Im Juni ist jedes Jahr die heiße Phase, wo es für viele Schüler und Schülerinnen darum geht, das laufende Schuljahr doch noch positiv abschließen zu können. In diesem Monat findet auch fast überall die letzte Matheschularbeit statt, die es vielleicht hätte richten sollen. Genau an dieser Stelle möchte ich meine Außensicht als Nachhilfelehrer einbringen.
 
Mein Punkt ist: In der Mehrzahl der Fälle ist immer zu wenig Zeit übrig, um sich im Falle von negativen Schularbeiten noch ausbessern zu können. Beziehungsweise um sich richtig und umfassend auf die entscheidende Prüfung vorbereiten zu können. Zeit ist hier eine entscheidende Komponente, die es allzu oft nicht gibt. Zum Nachteil von Schülern und Eltern.

Schularbeit heute, Nachprüfung übermorgen

Ich möchte das anhand von zwei Beispielen illustrieren. Man erhält als Schüler die letzte Schularbeit zurück (die, von der eine Entscheidungsprüfung abhängen wird) und bekommt zum Beispiel am Donnerstag erklärt, dass man am Montag darauf mündlich gerpüft wird. Das kann mitunter auch der Stoff der letzten beiden Schularbeiten sein, also das ganze zweite Semester. Vielleicht erscheint dieser Zeitraum für manche als ausreichend. Für Eltern hingegen steigt jetzt der Stresslevel in mehrfacher Hinsicht. Zum einen können sie nicht überblicken, was genau jetzt noch geübt werden soll und zum anderen ist es Jahr für Jahr ein Glücksspiel, ob der Lehrer "bloß eine Kleinigkeit zum Abschluss" fragen wird oder ob das Kind so richtig "gezapft" wird. Dass davon eine ganze Sommerferienplanung abhängt, ist ja nur ein Nebeneffekt.
 
Das zweite Beispiel toppt das erste: Die Schularbeit muss wiederholt werden und sie wird am besagten Montag geschrieben. Zu dumm, dass nur zwei Tage später bereits Notenschluss ist. Selbst wenn die Lehrerkraft innerhalb eines Tages alle Arbeiten korrigiert hat, erfährt man als Schüler am Dienstag, dass man sich am nächsten Tag noch ausbessern kannst. Eigentlich absurd. Aber im kleinen Mikrokosmos deine einzige Chance. Was machst du jetzt als Elternteil? Du rufst wahrscheinlich den Nachhilfelehrer an. Der wiederum kann mit bestenfalls einem Termin nur an der Oberfläche kratzen und Mut zusprechen. Eine halbwegs umfassende Vorbereitung auf diese Prüfung ist nicht möglich. Und wer ist schuld? Niemand. Ist es fair? Ja. Weil für alle gleich ...

Kurz vor Schuljahresende wollen Schüler ihre Noten ausbessern, oder sich vor einem Nachzipf retten.
Foto: istockphoto.com/at/portfolio/nemke

Geht sich nicht aus

Diese Geschichte bezieht sich aber nicht nur auf den Juni. Am Ende des Wintersemesters gibt es die selben Probleme. Oft werden mir gegenüber Lehrer zitiert, die sich nicht auf eine Prüfung einlassen wollen, da "es sich eh nicht ausgehen wird, da du ja quasi ein Sehr gut auf die Prüfung brauchst, damit sich insgesamt ein Vierer ausgehen könnte". Wie motivierend.
 
Meine Gedanken hier sollen als Systemkritik verstanden werden: Es gibt keine zuständige Stelle oder übergeordnete Aufsicht, die sich um das Qualitätsmanagement in genau solchen Fällen kümmert. Und vielleicht erkennt, dass das nicht einzelne Zufälle sind, sondern diese strukturell in Kauf genommen werden. Es ist ja nichts illegal daran.

Nicht plausibel

Ich möchte diesen Gedanken näher erklären: Jeder Lehrer und jede Lehrerin plant Pi mal Daumen das Schuljahr anhand von vier Schularbeitsterminen durch. Jetzt beginnt das ganze Dilemma: Es müssen sämtliche Ferien, schulautonome oder Fenstertage berücksichtigt werden. Gleichzeitig dürfen nicht zu viele Schularbeiten in einer Woche stattfinden und vieles mehr. Nachdem nun alle Lehrkräfte auf ihre Termine geachtet haben, scheint es auf einer höher angeordneten Ebene keine – nennen wir es einmal – Plausibilitätskontrolle zu geben. Oder eine Art Reflexionsschleife. Alle scheinen nur auf die Inhalte dieses Prozesses zu achten, aber niemand auf die Qualität.

Wie sonst kann es passieren – wie mir eine besorgte Mutter vor kurzem berichtete –, dass nach der Wien-Woche ihres Sohnes am nächsten Schultag die Matheschularbeit am Plan stand? Aber vielleicht ist das ja nur eine Kleinigkeit. Oder wie ich unlängst zu hören bekommen habe, dass in einer Grazer BHS die letzten zwei Wochen vor der letzten Mathe-Schularbeit nahezu kein Unterricht stattfand, weil die Lehrerin nicht da war. Suppliert wurde auch nicht. Vielleicht wieder nur eine Kleinigkeit. (Wer übrigens über andere Kleinigkeiten im Matheunterricht lesen möchte, der kann das ja in meinen letzten Blogbeitrag nachlesen.)

Als Außenstehender wie auch als Elternteil kann man bei manchen Dingen – und seien sie noch so legal – einfach nur den Kopf schütteln. Wenn sich die Schule nur als Summe von Lehrkräften begreift, die sich abwechselnd im 50-Minuten-Takt die Türklinke in die Hand geben, dann kann es kein gemeinsames Planen geben. Von Qualität im Sinne von Kundenzufriedenheit ganz zu schweigen.

Bildung mit Qualität?

Ein Grazer Gymnasium, das mit den hier erwähnten Beispielen nichts zu tun hat, wirbt mit dem Slogan "Bildung mit Qualität und Menschlichkeit". Grundsätzlich eine nette Sache. Aber wenn ich von meinen Kunden haarsträubende Geschichten höre, dann würde ich gerne wissen, wie diese "Leitphrase" praktisch in die Tat umgesetzt wird und auf welche Weise sie gemessen wird. Es gibt meines Wissens nach in diese Richtung auch keine Gütesiegel mit freiwilliger Selbstverpflichtung für mehr Miteinander und sinnvoll abgestimmte Termine. Was es jedoch gibt, ist SQA "als System ... für pädagogische Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im allgemein bildenden Schulwesen". Hier lassen sich sechs Qualitätsbereiche nachlesen, die ganz klar ihre Gültigkeit haben, sofern irgendwer dafür Zeit und entsprechende Ressourcen zugeteilt bekommen hat. Das, was meistens übrig bleibt, ist eine persönliche Grundhaltung, die jedoch die aus der Praxis stammenden Beispiele nicht gleich aufzulösen vermag.

Engagierte Schulen setzen heutzutage gerne auch auf die Themen Wohlbefinden und Gesundheit. Dadurch entstehen auch Teeküchen, Chill-out-Sitzecken für Schüler und Pflanzen im Schulgebäude. Das sind zwar alles hübsche wie auch nachhaltige Projektergebnisse und gleichsam eine Verschönerung der "Schauseite" einer Schule. Betroffene Eltern haben kurz vor Notenschluss davon aber nichts. (Rainer Saurugg, 28.6.2019)

Weitere Kommentare, Fotos und Videos gibt es auf meinem #nachhilfeblog auf Instagram

Weitere Beiträge des Bloggers