Es war ein technologisch neuartiges Angebot. Ende des 17. Jahrhunderts boten in Wien die ersten Fiaker ihre Dienste an. Die Kutschen galten zwar als unbequem und teuer, bestachen aber durch ihre Geschwindigkeit im Vergleich zu den bis dahin üblichen Sesselträgern. Kaiser Leopold I. erteilte 1693 die erste Fiakerlizenz in Wien, und bereits kurze Zeit später wurden mit der ersten Lohnkutschenverordnung die Preise fixiert.
Dieser historische Abriss ist dem Buch Die Fiaker von Wien von Bartel Sinhuber zu entnehmen und illustriert, dass sich öffentliche Verwaltungen seit langem damit herumschlagen, den Markt für private Transportdienstleistungen zu regulieren. Rund 300 Jahre später dominiert das Thema wieder die Debatten in Österreich.
Allerdings geht es diesmal nicht um Fiaker, sondern um den richtigen Preis für Taxis. Am 3. Juli soll wie berichtet das neue Gelegenheitsverkehrsgesetz im Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ beschlossen werden. Damit werden Mietwagen- und Taxigewerbe künftig verschmolzen. Eine Folge davon wird sein, dass die fixen Taxitarife künftig auch für Uber gelten. Der US-Fahrtdienstvermittler fährt in Österreich mit Mietwagenunternehmen.
Wie Brot und Milch?
Die öffentliche Debatte dreht sich seither um die Frage, wozu es überhaupt fixer Preise für Taxi bedarf. "Was kommt als Nächstes? Amtlich festgesetzte Preise für Brot, Milch und Wurst?", fragte Franz Schellhorn, der Chef des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria, via Twitter. Tatsächlich sagen viele Kritiker, dass fixe Taxipreise nur Taxlern helfen.
Doch abseits davon, dass fast jeder eine Meinung zu dem Thema hat und dass fixe Preise nichts Neues sind, kommen sie jetzt eben zusätzlich für den Mietwagenmarkt: Was sagen die Fakten? Hat es schon Versuche gegeben, den Taximarkt komplett zu deregulieren, und wie sind die Erfahrungen?
Die Ökonomen Adrian Moore und Ted Balaker haben die zu diesem Thema veröffentlichten Studien ihrer Kollegen aus den vergangenen Jahrzehnten analysiert. Demnach kommen 28 der untersuchten Beiträge von Wirtschaftswissenschaftern zu dem Ergebnis, dass es unterm Strich aus Sicht von Kunden besser wäre, den Taximarkt zu liberalisieren. Zwei Studien sehen die Ergebnisse als gemischt an. In sieben Papers wird argumentiert, dass eine Liberalisierung negativ wäre.
Tatsächlich sind Taximärkte in fast allen großen westlichen Städten streng reglementiert. Üblich sind fixierte Preise, Auflagen für den Betrieb und eine begrenzte Zahl an Lizenzen. In Österreich zum Beispiel gelten in bestimmten Regionen wie Wien fixierte Tarife. Und eine Reihe von Auflagen: Taxis sind verpflichtet, Fahrgäste mitzunehmen, sie dürfen nicht leer durch die Stadt fahren, sondern müssen Taxistandplätze anfahren. Eine fixierte Zahl an Lizenzen gibt es dafür nicht.
In den meisten US-Städten dagegen gibt es alle drei Formen der Regulierung, also auch eine begrenzte Zahl an Taxilizenzen.
Dies sorgt dafür, dass Taxler, die schon am Markt sind, eher ein gesichertes Einkommen haben, weil sie keine lästige Konkurrenz fürchten müssen. In New York ist die Zahl der Lizenzen seit den 1930er-Jahren de facto nicht mehr gestiegen, dafür ist eine Lizenz extrem teuer: Zuletzt lag der Preis bei über 100.000 US-Dollar.
Der Taximarkt ist weniger transparent
Die Begründung, den Taximarkt überhaupt zu regulieren, lautet, dass er im Gegensatz zu anderen Märkten nicht perfekt funktioniert, es ohne strikte Regeln also zu einem Marktversagen kommen würde. Möglich wäre, dass Kunden ständig überhöhte Preise zahlen müssen.
Der Ökonom Jan Kluge vom Institut für Höhere Studien (IHS), der sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat, sagt, dass der Taximarkt mit anderen Märkten nicht vergleichbar ist. Wer Brot, Milch oder Wurst kaufen will, geht in den Supermarkt und vergleicht Preise. Doch wer ein Taxi stoppt, kann bei völliger Preisfreiheit nicht wissen, was das nächste Taxi kostet oder wann es kommt. Eine Liberalisierung der Preise in diesem Segment würde also zu Problemen führen. Nun können viele Menschen inzwischen ein Fahrzeug via App bestellen. Doch für ältere Kunden kommt das meist nicht infrage.
Wo Taxis billiger wurden und wo teurer
Laut Kluge spricht dies alles dafür, den Markt in zwei Teile zu teilen: Taxifahrten, die spontan durchgeführt werden, gehören reguliert, jedenfalls zumindest über höchst zulässige Preise. Bei gerufenen Taxis, egal ob nun via App oder Funkzentrale, könnten Preise liberalisiert werden.
Historische Erfahrungen mit dem Thema deuten darauf hin, dass Preisfreigaben Menschen unterschiedlich treffen. Der Ökonom Richard Zerbe von der University of Washington hat untersucht, wie die Liberalisierung des Taximarktes in Seattle 1979 wirkte. Fünf Jahre später waren Funktaxis um 14 Prozent billiger. Taxis am Stand kosteten acht Prozent mehr. Gewichtet man das Ergebnis nach Auslastung, sanken die Preise um fünf Prozent. Am Flughafen von Seattle gab es enorme Probleme, die Preise stiegen stark. Die Taxischlangen sorgten dafür, dass für jeden Kunden schon ein Fahrzeug bereitstand. Das erschwerte die Verhandlungen, Seattle kehrte zur Regulierung zurück.
Eindeutig sind die Erfahrungen aus anderen Städten auch nicht. Die Ökonomen Mark Frankena und Paul Pautler untersuchten die Erfahrungen vieler Metropolen. In San Diego sanken die Preise nach der Freigabe, in Phoenix stiegen sie. Auch hier scheint es einen Unterschied zu geben: Ruftaxis werden tendenziell billiger, spontan angehaltene Fahrzeuge eher teurer.
Die erwähnten Untersuchungen beziehen sich allerdings auf 1980er-Jahre. Mit dem Markteintritt Ubers haben sich die Gewichte am Markt noch einmal verschoben: Fahrzeuge werden öfter vorbestellt und seltener auf der Straße gestoppt. Unter der Annahme, dass Marktliberalisierungen vorbestellte Fahrten billiger machen und spontane etwas teurer, wären die Gesamtgewinne aus Sicht der Kunden heute als höher als vor 30 oder 40 Jahren.
Zahlen über Wiener Markt fehlen
Die Debatte darüber, wie sich eine Liberalisierung auswirken würde, ist schon deshalb nicht einfach zu führen, weil verlässliche Zahlen bezüglich der Branche nur begrenzt vorhanden sind. So sind laut Wirtschaftskammer aktuell in Wien 4.800 Fahrzeuge als Taxi angemeldet, rund 2.900 sind als Mietwagen registriert. Die Zahl der Mietwagen ist zuletzt dank Uber stark gestiegen, um fast 30 Prozent über die vergangenen drei Jahre. Die meisten Taxiunternehmen haben ein bis fünf Fahrzeuge, nur wenige sind größere Betriebe mit einer entsprechend größeren Flotte. So viel lässt sich leicht feststellen.
Bei Umsatzkennzahlen wird es schon schwieriger. Die Wirtschaftskammer gibt keine Daten auf Anfrage bekannt. Die einzigen frei zugänglichen Zahlen dazu erhebt die Statistik Austria, doch Umsätze von Mietwagen und Taxis sind zusammengefasst. Demnach lagen die Betriebserlöse der beiden Branchen gemeinsam bei 231 Millionen Euro im Jahr 2016 in Wien, neuere Zahlen gibt es nicht.
Droht die Monopolisierung?
Ein weiterer möglicher Grund für Fixpreise betrifft Uber selbst. Der US-Konzern schreibt seit Jahren Verluste. Kritiker sprechen davon, dass Uber eine Monopolisierungsstrategie fährt. Das Unternehmen bietet billig an und versucht, einen immer größeren Teil des Marktes zu erobern. Wenn das gelungen ist, werden Preise angehoben. Und tatsächlich tun sich Taxifunkzentralen wie 40100 mit Uber als Gegner schwer. Taxi 40100 beschäftigt dutzende Telefonistinnen in Wien, die Fixkosten sind also deutlich höher. So billig wie ein reiner App-Anbieter kann man auf Dauer nicht sein. Abgesehen davon, dass lokalen Unternehmen die finanzielle Kraft fehlt, jahrelang Verluste zu machen.
Müssen Taxipreise fixiert werden, damit Uber nicht irgendwann allein bleibt? Das Gegenargument dazu lautet, dass wenn Uber die Preise eines Tages drastisch erhöht, weil es den Markt dominiert, andere Bewerber einfach den Preiskampf neu aufnehmen würden.
Neuer Anbieter in Wien
In Österreich hat zuletzt der Vorarlberger Anbieter Holmi Marktanteile gewonnen: Das Unternehmen fährt in Wien wie Uber mit Mietwagenpartnern, wie bei Uber unterliegen die Preise nicht den Taxitarifen, und wie bei Uber bestellt man via App. Obwohl Holmi in Wien erst seit kurzem seine Dienste anbietet, fahren nach eigenen Angaben bereits gut 400 Fahrzeuge in der Stadt auch für die Vorarlberger.
Die App zu entwickeln hat zwei Jahre gedauert. Man kämpfe darum, ausreichend Fahrer zu finden, aber die Eintrittshürden am Markt sind nicht so hoch, dass neue Player keine Chance hätten, sagt Matthias Kalb, einer der Holmi-Geschäftsführer. Sprich, dass Uber den Markt monopolisieren könnte, glaubt Holmi also nicht.
Zum Schutz gegen Uber sind die Tarife also nicht nötig, Kunden, die drauf angewiesen sind, sich spontan ein Taxi zu holen, dürften die fixierten Preise also schützen. Auch für Taxifunkzentralen wie 40100 ist es eine gewaltige Stütze angesichts der höheren Fixkosten. (András Szigetvari, 22.6.2019)