Gebietsfremde Arten bedrohen die Biodiversität: Es sind unter anderem Para siten, an die die angestammten Organismen nicht angepasst sind und denen sie daher leicht zum Opfer fallen. Besonders dramatisch ist die Situation auf Inseln: Diese beherbergen häufig endemische Arten, die also nur dort vorkommen, und deren Verhalten dementsprechend auf die dort herrschenden natürlichen Verhältnisse abgestimmt ist. Neuen Beutegreifern, Parasiten oder Krankheitserregern haben sie nichts entgegenzusetzen. Auf den Galápagos-Inseln zum Beispiel testet die Nationalparkverwaltung in Zusammenarbeit mit der Universität Wien und der Charles Darwin Foundation mögliche Hilfsmaßnahmen für nur dort auftretenden Pflanzen und für die berühmten Darwinfinken.


Der Kleine Baumfink
Foto: Michael Dvorak

Sie leben ausschließlich auf den Galápagos-Inseln und stellen eine kleine Gruppe aus 13 eng verwandten Arten dar, die sich alle aus einer einzigen Ausgangsart entwickelt haben. Die Vögel leiden unter Lebensraumverlust ebenso wie unter vom Menschen eingeführten Ratten und Katzen. Seit rund zwanzig Jahren wird ihr Fortpflanzungserfolg massiv durch die eingewanderte Vampirfliege (Philornis downsi) beeinträchtigt, deren Larven vom Blut ihrer Nestlinge leben. Alle Faktoren gemeinsam haben den Man groven-Fink (Geospiza heliobates) mit lediglich 100 verbleibenden Exemplaren bereits an den Rand des Aussterbens gebracht, weitere vier Arten gelten als gefährdet. "Management ist die einzige Möglichkeit, Galápagos zu erhalten", ist Sabine Tebbich vom Department für Verhaltensbiologie der Universität Wien, die seit vielen Jahren an den Vögeln forscht, überzeugt.

Fliegenlarven reduzieren

Eine Management-Methode, die von Tebbich und ihren Kollegen entwickelt wurde, besteht darin, mithilfe langer Stangen Insektizide in den Boden der Darwinfinken-Nester zu injizieren und so die Anzahl der Fliegenlarven darin zu reduzieren. "Der Mangroven-Fink hat seitdem einen leichten Aufwärtstrend", freut sich Tebbich. Die Maßnahme ist allerdings sehr aufwendig und auch nicht bei allen Nestern anwendbar. Gefragt wäre eine Möglichkeit, die Vampirfliegen im Erwachsenenalter unschädlich zu machen.

Denkbar wäre dafür etwa der Einsatz von parasitierenden Wespen, Pheromon-Fallen oder Sterilisierung. Das Problem bis jetzt: Um die Wirksamkeit der jeweiligen Methode überprüfen zu können, brauchen die Forscher zuerst eine stabile Fliegenpopulation im Labor. Philornis aber weigert sich beharrlich, sich unter künstlichen Bedingungen fortzupflanzen.

Von der Brombeere verdrängt

Natürlich leiden nicht nur die Darwinfinken unter neu eingeführten Arten. Eine Management-Methode, die die Nationalparkverwaltung seit einigen Jahren praktiziert, gilt der Pflanzengattung Scalesia, die auf den Inseln mit zahlreichen endemischen Arten vertreten ist und von invasiven Pflanzen verdrängt wird, unter anderem auch von der Brombeere. Die Brombeerranken werden mit Macheten abgeschlagen, der Boden wird danach mit Herbiziden behandelt. Allerdings wächst auf diesen Flächen für einige Zeit so gut wie kein Unterwuchs, wodurch auch die darin lebenden Insekten reduziert werden – und damit natürlich auch die Nahrungsgrundlage insektenfressender Vögel.

Wie Tebbich und ihr Team herausfanden, wirkt sich das Vorgehen auf die Darwinfinken unterschiedlich aus: Beim rein insektenfressenden Waldsänger-Fink (Certhidea olivacea) führte die Verminderung des Unterwuchses in Kombination mit den parasitären Fliegenlarven zu einem geringeren Bruterfolg. Beim Kleinen Baumfinken (Camarhynchus parvulus) hingegen, der ein breiteres Nahrungsspektrum hat, hatte die Unkrautbekämpfung keine zusätzlichen negativen Folgen. Allerdings leidet er besonders stark unter der Parasitierung.

Die Welt scheint in Ordnung

Überraschenderweise scheint die Welt zwei Jahre nach der Vernichtung des Unterwuchses wieder so zu sein wie vorher: Auf allen untersuchten Flächen waren die Darwinfinken wieder auf dem Stand vor der Bekämpfungsmaßnahme – aber diesmal mit Scalesia: Ihre Keimlinge können auf dem befreiten Boden nämlich wieder vermehrt aufkommen.

Ab 2020 werden Tebbich und ihre Kollegen mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF einer ganz anderen, neuen Entwicklung der Vampirfliege nachgehen: "Seit einiger Zeit finden wir die Fliegenlarven immer früher im Jahr in den Nestern", führt Tebbich aus. Grund dafür könnte die gestiegene Konkurrenz der Fliegen untereinander sein: Mittlerweile legen nämlich bis zu sechs Individuen ihre Eier in ein einziges Nest, wie Tebbich erläutert. Die Vogeljungen halten den resultierenden Blutverlust oft nicht aus und sterben, bevor die Fliegenlarven ihre Entwicklung abgeschlossen haben. Das könnte Druck auf die Insekten erzeugen, ihre Eier so früh wie möglich zu platzieren.

Möglicherweise hat sich auch die Präferenz der Vampirfliege für bestimmte Wirte in den vergangenen 20 Jahren geändert: "Der Kleine Baumfink wird heute stärker von Larven heimgesucht als früher", erläutert Tebbich, "es gibt Hinweise, dass sie auf dessen Jungen schneller wachsen als zum Beispiel auf den größeren Nestlingen des Waldsänger-Finken." Die Wiener Forscher wollen nächstes Jahr das Blut der beiden Arten untersuchen: Vielleicht ist seine Zusammensetzung dafür verantwortlich, dass manche Darwinfinken für die Fliegen attraktiver sind als andere. (Susanne Strnadl, 21.6.2019)