Ein Walschädel wie kein zweiter – man beachte die Zahnstellung.
Foto: Mikkel Høegh Post

Kopenhagen – In den 1980er Jahren tötete ein grönländischer Jäger einen Wal, den er so seltsam fand, dass er den Schädel des Tiers anschließend auf das Dach seines Werzeugschuppens montierte. Einige Jahre später stieß ein Biologe auf die "Trophäe", befand den Schädel ebenfalls für anomal und schickte ihn ans Naturgeschichtliche Museum Dänemarks in Kopenhagen.

Dort sorgte er fast 30 Jahre lang für Verwunderung: So recht ließ sich das Tier, von dem er stammt, nämlich keiner Art zuordnen. Der Schädel ist ungewöhnlich groß, zudem ist das Gebiss mit langen, spitzen und horizontal ausgerichteten Zähnen "bizarr", wie Mikkel Skovrind vom Museum sagt.

Eltern gefunden

Doch nun ist das Rätsel gelöst – der Wal ist ein Hybrid, also das Produkt einer Paarung über die Artgrenze hinweg. Aufschluss brachte die Analyse von DNA-Proben, die den Zähnen entnommen wurden, berichten Wissenschafter der Universität Kopenhagen in der Fachzeitschrift "Scientific Reports".

Das Tier, ein Männchen, ist offenbar zu 54 Prozent ein Beluga und zu 46 Prozent ein Narwal – vermutlich stammt es von einem Narwalweibchen und einem Belugamännchen ab. Zur Identifizierung seiner Abstammung glichen die Forscher die DNA mit dem Erbgut von jeweils acht lebenden Narwalen und Belugas aus demselben westgrönländischen Gebiet ab.

Ungleiche Verwandte

Die grau gesprenkelten Narwale (Monodon monoceros) und die weißen Belugas (Delphinapterus leucas) sehen nur auf den ersten Blick sehr unterschiedlich aus – vor allem wegen des charakteristischen Stoßzahns der Narwale, einem verlängerten Eckzahn. Tatsächlich sind sie nah miteinander verwandt. Sie bilden zusammen die Familie der Gründelwale und stammen von denselben Ahnen ab, die allerdings schon vor mindestens 1,25 Millionen Jahren gelebt haben müssen.

So in etwa dürfte der Hybride zu Lebzeiten ausgesehen haben.
Illustration: Markus Bühler

Beide sind Bewohner der Arktis, zudem weisen sie in ihrem Verhalten eine Gemeinsamkeit auf, die auch die Ursache für die Geburt des Hybriden sein dürfte: Beide Spezies haben zur selben Zeit Paarungssaison, nämlich im Frühjahr, wenn das Meereis aufbricht. Im damaligen Trubel fand sich offenbar ein Paar zusammen, das die Konventionen sprengte. Laut den Forschern ist es der einzige dokumentierte Fall eines Narwal-Beluga-Hybriden weltweit.

Ungeahnte Folgen

Erstaunlich ist für die Biologen nicht nur, dass die Paarung über die Artgrenze hinweg ein über lange Zeit lebensfähiges Tier hervorbrachte, sondern insbesondere, dass sich dieses deutlich von beiden Elternspezies unterschied. Isotopenanalysen gaben nämlich Aufschluss über die Ernährung des Tiers: Offensichtlich hat es sich seine Nahrung am Meeresboden geholt, während sowohl Belugas als auch Narwale in höheren Wasserschichten jagen. Vermutlich ist der Hybride durch seine ungewöhnliche Bezahnung dazu gezwungen worden, sich wie eine ganz andere Spezies zu verhalten. (jdo, 24. 6. 2019)