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"Komponiert hat er bis zum Schluss", erzählt Adrian Eröd, der Sohn des Komponisten Ivan Eröd. Zwei Tage vor einer geplanten Operation Anfang Juni, während der Iván Eröd einen Schlaganfall erlitten hat, an dessen Folgen er am Montag verstarb, beendete er sein Opus 95. Die Canti di un Ottantenne (auf Deutsch: Gesänge eines 80-Jährigen) werden im Mai 2020 im Musikverein von Sohn Adrian und dem Artis-Quartett uraufgeführt werden.

Iván Eröd wurde 1936 in Budapest als Sohn einer jüdischen Familie, die ursprünglich Schlüsselberg hieß, geboren. Sein Bruder und seine Großeltern wurden in den KZs Buchenwald und Auschwitz ermordet, er selbst und seine Eltern überlebten den Holocaust. Nach dem Krieg studierte Eröd zunächst Klavier und Komposition in seiner Geburtsstadt. Für ihn war jedoch bald klar, dass er nicht im kommunistischen, von Repressionen geprägten Ungarn bleiben wollte, 1956 floh er nach Wien.

"Er war von sämtlichen Extremismen ein Leben lang geheilt", erzählt Adrian Eröd, "und wollte nach Deutschland oder Amerika. Doch es verschlug ihn über Linz nach Wien, wo er ab 1957 durch ein US-Stipendium sein Studium an der Wiener Musikakademie fortsetzen konnte. Auch deshalb freute ihn seine letzte große Auszeichnung, eine Goldmedaille des US-amerikanischen des Kennedy-Centers besonders. Adrian, selbst gefeierter Bariton der Staatsoper, nahm sie vor wenigen Tagen für den Vater entgegen.

Staatsoper und Musikhochschulen

Nach dem Studium war Eröd in den frühen 1960er-Jahren an der Staatsoper tätig, später lehrte er an den Musikhochschulen in Wien und Graz, wo er mit seiner Familie einige Jahre lebte. Dort war unter anderem der international erfolgreiche Komponist Georg Friedrich Haas sein Schüler.

Nach der Wende und dem Kauf eines Ferienhauses in Ungarn knüpfte Eröd wieder zarte Bande in sein Geburtsland, eine Liebe, die in den letzten Jahren unter Viktor Orbán wieder abkühlte.

Als Komponist entwickelte Eröd eine markante Tonsprache, in die auch Einflüsse aus Jazz und ungarischer Volksmusik, mit der er sich als Student in Ungarn beschäftigt hatte, einflossen. Sein Werk war gleichzeitig von Ernsthaftigkeit und lebendigem Humor geprägt: Neben Violinkonzerten, Liederzyklen und Klavierkonzerten komponierte er auch Musiktheaterstücke wie die Kinderoper Pünktchen und Anton, basierend auf Erich Kästners Roman.

Zahlreiche Auszeichnungen

Mit dem Holocaust beschäftigte sich Eröd in seinem Werk spät: 2013 wurde seine Symphonie Öresund uraufgeführt. Sie erzählt von der einzigartigen Rettung von 7.800 dänischen Juden durch die couragierte Bevölkerung im Jahr 1943. Thomas Höft, mit dem Eröd jahrelang arbeitete, schrieb das Libretto für die Kästner-Vertonung wie auch jenes für Öresund.

Unter den zahlreichen Auszeichnungen, die Eröd erhielt, waren der Österreichische Staatspreis, der Würdigungspreis der Stadt Graz und jener des Österreichischen Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, der Musikpreis der Stadt Wien und 2001 das Große Silberne Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik und das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien.

Eröd starb im Kreis der Familie. Er hinterlässt Ehefrau Marie-Luce, die gemeinsamen fünf Kinder, die ebenfalls alle in der Kunst ihre Berufung fanden – neben Bariton Adrian, RSO-Fagottist Leonard Eröd, Dirigent Raphael Schlüsselberg, Schauspielerin Juliette Eröd und Musikpädagogin Natalie Dluhos – sowie neun Enkel und einen Urenkel. (Colette M. Schmidt, 24.6.2019)