Wien – Ein 29-jähriger Mann steht am Donnerstag als mutmaßlicher Terrorist vor einem Wiener Schwurgericht. Der Kasache soll von August 2013 bis November 2015 mehrfach nach Syrien gereist sein und aktiv gegen die Truppen des Assad-Regimes gekämpft haben. Laut Anklage hat er die tschetschenische Islamistengruppe "Emirat Kaukasus" unterstützt, die dem "Islamischen Staat" (IS) die Treue schwor.

Falsche Identität

Der Prozess findet deshalb in Österreich statt, weil der Mann seit Dezember 2015 in Wien unter falscher Identität gelebt hat. Er gab bei den österreichischen Behörden an, Russe zu sein und aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit in Russland verfolgt zu werden. Damit stellte er Antrag auf internationalen Schutz. Er lebte jahrelang in der Donaustadt, ging keiner Beschäftigung nach und kassierte monatlich Sozialhilfe.

Im März 2017 allerdings informierten die kasachischen Sicherheitsbehörden das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) über den Aufenthalt des ehemaligen Kämpfers in Wien. Mittels Fingerabdrücken und Lichtbildern wurde der Mann, der sich mit falscher Geburtsurkunde und falschem russischem Führerschein auswies, als der gesuchte Kasache identifiziert.

Auslieferung beantragt

Die Behörden in Kasachstan beantragten die Auslieferung. Das Wiener Straflandesgericht erklärte das jedoch für unzulässig, da in seiner Heimat ein Strafverfahren nicht den Grundsätzen der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechen würde. Somit findet der Prozess am Wiener Straflandesgericht statt. Angeklagt sind die Verbrechen der terroristischen Vereinigung, das Verbrechen der kriminellen Organisation, die Verbrechen der terroristischen Straftaten sowie das Verbrechen der Ausbildung für terroristische Zwecke.

Im Fall einer Verurteilung droht dem 29-Jährigen lebenslange Haft, da er auch Schusswaffen gegen syrische Soldaten eingesetzt haben soll. Weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass er jemanden getötet hat, und das zumindest billigend in Kauf genommen hat, wird das von der Anklage als versuchter Mord gewertet.

Großteils geständig

Der Angeklagte, der sich bisher größtenteils geständig gezeigt hat, entwickelte Anfang 2013 Interesse am Krieg in Syrien. Der Mann, der von Wolfgang Blaschitz anwaltlich vertreten wird, entschloss sich im August 2013 laut Staatsanwaltschaft, nach Atmeh zu reisen, um gegen die Truppen des Assad-Regimes zu kämpfen. Von seiner Heimat Kasachstan flog er über Moskau nach Istanbul. Mithilfe von Schleppern wurde er nach Syrien gebracht. Der Plan war, sich dort der aus dem syrischen Flügel der tschetschenischen Islamistengruppe "Emirat Kaukasus" gebildeten Miliz Jamwa (Jaish al-Muhajuireen wal-Ansar) anzuschließen.

In Atmeh wurde er zunächst drei Wochen lang in einem Camp für angehende Kämpfer ausgebildet. Neben einem täglichen Kampftraining wurde ihm auch die Handhabung von Waffen – dem Sturmgewehr AK47 und einer Panzerfaust – beigebracht. Bestückt mit einer Pistole der Marke Tokarew und dem Sturmgewehr wurden er und seine Kameraden ab Herbst 2013 mit der Verteidigung der Stadt Haritan sowie des nahe gelegenen Aleppo betraut, wobei er bei Stellungskämpfen laut Anklage auch seine Waffen gegen heranrückende syrische Soldaten einsetzte.

Als einige Zeit später syrischen Truppen der Vorstoß in diese Region gelang und sie eine Hauptverbindungsstraße zwischen Aleppo und Atmeh mit Panzern beschossen, beschloss der Kommandant der Truppe des 29-Jährigen einen Angriff auf die Regierungstruppen. Dabei kamen zwei seiner Freunde ums Leben, ein weiterer wurde verletzt.

Als Söldner im Einsatz

Im Jänner 2014 kehrte der Angeklagte in die Türkei zurück, um sich von den Strapazen zu erholen. Nachdem er im Sommer 2014 im Dienst ukrainischer Kämpfer als Söldner im Einsatz war, kehrte er im Jänner 2015 nach Syrien zurück, um die Kampftruppe Jamwa erneut zu unterstützen. Bei zwei Tage andauernden Gefechten nahe Sheikh Najjar, einer Industriestadt im Norden Syriens, wurde er laut Anklage durch Bombensplitter an Oberschenkel, Kopf und Händen verletzt. Als seine Verletzungen verheilt waren, verließ er die Truppe und floh über die Ukraine nach Österreich, wo er den Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Leugnet IS-Sympathie

In Österreich veröffentlichte er in einem sozialen Medium Schilderungen seiner Erlebnisse in Syrien. Mindestens vier Kontakten schickte er so Berichte über seine Beteiligung an Kampfhandlungen sowie glorifizierende Fotos von terroristischen Vereinigungen mit dem Ziel, Gleichgesinnte zu gewinnen und das Gedankengut zu verbreiten, was der 29-Jährige bestreitet. Umfassend geständig zeigte er sich im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren zu den Aufenthalten in Syrien und zu seiner Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "Emirat Kaukasus". Er räumte auch ein, dass die aus Anhängern des "Emirats Kaukasus" bestehende Kampftruppe Jamwa den IS unterstützte. Dass er Sympathisant des IS sei, bestreitet er, er habe der muslimischen Bevölkerung Syriens nur helfen und diese vor den Regierungstruppen beschützen wollen. (APA, 25.6.2019)