Szene aus "2001 – Odyssee im Weltraum" von 1968.

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Ryan Gosling 2018 in "First Man".

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Im Jahr 1997 sang die Band Prefab Sprout ein Liebeslied, das die Schwerelosigkeit als Bild für den entrückten Zustand beschwor: "Weightless – I feel like Yuri Gagarin". Der russische Kosmonaut gab den Menschen eine Idee davon, was es heißt, außer sich zu sein. So nahe wie er war vorher niemand dem Kosmos gekommen, der großen Entgrenzung, die man auf der Erde, auf der die Schwerkraft herrscht, nur mit geistigen Tricks erreicht. Oder mit federleichten Liedern wie von Prefab Sprout.

Mit dem Namen John Glenn hätte der besagte Song Weightless nicht so gut funktioniert, und nicht nur, weil dann zwei Silben für den Takt gefehlt hätten. Er war das US-Pendant zu Gagarin. Der erste Astronaut, der Mann am Übergang von einem geheimen Militärprogramm zu der größten PR-Aktion der Geschichte. Glenn war einer der Testpiloten, mit denen die NASA herausfand, was für Männer sie brauchte für das Abenteuer Raumfahrt. Und ob überhaupt – denn es gab damals nicht wenige Experten auf dem Boden, die für die Besatzung im Cockpit wenig Respekt hatten. Für den Flug ins All würden auch Schimpansen reichen, meinten sie in ihrer Arroganz. John Glenn und Chuck Yeager (der Pilot mit dem Überschallknall) belehrten sie schließlich eines Besseren.

Hinter den Kulissen des Mythos

Der Film Der Stoff, aus dem die Helden sind (The Right Stuff) von Philip Kaufman erzählte 1983 die Geschichte von Glenn und Yeager und ihren Kollegen, ihren Frauen, den Medien mit ihren Exklusivgeschichten und den Politikern, die vom "space race" profitieren wollten, in Form eines dreistündigen Epos. Heute würde man daraus eine Serie machen, denn der Stoff, den Tom Wolfe mit seinem Reportageroman bereitgestellt hatte, sprengte den Rahmen eines Abends. The Right Stuff wurde ein Flop. Wahrscheinlich passte der Blick hinter die Kulissen eines modernen Mythos nicht in eine Zeit, in der unter Reagan der Kalte Krieg unter ein Blockbusterlabel gestellt wurde: Star Wars.

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Doch hinter dem Misserfolg von Kaufmans Film ist eine grundlegendere Spannung zu erkennen: Die Raumfahrt ist in einem so enormen Ausmaß hochtechnologisch, dass es nicht verwundert, wenn die Techniker am liebsten den Menschen so weit wie möglich ausschalten würden. Es passt in diese Konstellation, dass ein Jahr vor Apollo 11 einer der größten Science-Fiction-Filme vor allem von dieser Rivalität erzählte: In 2001 – Odyssee im Weltraum befindet sich ein den Astronauten ebenbürtiger Computer an Bord. Es ist hinlänglich bekannt, wie sich die Sache mit HAL 9000 entwickelt. Das Resultat ist dann Popmystik wie in Weightless: Am Ende schwebt der Astronaut David Bowman – völlig losgelöst nicht nur von der Erde – in die Unendlichkeit. Er befindet sich nicht mehr nur in einer Raumkapsel, er ist selbst eine geworden, und für die Zeit seiner Existenz kann er das erhabene Dunkel in sich aufnehmen, in das er fällt.

Die Mondmissionen waren von Beginn an ein Unternehmen, in dem es um ambivalente Handlungsmacht ging. Zwar beschwor John F. Kennedy noch den Westernmythos der "final frontier", aber John Glenn, Neil Armstrong oder die Todesopfer von Apollo 1 waren keine Cowboys, die Probleme Auge und Auge mit dem Gegner lösen konnten.

Plausibelste Mondmission

Im Grunde ist Ron Howards Apollo 13 (mit Tom Hanks) die plausibelste von den großen US-Dramatisierungen der Mondmissionen: ein Katastrophenfilm im Fernsteuermodus. Dem technospektakulären Hollywood, das mit dem Ende der Apollo-Missionen allmählich Gestalt annahm, entzogen sich die Mondmissionen immer bis zu einem gewissen Grad: Die schon existierenden TV-Bilder sind zu übermächtig, und das Geschehen ist zu wenig konfrontativ, um für einen richtigen Blockbuster wie Armageddon zu taugen, in dem Bruce Willis einen Asteroiden mit der Menschheitsfaust aus dem Weg boxt.

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Inzwischen ist das Ereignis von 1969 weit in die Geschichte zurückgesunken. Es wirkt vertraut im Hinblick auf seine wesentlichen Bestandteile, die vor allem akustischer Natur sind. Die Erinnerungen beruhen auf Fernsehbildern, die selbst im IMAX-Format, auf das sie für die aktuelle Doku Apollo 11 aufgemöbelt wurden, immer noch historisch wirken – auch gegen alle Fake-Spekulationen, die bei einem Ereignis dieser Größenordnung unausweichlich sind.

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Wettlauf um Rohstoffe

Dass die Mondlandung vor allem ein Mythos ist, hat allerdings einer von der "anderen" Seite am besten bewiesen: Die Mockumentation First on the Moon (2005) des Russen Alexei Fedortschenko legte die Raumfahrtprogramme als Allerheiligstes des utopischen Sowjetsozialismus frei – in aller menschenverschleißenden Brutalität.

Im Vergleich dazu wirken die Apollo-Männer, von denen wir in Spielfilmen wie Dokumentationen vor allem erfahren, dass ihr Herz nicht einmal unter den wahnsinnigsten Fliehkräften zu rasen begann, nun doch wie Helden einer menschlichen Zivilisation, die sich eine sündteure, aber relativ zweckfreie Zeichenhandlung leistet. Das bisschen Staub, das sie mit nach Hause brachten, war eher ein Sinnbild. Das nächste Rennen wird erst dann so richtig beginnen, wenn man den Mond als Rohstoffkugel sieht. (Bert Rebhandl, 25.6.2019)