Victoria Mars ist in Europa und den USA aufgewachsen. Seit sie Salzburg Global übernommen hat, pendelt die ausgezeichnet Deutsch sprechende 62-Jährige wieder öfter über den Atlantik.

Foto: Salzburg Global Seminar

Sie mag keinen großen Bahnhof. Und es hat ein wenig gedauert, bis sie einem Gespräch mit dem STANDARD zustimmte. Schließlich kommt es doch zustande

Do & Co Albertina. Mittags. Victoria Mars bestellt New Style Salade Niçoise mit Quinoa, spanische Anchovis und Wildlachstatar. Dazu Wasser. Wenn sie über ihre Jahre in Europa erzählt, über ihre Tätigkeit als Ombudsfrau, über das Haus der Familie in Hinterthal und ihre Beziehung zu Österreich klingt das sehr zurückhaltend und unprätentiös. Kaum jemand würde auf die Idee kommen, dass die sportliche Frau mit blonden Locken Dollarmilliardärin ist, rund acht Prozent der Aktien von Mars Incorporated besitzt und bis vor zwei Jahren Aufsichtsratsvorsitzende des US-amerikanischen Nahrungsmittelriesen war.

Geld und Schokoriegel, Wrigley's und Frolic, 80.000 Mitarbeiter und 35 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr – darüber will Victoria Mars genau nicht sprechen. Ihr geht es vielmehr um ihre neue Aufgabe: Seit 2017 ist sie Vorsitzende des Salzburg Global Seminar, einer der hochkarätigsten und dennoch kaum bekannten Bildungs- und Denkwerkstätten Österreichs. Dort geht es gewissermaßen um Snickers fürs Hirn.

36.000 Fellows

1947 haben drei Harvard-Studenten "Salzburg Global" gegründet. Ihre Vision war eine Art Marshallplan für den intellektuellen Wiederaufbau Europas. Seither durchliefen insgesamt mehr als 36.000 Fellows aus 170 Ländern Veranstaltungen im Schloss Leopoldskron in Salzburg. Debattiert wird dort unter anderem über Gesundheitsfürsorge, Bildung, Kultur und Politik. Zielgruppe sind junge High Potentials und etablierte Führungskräfte. Zielsetzung ist nichts Geringeres, als eine bessere Welt zu schaffen. Immer wieder kommen dafür prominente Persönlichkeiten nach Salzburg, an diesem Wochenende etwa ist der frühere FBI-Chef James Comey für ein Seminar eingeflogen.

Vor Jahren hatte ihr eine Freundin vom Salzburg Global Seminar erzählt. Damals war sie zu beschäftigt, um sich zu engagieren. Erst als sie ihren Hauptberuf als Ombudsfrau bei Mars aufgab, dachte sie wieder an die Organisation. "Ich habe den Vorsitz sehr gerne übernommen, weil es mir darum geht, Menschen zusammenzubringen. Und natürlich, weil es mich öfter nach Österreich bringt", lacht Mars.

Als Erstes sei ihr aufgefallen, sagt die 62-Jährige, dass es sehr wenig Wissen in Salzburg und Österreich darüber gebe, was denn das Seminar genau macht. Das soll sich unter ihrer Ägide ändern: "Wir müssen bekannter werden. Wir wollen, dass Salzburg und Österreich genauso stolz auf Salzburg Global sind wie wir selber."

Probleme lösen

Wichtig ist für Victoria Mars, dass in Salzburg nicht die übliche Art von Konferenzen stattfindet: also hinfahren, sich gegenseitig guter Absichten versichern, versprechen, in Kontakt zu bleiben, wegfahren und darauf warten, dass etwas passiert. "Wir wollen, dass unsere Programme tatsächlich funktionieren. Eine unserer Stärken ist, Zusammenarbeit zu etablieren, dann aber auch sicherzustellen, dass diese fortgesetzt wird und tatsächlich Problemlösungen daraus erwachsen", erklärt sie. Salzburg Global biete dafür einen diskreten, sicheren und komfortablen Raum, in dem off the records Herausforderungen besprochen werden können.

Das Budget dafür – es sind zehn Millionen US-Dollar (rund neun Millionen Euro) – kommt von privaten und institutionellen Spendern. Bis in die 1990er-Jahre war auch das US-Außenamt mit seiner Kulturabteilung engagiert. Auch ein inzwischen sehr schön renoviertes und gut laufendes Hotel auf dem Schlossgelände trägt zur Finanzierung bei. Die immer wieder aufkommenden Gerüchte, das Seminar sei eine CIA-Gründung, sind für Mars haltlos. "Das US-Militär mag am Anfang vielleicht ein paar Feldbetten zur Verfügung gestellt haben, aber das war immer eine sehr studentische, sehr improvisierte Aktion."

Transformation

Immer wieder höre sie heute von Menschen in Spitzenfunktionen, sagt die Vorsitzende, dass sie als Studenten beim Salzburg Global Seminar prägende, ja sogar transformierende Erfahrungen gemacht hätten. Damals seien die Veranstaltungen zwei oder drei Wochen gelaufen. "Heute müssen wir das Vertrauen, auf dessen Basis Probleme gelöst werden, in zwei oder drei Tagen herstellen." Aber auch das gelinge.

Mars: "Wer einmal durch die Tore von Schoss Leopoldskron geschritten ist, kann sich der inspirierenden, aufklärerischen Atmosphäre einfach nicht mehr entziehen." (Christoph Prantner, 22.6.2019)