Gute Laune, gutes Wetter und gute Musik beim Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker: Pianistin Yuja Wang mit Dirigent Gustavo Dudamel in Schönbrunn.

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Vom Wetter her: schon mal Glück gehabt. Vorher nass, bei der letzten Zugabe erste Regentropfen, beim Konzert aber Abenddämmerung in Cinemascope. Das Thema, trotz Trump: Amerika und Österreich. Mit Bernsteins Ouvertüre zu Candide wird eröffnet: akkurat, aufgedreht, mit Militärkapellenschmiss. Der akustische Ersteindruck bei den Sitzplätzen: Die Streicher klingen seifig, es ist ziemlich laut, und da ist so ein irritierender Nachhall. Bei den Picknickplätzen auf der Wiese unter der Gloriette mag das natürlich alles ganz anders sein.

Neujahrskonzertstimmung beim Jubilee Waltz von Johann Strauß Sohn: ein Sektchen, bitte! Ein Steinway erscheint aus der Versenkung, kurz darauf Yuja Wang von links mit knappem Glitzerkleid in Petrol. Die Chinesin gibt ihr Bestes, sie spielt Gershwins Rhapsody in Blue, unterhält mit perkussiver Wucht, niedlicher Laszivität, Witz, Sinnlichkeit, Swing und Rambazamba.

Ein kleiner Patzer bei einem Aufgang, dafür ist die Überleitung zum E-Dur-Thema fein wie Feenstaub. Ein Walzer von Chopin (cis-Moll, op. 64/2) als Zugabe, perfekt auf schlicht gestylt. Im zartblauen Abendhimmel zieht die Camcat lautlos ihre Bahn.

Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker
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Bei Max Steiners Casablanca-Suite gibt es Schmackes, der Gong pfaucht. Der in Hollywood mit drei Oscars ausgezeichnete Theaterdirektorensohn kleidet Fremdmaterial (Marseillaise, As Time Goes By) gekonnt neu ein. Mit John Philip Sousas The Stars and Stripes Forever wird es dann so richtig amerikanisch und eventig.

Die schönste Musik

Schloss Schönbrunn – diese schlichte Eleganz bei dieser Größe! – wird rot und blau und weiß angestrahlt. Eine Vision, dystopisch: René Benko kauft in zehn Jahren das Schloss, lässt den Dachboden ausbauen und verkauft ihn an Jeff Bezos. Und der schaut dann von seiner Dachterrasse zu. Dann Samuel Barbers Adagio für Streicher: das vielleicht schönste Musikstück der Welt.

Schade, dass die hohen Streicher nach Synthesizer klingen. Bitte im Musikverein nochmal! Zackig Ziehrers Sternenbanner-Marsch. Konzertmeister Volkhard Steude ist als Primus inter pares vor den philharmonischen Karren gespannt und führt mit einem Biss und einer Entschiedenheit, die an seinen legendären Vorgänger Rainer Küchl erinnern. Wer dirigiert eigentlich? Ahjagenau: Gustavo Dudamel.

Wie bestellt kommt zur stürmischen Interpretation des Finalsatzes von Dvoráks neunter Symphonie strammer Westwind auf und bläst die letzte Südstaatenschwüle ostwärts. Nach Aaron Coplands Hoe-Down aus dem Ballett Rodeo folgt Wiener Blut als zweite Zugabe. Was für ein Zauberwerk so ein Walzer doch ist, diese Mischung aus schwebender Leichtigkeit, Sinnlichkeit und Beschwingtheit. Wie konnte so etwas Wundervolles justament in Wien zu seiner höchsten Vollendung finden?

Dann ist es auch schon aus, hat alles optimal geklappt. Der Markenpflegeverbund von Wiener Philharmonikern, Schloss Schönbrunn und Tu Felix Austria, er kann zufrieden schlafengehen. (Stefan Ender, 22.6.2019)