesse und die Notwendigkeit des Ausgleichs divergierender Interessen. Das Nichtstreiten politischer Akteure sollte jedoch in einer pluralistischen Demokratie eher Skepsis hervorrufen – wohin werden die Interessendivergenzen denn sonst verlagert? Die Abwesenheit von Streit stellt per se keinen Wert dar, ganz im Gegenteil, in Österreich scheint es an einer ausgeprägten politischen Streitkultur zu mangeln. Das Bewusstsein dafür sollte geschärft werden als auch die Bereitschaft zur demokratischen politischen Auseinandersetzung. Vielleicht verstummen dann auch wieder die Rufe nach einer autoritären Führungsfigur. (Peter Grand, 24.6.2019)