Ex-Gesundheits- und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein gab ein Gutachten für die Sozialversicherungsfusion in Auftrag: Dieses empfiehlt 1.500 Stellen abzubauen.

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Die Versprechungen von Türkis-Blau waren vollmundig: Durch die Fusion der Sozialversicherungen, das Prestigeprojekt der geplatzten Koalition, werde im System gespart. Eine Milliarde Euro würde damit den Patienten zur Verfügung stehen. Wie sich diese Zahl errechnet, blieb lange Zeit im Dunkeln.

Nun hat ein von der ehemaligen Gesundheits- und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) in Auftrag gegebenes Gutachten erstmals Anhaltspunkte geliefert, wo die ehemalige Bundesregierung sparen wollte. Studienautor Werner Hoffmann empfiehlt, 1500 Stellen einzusparen. Möglich werden soll das durch die Neuorganisation der Sozialversicherungen. Neun Gebietskrankenkassen sollen zu einer, der Österreichischen Gesundheitskasse fusioniert werden, die Sozialversicherung für Selbstständige (SVA) wird mit jener der Bauern (SVB) zusammengelegt, jene der Beamten mit der der Eisenbahner.

Dieses Vorhaben brachte der früheren Regierung viel Kritik ein, Proteste folgten umgehend, die betroffenen Krankenkassen legten Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein. Die SPÖ brachte über den Bundesrat eine Drittelbeschwerde ein, das Höchstgericht muss nun die Rechtmäßigkeit des Vorhabens prüfen.

Experte, dem Blau vertraut

Deshalb holte sich Hartinger-Klein Unterstützung von außen und gab ebenjenes Gutachten, das dem STANDARD vorliegt, in Auftrag. Bis 4. Juli hätte die alte Regierung Zeit gehabt, ihr Vorhaben zu rechtfertigen.

Hoffmann, aus dessen Feder das Gutachten stammt, tritt nicht zum ersten Mal als Experte für die FPÖ auf. Im November des Vorjahres nominierte ihn die FPÖ für ein Hearing im Sozialausschuss, bei dem es ebenfalls um die SV-Neuordnung ging. Er ist Professor für strategisches Management an der Wirtschaftsuniversität Wien und Unternehmensberater. Bereits damals verteidigte er den türkis-blauen Kurs und sah viele Vorteile in der Fusion. Je weniger Träger es gebe, desto agiler und entscheidungsfähiger sei das System.

Einseitiges Gutachten

Auch im vorliegenden Gutachten arbeitet Hoffmann vor allem die positiven Effekte der Fusion heraus. Er sieht ein jährliches Einsparungspotenzial von etwa 300 Millionen Euro. Voraussetzung dafür ist aber ein "professionelles Integrationsmanagement", nach fünf Jahren könnte das laut Hoffmann "voll wirksam" sein.

Was aber nicht erwähnt wird: Derzeit verfügen die neun Gebietskrankenkassen über ebenso viele IT-Systeme für die Kostenrechnung. Für einen professionellen Integrationsprozess müssten diese zusammengelegt werden, Maßnahmen gibt es dafür aber noch keine. Es würden zwar Kosten für einen Integrationsprozess anfallen, diese könne er aber nicht berechnen, da er über keine detaillierten Informationen verfüge.

Einmalige Kosten

Dennoch kommt er zu dem Schluss, dass einmalige Kosten in der Höhe von 300 bis 400 Millionen Euro aus betriebswirtschaftlicher Sicht vertretbar seien, weil sie einen "signifikanten Zusatznutzen" erwarten lassen und als Investition in die Zukunft des österreichischen Sozialsystems gesehen werden müssten.

Dass eine Fusion aber auch das Risiko von Mehrkosten in der Verwaltung birgt, wie es bei der Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten 2003 geschehen ist, wird nicht näher erläutert. Dafür sieht Hoffmann eben das Einsparungspotenzial genau in der Verwaltung. Durch Bündelungs- und Automatisierungsmaßnahmen könne die Effizienz gesteigert werden, sodass bis zu 1500 Stellen eingespart werden könnten, wenn ausscheidende Mitarbeiter nicht mehr nachbesetzt würden.

Rotationsprinzip schwächt

Das bringt wiederum die Gewerkschaft auf den Plan: Für Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft für Privatangestellte, tritt das ein, was sie "immer prophezeit und befürchtet" hat. "Das Sparen im System ist in Wahrheit ein radikales Sparen beim Personal", sagt sie dem STANDARD. Dabei brauche es Personal, damit das Gesundheitssystem funktioniere, etwa für Beratung oder Bearbeitung von Krankenstandsgeld.

Ein Vorschlag des Gutachters, der selbst die Ex-Ministerin überraschen könnte: Die im Vorfeld kritisierte Rotation der Vorsitzenden würde die Vertretung der Sozialversicherungsinteressen nach außen schwächen. Hoffmann empfiehlt, den Posten des Büroleiters im Dachverband zu dem eines Generalsekretärs aufzuwerten. (Marie-Theres Egyed, 22.6.2019)