Bei Unfällen sollte man natürlich zunächst helfen. Sind aber bereits Helfer vor Ort, gilt es, diese nicht zu behindern. Auf keinen Fall sollten Fotos von Opfern gemacht werden.

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Düsseldorf – Unfallzeugen haben bei Düsseldorf erst die Opfer gefilmt und dann einen Beteiligten krankenhausreif geschlagen. Die Polizei sucht nach den unbekannten Tätern. Nach Angaben der Polizei hatte in der Nacht auf Donnerstag eine 17-Jährige ohne Führerschein das Auto ihres Freundes (22) aus Versehen rückwärts gegen die Wand einer alten Papierfabrik in Erkrath gefahren.

"Eine Gruppe von etwa zehn jungen Männern und Jugendlichen beobachtete den Unfall und filmte, wie der Beifahrer aus seinem Auto stieg", erklärte die Polizei. Zwischen dem 22-Jährigen und den Schaulustigen entwickelte sich ein Streit, der laut Polizei eskalierte: "Die Gruppe schlug und trat auf den Beifahrer ein und brach ihm die Nase", teilten die Ermittler mit. Tatverdächtige habe man nicht mehr angetroffen, die Polizei sucht jetzt nach Zeugen.

26 Schaulustige pro Unfall

Auch abseits solcher Extremfälle hat das Problem der Schaulustigen in Österreich und Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder zu Strafverschärfungen geführt, nachdem, etwa wegen Staus auf der Gegenspur, Retter nicht schnell genug zu Verletzten gelangen konnten. In Deutschland müssen "Unfallvoyeure" laut einen Gesetzesvorhaben bald mit einer Strafe von 500 Euro rechnen. Eine Studie ergab schon im Jahr 1989, dass damals bei jedem Unfall in Deutschland 16 bis 26 Schaulustige anwesend waren.

Psychologen gehen davon aus, dass sich der Drang zum Gaffen evolutionär entwickelt hat. In früheren Zeiten war es hilfreich, im Fall von Unfällen selbst abzuschätzen, ob weitere Gefahr drohen könnte. Zudem kommt der Herdentrieb: Menschen neigen dazu, sich in Gruppen von anderen, die etwas beobachten, auch selbst einzureihen.

26 und 16 Prozent aller Unfälle

In Großbritannien ergab eine Untersuchung 2003, dass das Phänomen des "rubbernecking" – wie Unfall-Gaffen dort bezeichnet wird – 29 Prozent aller Unfälle auf der einem Erst-Unfall gegenüberliegenden Fahrbahn auslöste. In den USA ergab eine Untersuchung, dass Schaulustigentum 16 Prozent aller Verkehrsunfälle auslöst, die durch Ablenkung zustande kommen.

Um dem Phänomen entgegenzuwirken, haben sich in den vergangenen Jahre Plastikaufsteller und -Planen durchgesetzt, mit denen Helfer die Sichtachse zu Unfällen un deren Opfern einschränken können.

Hohe Strafen

Massive Probleme machte in den vergangenen Jahren aber auch die zunehmende Verwendung von Smartphones, mit denen Menschen versuchten, Unfallopfer und Rettungsmaßnahmen zu filmen. Dies warf einerseits Fragen der menschlichen Würde auf, die, so Kritiker, im Gegenzug zu Klicks in sozialen Medien eingetuscht werde. Zudem kam es auch hier immer wieder zu großen Gruppenbildungen von Filmenden, die Rettern den Zugang zu Unfallschauplätzen verwehrten. In Österreich kann Filmen von Unfallopfern mit einem Organstrafmandat in Höhe von 50 Euro bestraft werden, aber auch mit einer Klage wegen Eingriff in das Privatrecht und Schadenersatzansprüchen. (mesc, APA, 21.6.2019)